„Das Milchwerk wird unsere Stadt verändern“: Ein Interview mit Klaus Habermann
Die Diskussion um die Zukunft des ehemaligen Milchwerkareals, das interkommunale Gewerbegebiet Aichach-Dasing, effektiver Hochwasserschutz – hinter Klaus Habermann liegt das „intensivste“ Jahr seiner Amtszeit. myheimat unterhielt sich mit dem Stadtoberhaupt über die kommunalpolitischen Brennpunkte und den Dauerregen bei der BR-Radltour.
myheimat: Herr Habermann, ein aufregendes und ereignisreiches kommunalpolitisches Jahr liegt hinter Ihnen. Ein besonders kontrovers diskutiertes Thema war die Zukunft des ehemaligen Milchwerkgeländes. Die Aktionsgemeinschaft Aichach (AGA) der Einzelhändler zeigte sich wenig begeistert von der Idee, einen Textilmarkt auf dem Milchwerkareal anzusiedeln. Sie forderte eine strikte Einhaltung der „Heinritz-Liste“, die festlegt, welche Sortimente der Innenstadt vorbehalten sind. Der Stadtrat beschloss im Oktober 2010 aber mit deutlicher Mehrheit, den Weg für die Ansiedlung des Modeunternehmens C & A frei zu machen. Mit welchen Argumenten begründen Sie diese Ausnahme von der Sortimentbeschränkung, die im Jahr 2009 für drei Jahre beschlossen wurde?
Habermann: In der Tat, es war ein unglaublich arbeitsreiches, aber auch erfolgreiches Jahr. Aufgrund der Fülle der laufenden Großprojekte das vielleicht intensivste überhaupt in meiner bisherigen Amtszeit. Aber es geht voran und speziell das Milchwerk wird unsere Stadt verändern: optisch durch eine attraktive Bebauung, verkehrstechnisch durch die beiden neuen Kreisverkehre und auch handelstechnisch. Mit dem bekannten Textiler ist es gelungen, einen Magneten in die Paarstadt zu locken, der Kunden in Aichach halten und zusätzliche Kaufkraft generieren wird. Die Aichacher wollten ihn unbedingt und dies sollte als Argument eigentlich ausreichen.
myheimat: Ist nicht ein Dammbruch zu befürchten, wenn man jetzt eine Ausnahme macht? Wie lässt sich der Einzelhandel in der Innenstadt effektiv schützen?
Habermann: Nein, das glaube ich nicht. Durch die jederzeit begründbare Ausdehnung des "zentralen Versorgungsbereiches" kann man das weiter gut steuern.
myheimat: Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit dem Thema „Milchwerk“ war die Verkehrssituation. Acht Bewohner der Wiesenstraße protestierten gegen die Verkehrserschließung. Wie sieht aus Ihrer Sicht ein schlüssiges Verkehrskonzept für das Areal aus?
Habermann: Ich denke, dass von der geplanten Verkehrsreglung alle profitieren werden, die Anwohner der Wiesenstraße ebenso wie die Anwohner der Franz-Beck-Straße.
myheimat: Ein anderes wichtiges Thema in Aichach ist der Hochwasserschutz. Mit dem „Paartalpark Aichach-Nord“ soll das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden werden. Die Wasserläufe werden so umgestaltet, dass gleichzeitig ein Naherholungsgebiet entsteht. Welche Pläne stehen für das Jahr 2011 an?
Habermann: Der jetzt fast fertige Referenzabschnitt zeigt, welch‘ großen Gewinn das Projekt für die Stadt darstellt. Je nach Grundstücksverfügbarkeit werden wir 2011 einen zweiten, großen Bauabschnitt anpacken. Die "Stadt am Fluss" wird mehr und mehr erlebbar.
myheimat: Um einen wirksamen Hochwasserschutz zu garantieren, müssen in manchen Fällen Einzelinteressen zurückstehen. Gab es Probleme mit Grundstückseigentümern?
Habermann: Leider immer wieder, aber die müssen halt gelöst werden.
myheimat: Für den Grünzug an der Paar waren im Haushalt 140.000 Euro eingeplant. Welche Hoffnungen verbinden Sie mit diesem Projekt?
