"Bäume und Wasser sind gefragt"
Ein Interview mit Aichachs Bürgermeister Klaus Habermann

Der Rathauschef besuchte das Aichacher Volksfest, das mit neuem Konzept an den Start ging | Foto: Irene Rung
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  • Der Rathauschef besuchte das Aichacher Volksfest, das mit neuem Konzept an den Start ging
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myheimat: Herr Habermann, das Jahr begann ungewohnt für Sie. Krankheitsbedingt fielen Sie mehrere Wochen aus. Aus zuverlässigen Kreisen in der Stadtverwaltung wissen wir, dass Sie sich sonst kaum mal länger als drei zusammenhängende Tage eine Auszeit gönnten. Was haben Sie während dieser unfreiwilligen Pause über sich selbst gelernt? Und welche neuen Erfahrungen hat Ihre Umgebung mit Ihnen gemacht?

Habermann: Ich hoffe, ich war ein „pflegeleichter“ Patient. Aber in der Tat, es war eine ganz neue Erfahrung, die ich nicht so schnell mehr haben muss. Aber ich hatte viel Zeit zum Lesen!

myheimat: Zu Ihrem 70. Geburtstag gönnten Sie sich einen Kurztrip nach Berlin. Was fasziniert Sie an dieser Metropole?

Habermann: Diese unglaublich spannende, aber auch explosive Mischung an Lebensmodellen und Kulturen. Und natürlich die großartige Vielfalt an Architektur und Kulturangeboten.

myheimat: Kehren wir von der deutschen Hauptstadt ins etwas beschaulichere Aichach zurück. Für Ihre restliche Amtszeit haben Sie sich noch jede Menge Projekte vorgenommen. Lassen Sie uns mit dem Aichacher Stadtplatz beginnen. Ein autofreier Oberer Stadtplatz zwischen Rathaus und Sparkassengebäude stand im Zentrum der Diskussionen. Für Sie eine gute Lösung?

Habermann: Ja, unbedingt. Wir erleben gerade eine Zeit, wo Veränderung im Mittelpunkt steht. Die „autogerechte Stadt“ verliert mehr und mehr an Bedeutung und die Aufenthaltsqualität erhält neuen Stellenwert. Vor allem gilt es, Resilienz zu stärken und auf die zunehmende Erhitzung unserer Innenstädte zu reagieren. Grün und blau, also Bäume und Wasser, sind gefragt. Es gibt inzwischen wohl kaum einen renommierten Städteplaner, der hier nicht auffordert, neue Wege gehen. Und viele Städte, große wie kleine, sind schon unterwegs.

myheimat: Die Neugestaltung der Unteren Vorstadt steht auch schon länger auf Ihrer politischen Agenda. Das Thema ist eng verknüpft mit dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) - eine Voraussetzung, um an Mittel aus der Städtebauförderung zu kommen. Wie sieht da momentan der Fahrplan aus?

Habermann: Wir befinden uns beim ISEK auf der Zielgeraden. Anfang 2024 werden wir mit einer letzten Bürgerwerkstatt und Beschlussfassung im Stadtrat abschließen, dann können hoffentlich Wettbewerb und Planung zur Unteren Vorstadt starten.

myheimat: Lassen Sie uns ein wenig über den öffentlichen Nahverkehr sprechen. Sie träumen ja von einem Flexibus, der teilweise den Fahrplan- und Haltestellen-gesteuerten ÖPNV ersetzen sollte. Wie ist es aus Ihrer Sicht um die verkehrliche Anbindung der Ortsteile an die Kernstadt bestellt?

Habermann: Ja, darüber bin ich absolut traurig. Landkreis und AVV wollen an dieses Thema absolut nicht ran. Ich denke im digitalen Zeitalter ist es weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll, einen ausschließlich Fahrplan- und Haltestellen gesteuerten ÖPNV zu betreiben. Wo ein großer Bus 25 Haltestellen abfährt, bei denen an 23 kein Mensch wartet. Der App-gesteuerte Flexibus wäre hier aus meiner Sicht die einzig sinnvolle Lösung. Landkreis und AVV müssen hier dringend ran.

myheimat: Als sozialdemokratischem Politiker muss Ihnen auch das Thema „bezahlbarer Wohnraum“ besonders am Herzen liegen. Welchen Rang nimmt in diesem Zusammenhang das neue Wohnquartier Franz-Beck-Straße ein?

Habermann: Zunächst mal freue ich mich über zwei große Bauvorhaben der Baugenossenschaft in der Oskar von Miller Straße und Donauwörther Straße, die aktuell starten. Insgesamt ca. 30 Sozialwohnungen werden da absehbar entstehen. Und das Wohnquartier in der Franz-Beck-Straße soll folgen, ich hoffe auf „Baurecht“ im kommenden Jahr.

myheimat: Die Aufplanung der städtischen Filetgrundstücke wollen Sie auch noch mitbegleiten. Dazu zählen neben dem SanDepot, das Neusa-Gelände, der Parkplatz beim Freibad sowie das Gelände des Feuerhauses und das Rehmböck-Gelände. Welche künftigen Nutzungen sind dort aus Ihrer Sicht vorstellbar?

