IC-Halt in Stadtallendorf: Preise und Wünsche aus Politik & Wirtschaft
Seit dem 14.12.2015 hält IC 2273 als einziger Fernzug des aktuellen Fahrplanjahrs in Stadtallendorf. Ab dem 1.4.2016 sind Tarife für RMV-Zeitkarteninhaber im Angebot.
Tarife
Bei der Einführung des Halts für IC 2273 hatte die DB vergessen, den Aufpreis für RMV-Zeitkarteninhaber ins Angebot zu nehmen, obwohl bis Frankfurt Pendler die Hauptnutzer dieses Zugs sind. Nach der Beschwerde eines Pendlers, welcher diesen Zug nutzen wollte, wurde Nachbesserung versprochen und bis zum 31.3. auf den Aufpreis für Zeitkarteninhaber zwischen Stadtallendorf und Marburg beziehungsweise Treysa und Stadtallendorf verzichtet.
Den Aufpreis kann man nun tatsächlich am Automaten erwerben - am 31.3. hingegen war Stadtallendorf noch nicht in der Liste der für diesen Tarif auswählbaren Bahnhöfe. Für die Fahrt nach Frankfurt ist damit etwa sieben Euro mehr im Monat als bisher zu zahlen.
Bei Einzelfahrten gilt für den IC der Fernverkehrstarif der DB, während im RegionalExpress der RMV-Tarif gilt. Dabei ist die Fahrt im InterCity teurer als im Nahverkehr, wobei die Spanne je nach Fahrtziel von etwas teurer bis dreimal so teuer reicht.
Inhaber von RMV-Zeitkarten müssen nur eine Aufpreiskarte erwerben, welche wochen- oder monatsweise erhältlich ist. Der Aufpreis für eine Woche liegt deutlich unter dem Preis für eine Einzelfahrt nach DB-Tarif.
Der Monatsaufpreis von Stadtallendorf nach Frankfurt kostet 37,20€. Der Aufpreis für die etwas längere Strecke Marburg - Darmstadt ist hingegen mit 31,70€ merklich günstiger. Das ist auch dadurch ärgerlich, dass man den Aufpreis Stadtallendorf - Frankfurt nur für IC 2273 voll nutzen kann. Bei allen anderen Zügen ist nur die Strecke zwischen Marburg und Frankfurt nutzbar, und wegen ungünstiger Anschlüsse lohnt sich das nicht.
Fahrplan
IC 2273 fährt 5:49 Uhr in Stadtallendorf ab. Die preiswerte Alternative sind RE 4171 um 4:55 Uhr und RE 4177 um 6:15 Uhr, wobei letzterer etwa die gleiche Fahrtzeit wie der InterCity benötigt.
Reisende bis Gießen können um 5:29 Uhr auf einen unbequemen Bummelzug ausweichen.
Beliebtester InterCity für die Rückreise wäre IC 2276, welcher um 16:50 in Frankfurt abfährt und um 18:03 Uhr durch Stadtallendorf fährt. Die nächsten Fahrtmöglichkeiten bestehen eine halbe Stunde vorher und nachher mit etwa gleicher Fahrtzeit. Für Fahrten ab Frankfurt West würde IC 2276 eine deutlich günstigere Fahrtmöglichkeit bieten, da die schnelleren RegionalExpress-Züge dort nicht halten.
Beim Fahrkomfort liegt der IC etwas vor den Doppelstock-RegionalExpress-Zügen der DB. Letztere haben aber auch bequeme Sitze und Ablagen für Gepäck. Bei den auf der Strecke eingesetzten Triebfahrzeugen (HLB und Mittelhessen-Express) hingegen mangelt es bei vielen Plätzen an Gepäckablagen.
Treysa und Marburg sind übrigens in Hessen die am weitesten voneinander entfernten Systemhalte der IC-Linie 26. Durch einen Halt in Stadtallendorf reduziert sich der Abstand der Halte von 42 km auf 18 km und 22 km. Das ist immer noch etwas mehr als der Abstand zwischen den Systemhalten Bensheim und Weinheim, der nur 14km beträgt.
