Vor 60 Jahren, am 3.Juli 1949, wurde das Ernst-Thälmann-Stadion eingeweiht – es war für Potsdam viel mehr, als nur eine Sportstätte – ein kurzer Abriß
Von Gerhard Pohl
Es gibt in der Landeshauptstadt kaum ein Objekt, was mit der Polizei und der Bevölkerung so eng verbunden und für die Stadt so geschichtsträchtig sowie bedeutend war, wie das ehemalige „Ernst – Thälmann - Stadion“. Diese, mitten im Stadtzentrum zwischen Marstall, Alten Markt und Havelbecken gelegene Sportstätte, wurde unmittelbar nach dem II. Weltkrieg auf dem einstigen Exerzier- und Paradeplatz der ehemaligen Residenz- sowie Garnisonstadt der Preußenkönige errichtet. In ca. 450000 freiwilligen Stunden bauten Polizisten, die etwa 250 Mitglieder des damaligen PSV Potsdam und viele Helfer der Stadt aus den Trümmern, welche der deutsche Faschismus in Potsdam hinterlassen hat, die Zuschauertribünen, technische Einrichtungen, einen Rasenplatz, die 400m-Laufbahn und weitere Außenanlagen des Stadions – ein historisches Ereignis aller ersten Ranges in dieser Zeit.
Übrigens, es war der erste große Sportstättenneubau nach Beendigung des Krieges in Deutschland!
Am 1. Juli 1949 wurden die Anlagen im Stadion das erste Mal mit dem Sportfest der Landespolizeibehörde getestet. Die große Einweihungsveranstaltung mit einem vielfältigen Programm fand dann 2 Tage später statt. An dieser nahmen Wilhelm Pieck, Rosa Thälmann, der Präsident der Deutschen Verwaltung des Innern, Dr. Kurt Fischer, Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Fritz Steinhoff u.v.a. Persönlichkeiten teil. Die Fäden hierfür hatte der spätere Organisationschef der Turn- und Sportfeste der DDR, Willi Lehmann fest in der Hand.
Dem offiziellen Teil der Einweihung durch den Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Dr. Fritz Steinhoff und der Namensgebung „Ernst – Thälmann –Stadion“, folgte der Vorbeimarsch vieler aktiver Teilnehmer, welchem sich eine Vielzahl sportlicher Vergleiche im Volleyball, der Leichtathletik, Turnen, Fußball, Gymnastik sowie Handball anschlossen. Kraft- sowie Motorradsportler komplettierten die mehrstündige Eröffnung. Und das alles vor sage und schreibe 20.000 Zuschauern. Welch eine Kulisse im zerstörten Potsdam! In seiner Begrüßungsansprache betonte der Chef der Landespolizeibehörde, Chefinspekteur Richard Staimer, „ Im sportlichen Wettkampf sollen hier die Kräfte für den Frieden und für die Einheit gestählt werden. Das ist Zweck und das Ziel unseres Stadions“, was in den Folgejahren uneingeschränkte Realität wurde.
Hier wurden Athleten für Olympische Spiele vorbereitet
In den ersten Jahren wurde das Stadion vorrangig von Polizisten und den Leichtathleten genutzt. Mancher, der hier hart trainiert hatte, gelangte zu internationalen-, ja olympischen Ehren, denn nach der Gründung der Sportvereinigung „Deutsche Volkspolizei“ am 3. April 1950, befand sich im Ernst – Thälmann – Stadion ein Leichtathletikschwerpunkt. Zu diesen Sportlern, die in der Havelstadt mit der Leichtathletik begannen bzw. sie intensiv betrieben haben, gehören u.a. Christa Fischer-Stubnick (2-fache Silbermedaillengewinnerin 1956 im Sprint), Dr. Helfried Reinnagel, Willi Bromberger, Gottfried Springer, Werner Iden, Herbert Büsser, Ilona Slupianek (Olympiasiegerin im Kugelstoßen 1980) und auch der dreifache Bobolympiasieger Kevin Kuske erlernte hier das Sprinten bei Trainer Ewald Franken.
Wer weiß heute noch, dass die potsdamer Leichtathletin Hilde Schreyer 1952 den 80m-Hürdenrekord der DDR auf 11,9 Sek. verbesserte, obwohl es im Stadion noch keine Hürden für das Training gab? Oder 1949 eine 4x100m Staffel der Volkspolizei1949 einen Rekord in 43,3 Sek lief? Und die VP-Fußballer Anfang der Fünfziger ihrer Ligapunktspiele im Stadion austrugen?
