DAS SPÄTSTEINZEITLICHE STEINBEIL AUS STRAUCH
Damit es nicht verloren geht!
Da, wo keine schriftlichen Dokumente mehr vorhanden sind, müssen mündliche Überlieferungen die fehlenden Puzzles ersetzen. Diese mündlichen Überlieferungen wurden als Geschichten von Generation zu Generation weitergegeben. Dabei runden Orts- und Flurnamen (in alter Volkssprache), Wegverläufe sowie Reste von alten Gebäuden und Gräber (Kulturdenkmale) das geschichtliche Erscheinungsbild ab. Geschichtliche Interpretationen werden nie ein endgültiges Erscheinungsbild präsentieren können, denn die Interpretationen sind immer subjektiv und erleben durch spätere Neuentdeckungen oftmals eine gewaltige Veränderung. Wenn die vorhandenen Puzzlesteine auch noch kein scharfes Bild ergeben, sollten sie trotzdem archiviert werden, damit spätere Erkenntnisse womöglich leichter einzuordnen sind.
Die neue Serie hat sich zum Ziel gesetzt, einen breiten Kreis von geschichtlich Interessierten anzusprechen, sich zu beteiligen um vergessene Geschichte wieder mit Leben zu erfüllen. Heute geht es um:
DAS SPÄTSTEINZEITLICHE STEINBEIL AUS STRAUCH
Gefunden, verloren und doch noch einmal wiedergefunden
von Klaus Wilhelm von Ameln, Einruhr
… wenn das kein gutes Zeichen dafür ist, dass tote Steine alles dafür tun, um von ihrer Vergangenheit der Zukunft zu erzählen!?
Im Heimatkalender des Landkreises Monschau 1967 Seite 29-31 ist in einem Artikel von Hans Steinröx zu lesen über ein Steinbeil aus Strauch. Der Artikel gibt recht anschaulich Auskunft über vorzeitliche Funde im Monschauer Land. Der Verfasser stellt darin fest, dass in dieser Gegend eine vorzeitliche Besiedlung so gut wie ausgeschlossen werden kann, weil die vorzeitlichen Menschen diese Gegend wegen der Unwirtlichkeit gemieden hätten. Er räumt aber ein, dass im Tal von Hammer schon bessere Voraussetzungen vorhanden gewesen wären.
Da aber in der Steinzeit die Menschen eher Jäger und Sammler waren, ist es ebenso möglich, dass aufgrund der großen Wälder und den darin vorhandenen jagdbaren Tieren, erst recht viele Menschen den Weg in die Eifel fanden und auch hier ansässig waren. Alles andere Essbare neben dem Fleisch wie Beeren, Früchte, Pilze, Pflanzen und Gräser, konnten sie wohl auch dem Wald entnehmen. Noch heute lernt man als Soldat - im Survival-Training - sich von der Natur zu ernähren. Es war zwar alles etwas umständlicher als heute und es dauerte auch etwas länger bis gegessen werden konnte, aber satt wurden sie auch. Was es da so alles Kostbares gab, wäre zu umfangreich, es in diesem kleinen Artikel zu erwähnen. Der Organismus des Menschen musste sich aber in den letzten Jahrtausenden notgedrungener-weise mehrmals den oft stark veränderten Ernährungsbedingungen anpassen, weil der Mensch früher Sachen verspeisen konnte, die ihn heute zum Teil umbringen würden.
Wenn in unserer Gegend nur wenige Funde aus dieser Zeit zu verzeichnen sind, dann wird das bestimmt auch daran liegen, dass zur damaligen Zeit natürlich die Bevölkerungszahlen sehr viel niedriger waren. Unter diesem Aspekt ist wohl die „kleine“ Zahl der Funde relativ; zumal, da es ja auch heute noch sehr große geschlossene Waldgebiete gibt, die die Auffindbarkeit von Vorzeitlichem erschweren. Die Forschung sagt zusammengefasst über die Steinzeit in der Eifel Folgendes: Die ersten Spuren von Menschen, die vermutlich als primitive Nomaden die Eifel durchstreift haben, weisen in die ältere Steinzeit, denn schon vor 100.000 Jahren haben Jägergruppen der Neandertaler in der Eifel ihre Spuren hinterlassen. Werkzeugfunde in den Höhlen der Kalkeifel belegen, daß vor etwa 30.000 Jahren „Cro Magnon-Menschen“ in der Eifel gesiedelt haben.
