Die ersten Fahrten des X35 bei Stadtallendorf
Am 12.12.2021 nahm die Schnellbuslinie X35 planmäßig den Betrieb auf - nur bei der Ausstattung gab es "Verzögerungen im Betriebsablauf".
In den letzten zehn Jahren gab es drei wesentliche Verbesserungen beim Verkehrsangebot in Stadtallendorf:
- Ab dem 13.12.2015 sorgt die Linie RE98 für einen RE-Stundentakt nach Frankfurt und stündliche Verbindungen nach Kassel.
- Am 11.12.2016 wurde Stadtallendorf zum IC-Halt geweiht und von 75% der Fahrten der Linie IC26 bedient. Das wurde mit einer Blaskapelle am Bahnsteig gefeiert. Einige Ziele (z.B. Darmstadt) konnten nun schneller oder umsteigefrei erreicht werden. Mangels Nachfrage bestand das Fernverkehrsangebot aber nur drei Jahre.
- Ab dem 12.12.2021 verbindet der X35 Stadtallendorf sowohl mit den Marburger Lahnbergen als auch mit Alsfeld und Osthessen.
Leider hat die Politik aufs falsche Pferd gesetzt. Für RE98 und X35 hat man keine Blaskapelle organisiert, obwohl beide Angebote einen größeren Nutzen für die Stadt haben als der aufgegebene Fernverkehrs-Halt.
Nutzen der Linie X35 für Stadtallendorf
Der X35 bringt dem Stadtallendorfer deutlich günstigere Verbindungen zu interessanten Zielen:
- Die große Klinik in Marburg und die benachbarten Universitätsgebäude (Naturwissenschaften und Mathematik) sind umsteigefrei und schneller erreichar.
- Es gibt günstige Verbindungen nach Alsfeld, Lauterbach und Fulda.
- Zwischen Stadtallendorf und Kirchhain gibt es nun unter der Woche eine halbstündliche Verbindung.
Verbindungen nach Fulda
Der X35 ermöglicht günstigere Verbindungen ab den Bahnstationen Marburg, Kirchhain und Stadtallendorf nach Fulda. Mit der Bahn muss man Umwege fahren und verliert Zeit durch ungünstige Anschlüsse.
Von Stadtallendorf benötigt man mit Verkehrsmitteln zum Nahverkehrstarif meist 3:00 Stunden für die Fahrt nach Fulda, wobei die Fahrtzeit über Kassel-Wilhelmshöhe und Gießen/Alsfeld etwa gleich ist. Fitte Radfahrer kommen schneller ans Ziel, wenn sie die Strecke Stadtallendorf - Alsfeld mit dem Rad und den Rest mit der Bahn fahren.
Bei ICE-Nutzung kann sich die Fahrtzeit auf 1:50 reduzieren. Mit X35 und der Vogelsbergbahn dauert es nur noch 1:20.
Selbst bei der Verbindung Marburg - Fulda lohnt sich die Fahrt mit dem X35 noch. Hier dauert die Fahrt etwa zwei Stunden - etwa so schnell wie bei ICE-Nutzung, aber deutlich preiswerter.
Verbindungen nach Bad Hersfeld
Die Kombination aus X35 und X33 sorgt für zusätzliche Verbindungen von Stadtallendorf nach Bad Hersfeld, wobei die Fahrtzeit ähnlich ist wie bei Nutzung von RE und Bus 470 mit Umstieg in Treysa.
Ausstattung der Haltestellen am 12.12.2021
Die Haltestellen zwischen Lehrbach und Kirchhain verfügen über eine einheitliche Ausstattung. Auf den Haltestellenschildern finden sich die Buslinien, die die Haltestelle bedienen. Allerdings sind diese zum Fahrplanwechsel genausowenig aktualisiert worden wie die Aushangpläne.
Die Bushaltestelle in Lehrbach ist vor dem Fahrplanwechsel nur von der Linie VB-13 bedient worden, für die lediglich eine einseitige Haltemöglichkeit benötigt wird. Der Bus fährt nämlich von Osten kommend in den Ort, nutzt den Buswendeplatz am westlichen Ortsrand und hält dann an der Haltebucht. An dieser ist ein mobiles Haltestellenschild augestellt worden. Es trägt die Aufschrift "Ersatzhaltestelle" und ist mit einem Fahrplan für den X35 Richtung Alsfeld ausgestattet. Auf der anderen Straßenseite stehen ein Haltestellenhäuschen und das fest installierte Haltestellenschild.
In Niederklein sind (wahrscheinlich am 7. Dezember) zwei Haltestellenschilder aufgestellt worden. Die nur einseitigen Schilder stehen parallel zur Straße, sodass sie aus der Ferne schlecht zu sehen sind. Auf der westlichen Seite ist das Schild zwischen grünen Zweigen installiert worden und dadurch gut getarnt.
