Von Aufrührern und Ketzern – Glaubensbewegungen im Wittelsbacher Land: Wittelsbacher Heimattag befasste sich mit der Geschichte der Reformation im Landkreis
In ganz Deutschland wird im Jahr 2017 mit Veranstaltungen an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren erinnert. Ein Bezug zwischen den epochalen Ereignissen des Jahres 1517 und der Geschichte des immer altbayerisch und durchgehend katholisch geprägten Wittelsbacher Landes mag sich bei einer ersten oberflächlichen Betrachtung zunächst nicht unmittelbar aufdrängen. Der von der Kreis- und Heimatbücherei Aichach veranstaltete Wittelsbacher Heimattag brachte hier jedoch neue Erkenntnisse.
Mit fünf Kurzvorträgen und einer Kirchenführung gingen die Referenten des Tages auf das historische Geschehen ein und stellten prägende Persönlichkeiten der Konfessionsgeschichte, deren Wurzeln im Landkreis Aichach-Friedberg liegen, vor. Ebenso wurde das Nachwirken der Reformation bis in die Neuzeit herausgearbeitet.
Bereits zu sechsten Mal trafen sich ehrenamtlich Tätige aus den Museen, Archiven und Heimatvereinen sowie interessierte Bürger zum jährlichen Wittelsbacher Heimattag. Die Veranstaltung widmete sich in diesem Jahr am Tagungsort Baindlkirch ganz der Konfessionsgeschichte. Etwa 80 Besucher konnte Kreisarchivpfleger Wolfgang Brandner begrüßen. In den Vorjahren wurden bereits vielfältige Themen wie etwa die Historie der Wasserkraft, die Geschichte der Wittelsbacher, archäologische Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Grubet oder der Themenkreis Geologie behandelt.
Das Auftaktreferat hielt Frau Dr. Gabriele Greindl von der Kommission für Bayerische Landesgeschichte. Sie brachte einen Überblick über die frühe Phase der Reformation in Bayern. Das Haus Wittelsbach war treu der katholischen Kirche verbunden und versuchte durch strenge Maßnahmen das Eindringen von reformatorischen Einflüssen nach Altbayern zu verhindern. Problematisch für unsere Region war dabei die Nähe zu Augsburg. Aufrührerische Druckschriften konnten über die Grenzstadt Friedberg zusammen mit Handelswaren leicht nach Bayern gelangen. Ebenso besuchten immer wieder Gläubige aus dem Wittelsbacher Land heimlich evangelische Gottesdienste in Augsburg.
Schon kurz nach der Reformation entstand eine Bewegung, die die Taufe von Kindern ablehnte und die eine ausschließliche Taufe von Erwachsenen forderte. Auch in Augsburg entstand eine solche „Täufergemeinde“. Wie Dr. Barbara Kink vom Haus der Bayerischen Geschichte ausführte, strahlte deren Wirken auch über den Lech in das Gebiet des heutigen Landkreises hinein. 1527 begannen die bayerischen Herzöge gegen die „Wiedertäufer“ einzuschreiten. Ein Täufer gelangte auf der Flucht nach Aichach. Jedoch wurde er auch dort auf herzoglichen Befehl verhaftet. Nur durch den Widerruf seines Bekenntnisses konnte er der Hinrichtung durch das Schwert entgehen. Durch Quellenforschungen konnte Kink 26 Täufer aus dem Gebiet des heutigen Wittelsbacher Landes feststellen. Sie stammten alle aus dem südlichen Rand des Landkreises. Das Herzogtum Bayern ging mit großer Härte gegen diese Bewegung vor und vollstreckte 14 Todesurteile gegen Täufer am Landgericht Landsberg. Die Referentin zeigte auf, dass viele einfache Menschen, die sich in einer schlechten wirtschaftlichen Lage befanden, dort einen Ausweg in den Heilsversprechen der Täufer sahen. Im Raum Aichach konnte sie keine religiösen Unruhen feststellen. Als Ursache für das stabile Festhalten am alten Glauben, sah Kink zum einen die ausgeprägte Machtstruktur der Wittelsbacher in deren Kernland, sowie auch die dort bessere wirtschaftliche Lage durch florierende Wallfahrtsorte wie Inchenhofen.