Um etwa 15.000 v. Chr. änderte sich das Klima; die letzten Reste des Eises schmolzen, die Tundrenlandschaft Europas wandelte sich in eine Seen- und Waldlandschaft. Der Meeresspiegel stieg, Britannien wurde dadurch vom Festland getrennt. Eine neue Zeit kündigte sich an und zwang die Menschen zu einer ganz anderen Lebensweise. Das milder werdende Klima ermöglichte es ihnen nun, ein Stück weiter nach Norden zu ziehen und Norddeutschland und Dänemark zu besiedeln. Aber auch nach Osteuropa und in den Südosten wanderten sie.
Die Jäger mussten sich jetzt umstellen, das Großwild war selten geworden oder schon ausgestorben. Es musste auf viele kleine Tiere Jagd gemacht werden. Hinzu kamen Fischfang, Vogelstellen und Sammeln von Beeren und Früchten. Wildwachsender Weizen wurde jetzt geerntet. Zu seiner Verwertung wurden Handmühlen, Stößel und Mörser erfunden.
Mit dieser großen Klimaänderung endete also die große Zeit der Jäger- und Sammlerkultur. In der Mittelsteinzeit erfand der Mensch das Beil, die Axt und den Schaber. Im Bereich der Südeifel wurden wiederholt größere steinzeitliche Siedlungen entdeckt. Ein ergiebiger Fund an Beilen, Äxten und Meißeln aus Kieselschiefer, Grauwacke und Hornstein wurde in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts bei Spangdahlem gemacht.
(Photo Klaus Wilhelm von Ameln, Einruhr)
Um etwa 6.000 v. Chr. waren alle wichtigen Haustiere bereits domestiziert. Aus den Wildgetreidearten waren verschiedene Gebrauchsgetreidesorten gezüchtet worden. Da die Bevölkerung wuchs, blieb nichts anderes übrig, als mit den wenigen Nahrungsmitteln zu wirtschaften, erste sesshafte Lebensweisen entwickelten sich, Dörfer entstanden, vorzugsweise an Seeufern. Auch gewisse gesellschaftliche Formen bildeten sich, Unterschiede zwischen Führern und Gefolgschaft wurden erkannt.
In der Jungsteinzeit (4.500-1.800 v. Chr.) wurde auch der Eifelraum von friedlichen Bauernstämmen besiedelt. Die offene Bauweise ihrer Siedlungen belegt, daß sie friedlich neben den Jägern und Sammlern gelebt haben. Reste von Siedlungsarten aus der Zeit erster sesshafter Siedler wurden im Nettetal und dem Maifeld gefunden. Aber auch im Wittlicher Raum wurden zahlreiche Werkzeugfunde aus dieser Epoche sichergestellt. Wieder war der Stein das bevorzugte Material zur Herstellung von Waffen und Werkzeugen. Die Klingen von Äxten, Beilen und Hacken waren in dieser Epoche schärfer, härter und auch haltbarer gemacht durch Schleifen des Steinmaterials. Man fand heraus, daß man einige Steinarten durchbohren konnte, und so eine haltbarere Verbindung von Schäften und Klingen erreichen konnte. Man entdeckte auch, daß die Pflanzenfaser des Flachs zur Herstellung von Leinengewebe genutzt werden konnten und man begann, den Boden zu bestellen und weitere Tiere zu domestizieren. Feste Wohnstätten wurden errichtet und erste dauerhafte Ansiedlungen entstanden. Fassen wir kurz zusammen, was sich bis etwa zum Jahr 2.000 v. Chr. getan hatte:
Die "Neolithische Revolution" hatte in Europa stattgefunden, keineswegs geradlinig und überall gleichzeitig. Die nomadisierenden Jäger, Fischer und Sammler der Alt- und Mittelsteinzeit waren sesshafte Viehzüchter und Ackerbauern geworden, die planlose Aneignung der von der Natur gebotenen Nahrungsmittel wurde durch eine vorausschauende und geregelte Produktions- und Vorratswirtschaft abgelöst.
Doch nun wieder zurück zur eigentlichen Geschichte selbst, wie es zum Fund des steinzeitlichen Beils kam.
In Simmerath-Strauch, an der heutigen Umgehungsstraße B268 befand sich bis zum Brand 1967 der kleinbäuerliche Betrieb der Familie Josef Walter, die diesen Betrieb 1959 von ihrem Vorgänger, Wilhelm Nießen (Kaufmann), genannt „Lepper“ abkaufte. Die Familie kam aus Alsdorf in die Eifel um sich ihren Wunsch, der Natur näher zu sein, zu erfüllen. Mit dem kleinen Bauernhof wurden auch mehrere ältere Einrichtungsgegenstände gekauft. Unter anderen ein Holzregal, das sich in der sogenannten Milchküche befand. In diesem Holzregal, so erinnert sich ein Sohn des Hauses, standen viele Steingut- und Keramikgefäße. Mehrere davon sahen sehr alt aus und hatten eine gräuliche Farbe. Sie könnten, wie wir noch später sehen werden, Fundstücke vom eigenen Gelände gewesen sein. Die Walters gaben diese alten Gefäße an einen Sammler aus Rollesbroich, namens Frings (Schreiner), ab und zwar als Zahlungsmittel für geleistete Arbeiten an den Gebäuden des Bauernhofes.