In der Stadtallendorf durchfährt der X35 die beidseitigen Haltestellen "Konrad-Adenauer-Ring" und "Dresdener Straße", welche mit erhöhter Kante und Blindenleitstreifen ausgestattet sind. Über all diese Merkmale verfügen die vom X35 bedienten Haltestellen "Egerländer Straße" und "Weserstraße" nicht.
Der Bus nach Alsfeld hält am Busbahnhof, der nur in einer Richtung durchfahren werden kann. Für die andere Fahrtrichtung wurde ein Haltestellenschild vor einem Wohnblock aufgestellt.
In Kirchhain gibt es am Bahnhof einen Busbahnhof mit zahlreichen Haltemöglichkeiten. Für den Fahrgast ist jedoch nicht so richtig klar, in welche Richtung ein Bus eine Haltebucht anfährt.
Am 13.12. sind übrigens an den drei provisorischen Haltestellen in Niederklein bzw. der Niederkleiner Straße Fahrpläne nachgerüstet worden.
Die ersten Halte
Der zwölfte Dezember war ein typischer Novembertag mit trübem Wetter und Wassertröpfchen in der Luft. Beim Fotografieren gab es dadurch keine Probleme mit Schatten, und das Licht der Frontscheinwerfer spiegelte sich schön auf der Straße.
Die folgenden Bilder zeigen Halte von den ersten fünf Fahrten für beide Fahrtrichtungen. Der X35 verkehrte nur zweistündlich, aber zum Fotografieren bietet der Sonntag einen wesentlichen Vorteil: Es ist deutlich weniger Verkehr auf der Niederkleiner Straße. Unter der Woche wird eine Straßenüberquerung mühsam, und beim Fotografieren von der anderen Straßenseite muss man sich darauf einstellen, dass die Autos in Gegenrichtung den Blick aufs Motiv versperren.
Für die Fahrten kamen drei Busse der Firma Nau zum Einsatz. Den Zuschlag für das Linienbündel hat zwar die Firma Käberich bekommen, aber die Weitergabe von Aufträgen ist vorher schon in der Lokalzeitung angekündigt worden. Die eingesetzten Busse hatten allerdings nicht unbedingt die geforderten Ausstattungsmerkmale für die Schnellbuslinie: WLAN und eine auffällige Außengestaltung.
Bei Fahrt 1 gab es in beiden Richtungen keine Ein- und Aussteiger. Während der Bus nach Marburg ohne Halt am Wohnblock Niederkleiner Straße 3 vorbeifuhr, legte der Bus nach Alsfeld einen kurzen Halt am Busbahnhof ein. Schnell durchfahren geht hier nicht: Für die Ausfahrt muss erst die Ampel umschalten, welche über einen Annäherungssensor ausgelöst wird. Im Bus Richtung Alsfeld waren mindestens zwei Fahrgäste.
Bei Fahrt 2 hat der Bus die Haltestelle "Egerländer Straße" mangels Bedarf nicht angefahren. Kurz vor dem Erscheinen des Busses hat hier ein Auto pausiert, was rechtzeitig in Gegenrichtung davongefahren ist.
Der Halt an der Haltestelle "Weserstraße" war ein reiner Fotohalt. Der wäre fast nicht möglich gewesen, da kurz vorher die Haltestelle von zwei Autos belegt wurde. Im angrenzenden Geschäftsgebäude befindet sich nämlich die türkische Bäckerei NUR, die sich großer Beliebtheit erfreut, und so wird die Bushaltestelle gerne als Kurzzeitparkplatz benutzt.
Bei Fahrt 3 durchfuhr der Bus nach Marburg Lehrbach ohne Halt. Für diese Fahrtrichtung gibt es keine Haltebucht. Der Bus in Gegenrichtung hingegen musste halten, denn an der Haltebucht wartete ein Fahrgast.
Bei Fahrt 4 fuhren die Busse ohne Halt an den neuen Haltestellen in Niederklein vorbei. Das Haltestellenschild für die Fahrt Richtung Alsfeld fällt zwischen den Zweigen eines Nadelbaums nicht so richtig auf.
Zu Fahrt 5 habe ich die Busse in Kirchhain augenommen. Hier kommt der Bus nach Stadtallendorf zuerst, nämlich um 17 Uhr. Wegen der dichten Bewölkung war es schon komplett dunkel. Der Bus nach Stadtallendorf kam nicht aus Richtung Bahnhof, sondern der Gegenrichtung, und fuhr Richtung Bahnsteig in die vierte Bucht. Ich stand an der falschen Position fürs Foto. Es war aber zum Glück noch ein Mitarbeiter der Firma Nau im Busbahnhof, welcher nach dem Betrieb schaute. Für den gab es noch einen Extrahalt vor den Busbuchten, bevor der Bus wieder in die Richtung verschwunden ist, aus der er ursprünglich kam.
Beim nächsten Bus klappte es mit dem Foto besser, zumal der Halt am Bussteig stattfand.
Werbung für den Schnellbus?