Am 10. März 1528 wurde Balthasar Hubmaier in Wien als Aufrührer und Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Prof. Dr. Klaus Wolf berichtete vom Leben dieser führenden Täuferpersönlichkeit, die um 1485 in Friedberg geboren wurde. Über die Stationen Ingolstadt und Regensburg kam Hubmaier nach Waldshut in Baden. Er setzte sich intensiv mit der Frage des richtigen Zeitpunktes der Taufe auseinander. Schließlich lehnte der die Kindertaufe ab und taufte im Jahr 1525 einen großen Teil der erwachsenen Bevölkerung der Stadt erneut. Als er zur Rückkehr zum Katholizismus gezwungen werden sollte, musste er nach Mähren fliehen. Dort verfasste er weitere Schriften, die reiche Verbreitung fanden. Jedoch wurde er auch dort verhaftet und schließlich zum Tode in Wien verurteilt.
Die junge Doktorandin Verena Gawert von der Universität Augsburg stellte den am 21. Dezember 1500 in Stotzard bei Aindling geborenen Caspar Huberinus vor. Er war ursprünglich katholischer Mönch. Huberinus ging 1522 nach Wittenberg und nahm Kontakt zu Luther auf. Dort unterstützte er dessen Kirchenkritik durch eine reiche publizistische Tätigkeit. So verfasste er zahlreiche Katechismen, Predigten und kraftvolle Erbauungsschriften. Der Referentin gelang es ein anschauliches Bild des 1553 verstorbenen Zeitgenossen Luthers zu zeichnen, an den heute in seinem Geburtsort zumindest mit einem Straßennamen erinnert wird.
Am Nachmittag ging es nicht mehr um die unmittelbare Zeit der Reformation. Wie anhand von Beispielen aus dem Landkreis deutlich wurde, führte die Frage um den rechten Glauben zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Baindlkirch zu großen Konflikten und in den 1960er Jahren wurde in Ottmaring modellhaft ein ökumenischer Weg eingeschlagen.
Kreisheimatpfleger Dr. Hubert Raab führte durch die singuläre klassizistische Kirche von Baindlkirch und stellte den Bauherrn Ignaz Lindl vor. Pfarrer Lindl war es gelungen, den Neubau kurz nach der Säkularisation, in einer kirchenfeindlichen Zeit durchzusetzen, als anderswo Kirchen abgebrochen und Klöster aufgelöst wurden. Raab erklärte nicht nur die Baugeschichte und die Kunstwerke der Kirche, sondern stellte auch die Biografie Lindls vor, der 1774 in Baindlkirch geboren wurde. Schon als junger Priester wusste er mit seiner Predigtkunst große Menschenmengen zu faszinieren. Schließlich entfernte Lindl sich immer mehr von der Lehre der katholischen Kirche und ging nach Russland um dort Gemeinden aufzubauen, die nach urchristlichen Vorbildern leben wollten.
Andrea Rösch und Johannes Uhlig stellten das „Ökumenische Lebenszentrum Ottmaring“ vor. Grundlage des Zentrums welches im Juni 1968 eingeweiht werden konnte, war das Bemühen um ein gemeinsames Wirken der christlichen Kirchen. Aus der evangelischen „Bruderschaft vom Gemeinsamen Leben“ und der in Italien wurzelnden „katholischen Fokolarbewegung“ entstand bei Friedberg eine ökumenische Siedlung mit 120 ständigen Bewohnern, die internationale Kontakte pflegen.
Bürgerreporter:in:Landratsamt Aichach-Friedberg aus Aichach |
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