Betteln für den IC
Einige Pendler sehnen sich schon danach, mit dem IC nicht nur nach Frankfurt, sondern auch zurück zu fahren. Auch einige Vertreter aus Politik und Wirtschaft setzen sich für einen IC-Halt in Stadtallendorf ein und haben am 23.2.2016 einen Brief an die Deutsche Bahn geschrieben, dass sie doch auch noch weitere IC-Züge in Stadtallendorf halten lassen sollte. Beim Lesen dieses Briefs, welcher im Internetangebot vom Landkreis zu finden ist, könnte man jedoch den Eindruck bekommen, dass die Nutzung des seit dem Fahrplanwechsel guten Nahverkehrsangebot unzumutbar wäre und durch den Halte eines weißen-roten Zuges die Leute aus der Umgebung nach Stadtallendorf strömen würden wie einst 2010, als dort Hessentag war.
Kommentierte Auszüge aus dem Brief an die DB
Sowohl die unterzeichnenden Akteure als auch ihre Kunden/innen und Geschäftspartner/innen würden gerne häufiger das attraktive Angebot der Bahn nutzen.
Warum tun sie es nicht? Wir haben in Stadtallendorf einen Bahnhof, an welchem stündlich Züge nach Frankfurt und Kassel halten. Ich nutzte dieses Angebot sehr regelmäßig. Die genannten Personen scheinen also das Angebot der Bahn nicht attraktiv zu finden.
Durch die fehlende Fernverkehrsanbindung, zumal auch die Umsteigeverbindungen zum Fernverkehr in Marburg nur eingeschränkt attraktiv, nach Norden faktisch gar nicht vorhanden sind, muss die Wahl oft auf andere Verkehrsträger fallen.
In Marburg hält nur die zweistündlich verkehrende IC-Linie 26. Es gibt keine Notwendigkeit, in Marburg in den Fernverkehr umzusteigen. Für den Fernverkehr nutzt der Stadtallendorfer die Netzknoten Frankfurt und Kassel. Frankfurt ist seit dem Fahrplanwechsel gut von Stadtallendorf erreichbar. Bei Kassel ist die Anbindung noch verbesserungswürdig, aber nicht so schlecht, dass es ohne IC nicht geht.
Derzeit reisen Mitarbeiter/innen und Kunden/innen häufig mit dem PKW nach Frankfurt oder Kassel, um dort auf den Fernverkehr umzusteigen – oder entscheiden sich gleich ganz für den Pkw.
Thema verfehlt - an dem fehlenden IC-Halt der Linie 26 sollte es nicht liegen. Der hält nämlich nicht nur in Frankfurt und Kassel, sondern auch in Marburg und Treysa. Dann sollte man erwarten, dass die betroffenen Personen in Marburg oder Treysa vom Auto auf den Zug umsteigen.
Stadtallendorf ist – sieht man von Bahnhöfen in unmittelbarer Nachbarschaft eines Systemhaltes (z.B. Bad Nauheim) ab – die größte Stadt entlang der Linie 26, die ohne Halt durchfahren wird, während weitaus kleinere Städte, meist aus historischen Gründen, seit jeher einen Systemhalt haben.
Butzbach ist kein Nachbar eines Systemshalts, aber größer als Stadtallendorf. Man könnte noch anmerken, dass in Butzbach sogar die Züge Frankfurt - Kassel meist ohne Halt durchfahren.
Bezieht man zudem noch die unmittelbar benachbarten Städte Kirchhain, Neustadt, Rauschenberg und Amöneburg ein, erweitert sich allein das unmittelbare Einzugsgebiet auf weit über 50.000 Einwohner/innen; nimmt man zudem weitere in der Region gelegene Städte ohne Fernverkehrsanbindung wie Frankenberg und Alsfeld mit in den Blick, für die Stadtallendorf ebenfalls ein interessanter Bahnhof wäre, kann man fast von 100.000 Menschen ausgehen, für die durch einen IC-Halt in Stadtallendorf die Bahn wieder zu einer attraktiven Alternative bei der Verkehrsmittelwahl werden könnte.
Die Entfernung zum nächsten IC-Halt verkürzt sich durch einen Halt in Stadtallendorf nur für einen kleinen Teil der genannten Menschen. Kirchhain hat - wie Stadtallendorf auch - eine gute RE-Anbindung, so dass es sich nicht unbedingt lohnt, zum Einstieg in einen IC nach Stadtallendorf zu fahren.