Vor drei Jahren fanden sich in Stadtallendorf Plakate, die für die neue Linie X38 von Marburg nach Gladenbach geworben haben. Das war eine wirklich sinnlose Aktion: Einerseits fährt kaum jemand regelmäßig von Stadtallendorf nach Gladenbach. Andererseits war die Linie X38 für Fahrten zwischen Stadtallendorf und Gladenbach nahezu nutzlos, da es keine passenden Anschlüsse gab und der X38 bei der Verbindungsauskunft nur mit Einzelfahrten auftauchte.
Zum X35 hingegen gab es noch keine Plakate, obwohl dieser einen deutlichen Nutzen für Stadtallendorf hat.
Es ist aber sicherlich nicht unbedingt eine gute Werbung für eine neue Linie, wenn zum Start Haltestellen nur provisorisch ausgestattet sind und Fahrpläne fehlen. Davon abgesehen stellt sich die Frage, ob man eine Buslinie bewerben soll, wenn diese nach drei Monaten den Ort zunächst nicht mehr bedient, weil der schnelle Bau der Autobahn A49 höhere Priorität hat als die Aufrechterhaltung der Straßenverbindung nach Niederklein.
Fragen und Antworten
Zu den Haltestellen hatte ich folgende Fragen:
1) Laut den Planungsunterlagen vom 25.1.2021 sollte der Bus an der früheren Bushaltestelle gegenüber vom Aufbaugebäude halten. Von dieser ist noch eine Haltebucht vorhanden. Stattdessen wurde die neue Bushaltestelle ein Stück weiter südlich vor dem Haus Niederkleiner Straße 3 errichtet, wo es keine optimale Haltemöglichkeit gibt. Was ist der Grund für die Planänderungen?
2) Nach welchen Kriterien wurden die Haltestellen in Stadtallendorf ausgewählt? Die Haltestellen "Weserstraße" und "Egerländer Straße" erscheinen mir nicht optimal. Die Haltestelle Weserstraße liegt recht nahe an der vorher angefahrenen Haltestelle am Busbahnhof, und zudem liegen die Halte für die entgegengesetzten Fahrtrichtungen recht weit auseinander. Die Alternativen Dresdener Straße und Konrad-Adenauer-Straße hingegen haben den Vorteil, dass die Halte für beide Fahrrichtungen direkt gegenüber liegen, sind nicht so nahe am Busbahnhof und liegen an Wohngebieten mit vielen Wohnblocks.
Von der Stadtverwaltung kamen folgende Antworten:
Zu Frage 1)
Die gegenüber dem Aufbaugelände noch vorhandene Haltebucht hat sich als nicht ideal erwiesen aufgrund der dortigen Überdachung. Auch sind die Besitz/Eigentumsverhältnisse recht schwierig. Der Halt nun weiter südlich vor dem Haus Niederkleiner Straße 3 ist geeignet und mit allen Beteiligten (RNV, Bus Nau Kirchhain, Tiefbauamt) im Vorfeld abgestimmt. Der Bus kann hier auf der vorgegeben Länge von 9 Metern parallel zum Bürgersteig halten. Weiter handelt es sich hierbei zunächst um ein Provisorium. Im Zuge der Barrierefreiheit gibt es bereits Prüfungen und Planungen, den Halt an anderer Stelle zu etablieren. Aber auch der Halt am Provisorium kann eine geeignete Dauerlösung sein und zur barrierefreien Haltestelle mittelfristig umgebaut werden.
Zu Frage 2)
Die vorhandenen Haltestellen „Egerländer Straße“ sowie „Weserstraße“ wurden bereits im März 2020 festgelegt, da diese am besten den geforderten Kriterien für die Einrichtung und das Betreiben einer Schnellbuslinie entsprechen. Diese werden auch bei den geplanten Umbaumaßnahmen zur Barrierefreiheit priorisiert.
Zu Frage 2 gibt es also nur eine Scheinantwort, was in der Politik beliebt ist, um unerfreuliche Sachverhalte zu verschweigen. Im Regionalen Nahverkehrsplan aus dem Jahr 2020 wird der Mindesthaltestellenabstand für Schnellbuslinien auf 800 Meter festgelegt, der nur bei Aufkommensschwerpunkten verkürzt werden kann. Die Haltestelle Weserstraße ist etwas über 600 Meter vom Busbahnhof entfernt. Außerdem ist das Verkehrsaufkommen an den südlicheren Haltestellen größer, die auch schon barrierefrei ausgebaut sind. Wahrscheinlich wurden die Haltestellen mehr nach städtischen Interessen und weniger nach einem optimalen Fahrgastnutzen ausgewählt.
Links
Die Strecke des X35: https://www.myheimat.de/alsfeld/ratgeber/mit-dem-s...
Intercity-Halt-Einweihung am 11.12.2016: https://www.myheimat.de/stadtallendorf/politik/ein...
Umstellung IC auf ICE: https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?0...
Die gebrochene Verbindung beim RE98: http://www.myheimat.de/giessen/politik/die-unterbr...