Habermann: Auch hier wird uns das ISEK hoffentlich weiterhelfen. Ich denke mir, dass die Themen altengerechtes Wohnen, Kunst- und Kultur und natürlich auch Jugend im SAN Depot und Neusa Areal eine Rolle spielen könnten. Das Grundstück an der Martinstraße, auf dem das alte Feuerwehrhaus steht, schreit meines Erachtens danach, frequenzbringenden Einzelhandel für die Innenstadt zu generieren. Und im vorausschauend erworbenen Rehmböck Areal – zusammen mit dem bald nicht mehr benötigten Verwaltungsgebäude 2 – bieten sich alternative Wohnformen im Alter, eventuell auch eine Kurzzeitpflege in Kombination zum Heilig Geist Altenheim an. Die Projekte neues Pfarrzentrum und Veranstaltungshalle Stadt an der Franz-Beck-Straße müssen leider noch warten, aber aufgeschoben muss ja nicht aufgehoben sein.

myheimat: Um eine Stadt fit für die Zukunft zu machen, muss man auch an die Energieversorgung denken. Der Aichacher Stadtrat verzichtete darauf, Konzentrationsflächen für Windkraft auszuweisen. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?

Habermann: Regenerative Energien wie Windkraft werden weiter verstärkt notwendig sein, wenn wir die Energieversorgung dauerhaft sichern wollen. Diese Entscheidung steht dem überhaupt nicht entgegen. Im Gegenteil!

myheimat: Was tut die Stadt Aichach alles, um dem Ziel der Klimaneutralität näher zu kommen?

Habermann: Aktuell stehen wir mit anderen Kommunen und der Energie Südbayern (ESB) als kompetentem Partner in Kontakt, um die sogenannte „Paartalenergie GmbH“ zu gründen. Eine große Chance, gemeinsam entlang der Paartallinie etwas voranzubringen. Jede Kommune allein wird sich da schwertun, weil Geld und Know-how fehlen. Ferner sind wir ganz pragmatisch an der Umsetzung neuer PV-Anlagen auf städtischen Immobilien, aktuell am Feuerwehrhaus, bzw. an der Umsetzung zukunftsorientierter Energieformen bei neuen Baugebieten dran. Und unsere BWA GmbH hat einen eigenen Transformationsprozess eingeleitet, um sich für die Zukunft aufzustellen. Fernwärme wird notwendiger sein denn je.

myheimat: Das Fernwärmeprojekt im Aichacher Süden, die „Huber-Farm“, konnte nicht realisiert werden. Bedauern Sie diese Entwicklung?

Habermann: Das ist wirklich sehr bedauerlich. Aber es zeigt auch, wie weit Wunsch und Wirklichkeit zuweilen auseinanderlaufen. Fehlende Planungssicherheit und bürokratische Hemmnisse belasten übrigens auch uns Kommunen, von der oftmals fehlenden Wirtschaftlichkeit ganz zu schweigen. Auch Kommunen können nicht ständig nur „Geld mitbringen“!

myheimat: Wie zufrieden sind Sie mit dem aktuellen „Aichacher Energiemix“?

Habermann: Eigentlich sehr: Wir generieren an Sonnentagen rund 140 % des verbrauchten Stroms in der Stadt „regenerativ“, im Jahresschnitt sind das so um die 80 - 90 %. Damit liegen wir als Stadt mit 22.000 Einwohnern und vielen Gewerbebetrieben im Landkreis außerordentlich günstig.

myheimat: Ein für Sie wichtiges Projekt wollen Sie in naher Zukunft noch umsetzen: den Umzug ins neue Verwaltungsgebäude. Klappt das noch mit dem neuen Bürgerbüro während Ihrer Amtszeit?

Habermann: Wir werden wohl Ende 2024 unseren Erweiterungsbau „bezugsfertig“ haben, dann sind noch Renovierungsmaßnahmen im Altbau erforderlich. Das sollte aber auf jeden Fall noch klappen.

myheimat: Die Diskussion um Migration und Flüchtlingsströme beherrschte die Schlagzeilen in der zweiten Jahreshälfte. Als Kommunalpolitiker sind Sie vor Ort ganz konkret betroffen, wenn es um die Unterbringung von Flüchtlingen geht. Wie kann Ordnung und Humanität bei der Flüchtlingspolitik zusammengebracht werden? Wie stellt sich die Situation in Aichach aus Ihrer Sicht dar?

Habermann: Wir haben aktuell so um die 550 Flüchtlinge, darunter wohl auch ca. 200 aus der Ukraine untergebracht. Dies ist natürlich eine Herausforderung in Sachen „Integration“ und Infrastruktur – Stichwort: Schulen, Kitas, etc., aber bislang klappt das ganz gut. Wir wollen nicht einstimmen in das allgemeine Jammern, sondern bemühen uns weiter.

myheimat: Nach all den politischen Gesprächsgegenständen noch eine persönliche Frage zum Abschluss: Welche Begegnung hat Sie im abgelaufenen Jahr am meisten beeindruckt?

Habermann: Das Zusammentreffen mit der großen Schauspielerin Marianne Sägebrecht beim Filmfestival. Eine unglaublich vitale und charmante, lebenserfahrene Persönlichkeit!

myheimat: Herr Habermann, vielen Dank für dieses Gespräch.

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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