Weltunternehmen, wie die mit unterzeichnenden Firmen FERRERO oHG, Fritz Winter Eisengießerei GmbH & Co. KG und die HOPPE AG beschäftigen am Standort insgesamt fast 10.000 Mitarbeiter/innen; weitere national und international agierende Unternehmen haben ihren Sitz oder Niederlassungen in Stadtallendorf und in den Nachbarstädten. Aus der zunehmenden internationalen Vernetzung dieser mindestens europäisch, zumeist aber weltweit agierenden Unternehmen resultiert ein erheblicher Verkehrsbedarf sowohl von Mitarbeiter/innen als auch von Kunden/innen und Geschäftspartner/innen. Bisher ist die Bahn dabei unterrepräsentiert.
Die Mehrzahl der Mitarbeiter sind Schichtarbeiter, für die eine Anreise mit der Bahn nicht lohnt. Ferrero und Fritz Winter bieten dafür ein umfangreiches Netz von Buslinien für ihrer Mitarbeiter an.
Wenn jemand von der Ferrero-Verwaltung in Frankfurt zum Werk in Stadtallendorf möchte, fährt er mit dem Auto, zumal sich beide Standorte nicht durch eine besondere Nähe zum Bahnhof auszeichnen. Durch den IC 26 würde es zudem keine nennenswerte Fahrtzeiteinsparung geben, da die stündlich verkehrenden RE-Züge ebenso schnell wie der IC sind.
Während die Eisengießerei Fritz Winter die Bahn für den Güterverkehr nutzt, sieht man sie bei Ferrero als völlig ungeeignet für die Warentransporte an. Offensichtlich scheint man bei Ferrero auch Nahverkehrzüge als unbrauchbar anzusehen. Ansonsten würde man keine Briefe unterschreiben, welche den Eindruck erwecken, dass man ohne Fernverkehr nicht mit der Bahn nach Frankfurt oder Kassel kommt.
Wir wissen aber, dass bei einer direkten Fernverkehrsverbindung in die für unsere Unternehmen besonders wichtigen Regionen Hamburg / Hannover sowie Rhein-Main und Rhein-Neckar viele Unternehmen verstärkt die Bahn nutzen würden.
Wöfür denn? Wer als Geschäftsreisender nicht in der Lage ist, irgendwo umzusteigen oder ein Stück der Reisestrecke in einem Regionalzug zurückzulegen, der wird sowieso nicht mit der Bahn fahren.
Zugleich ist Stadtallendorf seit 2010 Sitz des Stabes der „Division Schnelle Kräfte“ der Bundeswehr; neben den ca. 1000 Soldaten/innen werden von hier Truppen in der ganzen Bundesrepublik gelenkt. Entsprechend hoch ist der Bedarf an Dienst- und Privatfahrten der Soldaten/innen sowie der Führung des Stabes. Auch hier besteht kein Zweifel, dass ein verstärkter Umstieg von Pkw-Fahrten auf die Bahn erfolgen würde, sofern es eine attraktive Fernverkehrsverbindung gäbe.
Als es noch die allgemeinde Wehrpflicht gab, sorgte die Bundeswehr für eine nicht unerhebliche Zahl an Bahnreisenden. Inzwischen sind die Truppen kleiner, und es gibt weniger Wochenendpendler. Bei vielen Dienstreisen wird das Auto vorgezogen, weil man mit der Bahn meist nicht direkt vom Start- zum Zielort kommt. Daran ändert auch der IC-Halt in Stadtallendorf wenig.
Die Bahn ist zurzeit sowohl Richtung Norden als auch Richtung Süden dem Auto hinsichtlich der Fahrzeiten deutlich überlegen. Eine Reisezeit von 1 h 18 nach Frankfurt/Main Stadtmitte lässt sich mit dem Auto kaum verwirklichen. Eine Reisezeit von 50 Minuten nach Kassel-Wilhelmshöhe, wie sie der IC ermöglicht, ist mit dem PKW (Reisedauer ca. 70-80 Minuten) überhaupt nicht denkbar.
Man kann auch mit dem RegionalExpress nach Frankfurt (Reisezeit etwa 75 Minuten) und Kassel-Wilhelmshöhe (Reisezeit ca 50 / 70 Minuten) fahren. Dafür braucht man keinen Fernverkehr.
Der neu gestaltete Bahnhof Stadtallendorf ist der einzige größere Bahnhof zwischen Marburg und Kassel, der problemlos und bequem von Kundinnen und Kunden mit Mobilitätseinschränkung genutzt werden kann.