Habermann: Aichach soll hochwassersicherer und die Paar als attraktiver Erholungsraum erlebbarer gemacht werden.
myheimat: Die genannten Maßnahmen zum Hochwasserschutz, die Erweiterung des Feuerwehrgebäudes, der Straßenbau, die energetische Sanierung des Kindergartens an der Holzgartenstraße, die Fortführung des Kinderkrippenbaus – all das kostet viel Geld. Ihr Chef der Finanzverwaltung, Wilhelm Rottenkolber, sprach von einem „schwierigen Jahr 2010“ und einem „noch schwierigeren“ Jahr 2011. Wie stellt sich aus Ihrer Sicht die Situation der städtischen Finanzen in Aichach dar?
Habermann: Positiver als erwartet. Wir werden in 2010 mehr Gewerbesteuer und auch Einkommensteuer einnehmen als geplant und sogar weiter Schulden abbauen können. Ein gutes Polster, das wir für die anstehenden Großprojekte auch dringend brauchen werden.
myheimat: Das Ziel einer effektiven Haushaltspolitik besteht darin, Zuführungen vom Verwaltungs- an den Vermögenshaushalt zu erreichen. Steht in Aichach für das Jahr 2011 genügend Geld für die notwendigen Investitionen bereit?
Habermann: Wie heißt es so schön: "Kein Geld haben wir immer"! Aber Spaß beiseite, es wird sicher nicht einfach: Schon allein im Straßenbau werden wir erhebliche Mittel einsetzen müssen, um die laufenden und zusätzlich anstehenden Maßnahmen zu schultern. Ich sage nur: Kreisverkehre beim Milchwerk, B 300-Anbindung-Tränkmühle, Bahnunterführung bei Algertshausen, Aufwertung des Tandlmarkts im Rahmen der Städtebauförderung - dazu das neue Feuerwehrgerätehaus und andere wichtige Projekte. Der Haushalt 2011 wir spannend.
myheimat: Eine wichtige Einnahmequelle für die Kommunen stellen die Gewerbesteuern dar. Manche Bundespolitiker forderten deren Abschaffung. Im „Krisenjahr“ 2009 schnitt Aichach mit ca. 5,6 Millionen Euro Gewerbesteuern ab. Wie sieht die Lage im Jahr 2010 aus?
Habermann: Wenn nichts Schlimmes mehr passiert wohl 1 Million Euro mehr als geplant. Wir können - wie die anderen Städte auch - auf die Gewerbesteuer nicht verzichten. Aber gottlob scheint dieses Thema ja nunmehr vom Tisch.
myheimat: Mit dem interkommunalen Gewerbegebiet Aichach-Dasing beschreiten Sie neue Wege. Einige Landwirte und der Bund Naturschutz geißeln den Flächenverbrauch scharf. Warum ist dieses Projekt für Aichach so wichtig?
Habermann: Es geht letztendlich um Arbeits- und Ausbildungsplätze und natürlich auch Gewerbesteuer. Aufgrund der Nähe zum Autobahnanschluss Dasing ist die Lage für standortsuchende Betriebe prädestiniert. Übrigens: Das war auch bereits im Flächennutzungsplan so vorgesehen und da hat der Bund Naturschutz keine Einwände erhoben.
myheimat: Eng verknüpft mit dem Politikfeld „Gewerbepolitik“ ist das Thema Verkehrsinfrastruktur. Welchen Stellenwert nimmt in diesem Zusammenhang der Ausbau der B 300 ein?
Habermann: Extrem wichtig: die ausgebaute A 8 und eine Autobahn ähnlich ausgebaute B 300 bis Langenbruck verbessern unsere Standortqualitäten ganz deutlich.
myheimat: Beginn für den Bau einer Unterführung der Staatsstraße bei Algertshausen ist voraussichtlich 2011. Was erhoffen Sie sich von dieser Maßnahme?
Habermann: Er wird den regelmäßigen Rückstau auflösen, der Autofahrer und Anlieger und den Bürgermeister gleichermaßen nervt.
myheimat: Nach all den politischen Gesprächsgegenständen noch eine persönliche Frage zum Abschluss: Welches Ereignis des Jahres 2010 wird Ihnen am meisten im Gedächtnis haften bleiben?
Habermann: Der Dauerregen am Tag der BR-Radltour. Nach der vielen Arbeit und Anspannung im Vorfeld war das in der Tat die "Höchststrafe"!