Die Familie Walter hatte mehrere Kinder, unter denen eins der Junge Peter war, der am 14. April 1951 geboren wurde. Peter musste im Frühjahr 1963 als gerade Zwölfjähriger, wie dass damals so üblich war, zu hause hart mit anpacken. In diesem Frühjahr wurden von der Gemeinde Simmerath kostenlos Buchensetzlinge zur Verfügung gestellt um damit Buchenhecken anzupflanzen, die bekanntlich in dieser Gegend ein Charakteristikum sind. Peter sollte für diese Buchenhecke einen Graben von annähernd 20 m (ca. 25 cm tief) ausheben. Die Hecke war die östliche Abgrenzung zu einem uralten, ausgefahrenen Weg hin nach Kesternich. Die Wiese auf der die Hecke zu stehen kommen sollte, war eine typische Hauswiese (Baumwiese), die sie womöglich schon immer war und die wahrscheinlich bis dahin noch nie umgepflügt wurde. Im Umfeld der Wiese hatte Kleinpeter schon öfters Ton- und Steingutscherben gefunden. Manchmal auch etwas größer Scherben, die darauf schließen ließen, dass es sich dabei um Schüsseln oder Schalen handelte. Die Farbe der Scherben war meistens gräulich. Beim Ausheben des Grabens erkannte Peter, dass der Boden durchsetzt war mit dem sogenannten „Faulem Schiefer“. Neben vielen Steinen fand er dann das steinzeitliche Beil, der feinsäuberlich bearbeitet und aus schwarzem Schiefer war. Er lag so angenehm in der Hand, dass er es wert war nicht liegen zu bleiben.
Peter erkannte schnell, dass dieser Stein, so wie er aussah, nicht von Natur aus so aussehen konnte und nahm ihn mit nach hause um ihn seinen Eltern zu zeigen. Diese zollten dem Stein keine allzu große Aufmerksamkeit. Peter ließ aber keine Ruhe, nahm den Stein mit zur Straucher Schule und wollte nun von seinem Lehrer, Heinz Kunz, wissen, was es mit dem Stein auf sich hat. Der Lehrer, der sich mit steinzeitlichen Funden auch nicht so auskannte, gab den Stein zur Analyse an ein Labor. Das Ergebnis kam einige Wochen später mit dem Stein zurück: es sollte sich um ein Beil aus der späten Steinzeit um ca. 4.000 bis 5.000 vor Chr. Handeln.
(Photo Klaus Wilhelm von Ameln, Einruhr)
Herr Hans Steinröx, der wohl den Lehrer kannte, meldete sich daraufhin bei den Eltern von Peter und ließ sich das Beil zeigen. Mit der Aussage, dass er den Schaber zur Ausstellung im noch zu erstellenden Heimatmuseum von Monschau mitnehmen könnte, erhielt er diesen. Leider wurde ja dann bis dato dieses Museum nicht errichtet und so blieb dann das Beil bis zum Jahre 2003 unter bester Verwahrung im Hause von Hans Steinröx. Als guter Freund des Verfassers dieses Artikels erzählte Peter ihm seine Geschichte. Dieser erinnerte sich an den oben beschriebenen Artikel im Jahrbuch des Monschauer Landes und zeigte ihm die dort abgebildeten steinzeitlichen Funde unserer Gegend. Peter erkannte sofort sein steinzeitliches Beil und nahm in der Folge Kontakt mit der Witwe von Herrn Steinröx auf, welche darauf den Juwel aus uralter Zeit an den rechtmäßigen Besitzer zurückgab.
Nun lag er wieder wohl behütet bei Herrn Peter Walter, seinem vielleicht zweitem Entdecker, nach dem ersten mit geübten Augen werkstoffmaterialsuchenden Steinzeitmenschen aus der Jungsteinzeit.
Mittlerweile hat Herr Walter den Fund im Simmerather Rathaus neben anderen Funden aus grauer Vorzeit platzieren lassen und ihn somit der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Ich habe in unserer Gemarkung auch schon Feuersteinwerkzeuge gefunden und bin fasziniert davon.