Ganz problemlos ist die Nutzung nicht: Wenn der Fahrstuhl defekt ist, bleibt nur noch die Treppe. Marburg und Treysa haben immerhin ein Gleis mit ebenerdigem Zugang. In Treysa ist übrigens ein Bauhofsumbau längst geplant, auch wenn die Umsetzung noch nicht erfolgt ist. Nach diesem Umbau wäre Treysa die bessere Wahl für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste.
Ein Halt hier wäre ein erheblicher Gewinn für Kunden/innen mit Mobilitätseinschränkungen – und zwar nicht nur aus unserer Region, sondern auch aus den benachbarten Landkreisen.
Ein Bahnhof mit rollstuhlgerechtem Zugang ist nicht so selten, dass man dafür aus einer so großen Region anreist. Zumal es in größeren Bahnhöfen sogar Personal gibt, das beim Einsteigen helfen kann.
Durch die Überschaubarkeit des vergleichsweise kleinen Bahnhofes Stadtallendorf und dem angenehm gestalteten Zugang von Nord- und Südseite ist der Bahnhof Stadtallendorf letztlich sogar noch bequemer benutzbar als andere Bahnhöfe.
Ein Bahnhof, in dem den Reisenden verschiedene Services geboten werden (Fahrkartenschalter, Gastronomie, Buchhandlung) und der eine Wartemöglichkeit in einem Gebäude bietet, ist eindeutig bequemer als ein Bahnhof, in dem es außer Bahnsteigen nichts gibt. Es bleibt zu hoffen, dass der RMV nicht Züge streicht mit der Begründung, dass durch den überschaubaren Fahrplan Bahnfahren einfacher werde.
Beim Lesen des Briefs kann man sich zudem die Frage stellen: Ist der Bahnhof Stadtallendorf nun groß oder klein? "Stadtallendorf ist der einzige größere Bahnhof" und "des vergleichsweise kleinen Bahnhofes Stadtallendorf" passen nicht zusammen.
Fast nirgendwo sind die Verkehrsträger – und insbesondere PKW und Bahn –so gut miteinander verknüpft wie in Stadtallendorf. Durch die komfortable Straßenanbindung des Bahnhofes sowohl von der Ost- als auch von der Westseite sind alle Fernstraßen der Region günstig erreichbar: Die Bundesstraße B454 Richtung Norden, Süden und Westen ist kaum mehr als 800 m entfernt, zur B62 Richtung Osten (Alsfeld, Bad Hersfeld) sind es nur 2 Kilometer Entfernung.
Ich finde es erstaunlich, dass eine Straße gleich in drei Richtungen führen soll - das entspricht nicht dem, was man in der Geometrie lernt. Zumal die Vetreter aus Politik und Wirtschaft bei anderen Gelegenheit fleißig gejammert haben, dass Stadtallendorf so schlecht ans Straßennetz angebunden sei und man dringend die Autobahn A49 brauche.
Wohl nur an wenigen Orten lässt sich ein Bahnhof so schnell und unkompliziert – ohne Orientierungsschwierigkeiten und intensiven Stadt/Ortskernverkehr – erreichen wie in Stadtallendorf.
Wenn nachmittags Schichtwechsel ist, ist der Verkehr auf Stadtallendorfs Straßen recht zähflüssig. Die schon stark belastete Niederkleiner Straße wird nach dem Bau der A49 noch stärker belastet (Verkehrsprognose aus den Planungsunterlagen).
Ich kann auch nicht erkennen, dass der Bahnhof von Stadtallendorf besser zu finden ist als der von Kirchhain, wo B62 und B454 noch näher am Bahnhof liegen.
Der Brief wurde unterzeichnet von
Landkreis Marburg-Biedenkopf Erster Kreisbeigeordneter & RNV-Vorstandsvorsitzender Marian Zachow
Stadt Stadtallendorf Bürgermeister Christian Somogyi
Division Schnelle Kräfte Oberst i. G. Markus Kreitmayr
Fa. FERRERO oHG Geschäftsführer Karl-Heinz Feußner
Fa. HOPPE AG Verantwortung Einkauf Reiner Schmidt
Fa. Fritz Winter Eisengiesserei GmbH & Co. KG Personalleiter Andreas Fiedler
Links
Brief an die Bahn (www.marburg-biedenkopf.de)
InterCity mit eingeschränkter Nutzungsmöglichkeit
Zuschlagsfrei zwischen Treysa und Marburg
Fernverkehr in Stadtallendorf
ICE-Halt in Stadtallendorf