Diese Sportanlage war für die Potsdamer mehr, als „nur“ ein Stadion
Nach dem Umzug der Spitzenleichtathletik in das Sportforum Berlin-Hohenschönhausen gehörte das Stadion vorrangig dem Nachwuchs, wie z.B. dem TZ der SG Dynamo Potsdam I. Neben der sportlichen Nutzung, wie dem Training und Sportfesten bzw. Radsportrennen, fanden eine Vielzahl anderer Veranstaltungen, wie die Sommerfilmtage, Musikveranstaltungen, Ausstellungen, Kulturereignisse, statt. 1990,1991 und 1993 zur 1000-Jahrfeier der Stadt gab es jeweils eine große Polizeischau. Auch wurde neben unzähligen Schulsportfesten, jährlich der MV-Staffellauf ausgetragen. Es gibt wohl kaum einen Potsdamer, welcher in seiner Schulzeit da nicht mitgelaufen ist.
Auch wenn die Spitzenkönner der Leichtathletik in der DDR - Hauptstadt bzw. später im Luftschiffhafen der Stadt trainierten, gab es im Stadion internationalen Sport zu erleben, wie Länderkämpfe und auch einen Europarekord zu sehen. Dieser wurde von Manfred Preußger aus Leipzig am 19. Mai 1957 im Stabhochspringen mit 4,52m aufgestellt.
Auch die Fußballerinnen von Turbine Potsdam trugen vor toller Zuschauerkulisse einige Spiele hier aus. Ein großes Erlebnis für Potsdam und das Stadion war die Verabschiedung des Übungsverbandes Frauen zu den Turn-und Sportfesten. Im Ernst-Thälmann – Stadion begann mitte der Sechziger die einmalige Erfolgsbilanz des Potsdamer Fanfarenzuges (1963 gegründet), der inzwischen unzählige nationale- und internationale Meistertitel erspielen konnte. Großen Anteil hatten da die Gründer um Klaus Gesierich und der langjährige Leiter des Klangkörpers, der Träger des Europäischen Dirigentenpreises, Leo Ertel. Auch fanden Eröffnungsveranstaltungen für die Kreis- Kinder- und Jugendspartakiaden hier statt.
Die Etappenankünfte der Friedensfahrer füllte das Stadion
Bei welchen Ereignissen gab es keine freien Plätze mehr in dieser Sportstätte im Herzen von Potsdam? Ich denke, es war das Volksfest Friedensfahrt, immerhin endeten hier drei Zielsprints (1966, 1970, 1973) eine Etappe dieser großartigen Tour. Prämiensprints des `Course de la Paix` führten noch am Stadion vorbei und wurden auf der Wilhelm - Külz - Straße (Breite Str.) ausgetragen (2001 auch Etappenzielankunft). Letztmalig gewann auf der Aschenbahn nach 156km der Belgier Dockx nach 3:46,1 Std. am 25. Mai 1973. Zuvor trugen sich Wenczel (CSSR) - 1966 - und Stec (Polen) -1970 - in die Siegerlisten ein. Der große „Täve“ Schur erspurtete sich bei einer DDR - Rundfahrt in den Fünfzigern im Thälmann – Stadion einen Sieg. Nur angemerkt, die Radsportlegende startete 1997 die 50. Auflage in der Landeshauptstadt die Etappenfahrt.
Ende der achtziger Jahre wurden die Anlagen, einschließlich Rasenplatz des Ernst-Thälmann-Stadions noch einmal für knapp 2 Millionen Mark umfangreich modernisiert.
Nach den Wendeereignissen hatte der neu gegründete PSV Potsdam e.V. mit seinen Abteilungen (u.a. Leichtathletik, Radsport und Rugby) hier seine Heimstätte. In Sachen Trägerschaft oder Instandhaltung schoben sich da das MdI bzw. die Stadt so manchen Ball zu. Aber leer oder ungenutzt war das Stadion zu keiner Zeit.
Auch landeten hier zeitweise etliche Hubschrauber, die an den Anlagen große Schäden hinterließen, wie u.a. beim Besuch der Königin Beatrix von Belgien im April 1991 in der Stadt, in Begleitung vom damaligen Bundespräsidenten Richard v. Weizsäcker, wo Kunststoffbelege herausgerissen wurden und div. Flutlichtlampen zerstört wurden.
1992 war das Stadion Austragungsstätte des Challenge - Days, bevor die große Polizeischau „Pots1000-Treffpunkt Polizei“, 1993 die Reihe großer Veranstaltungen vor ca. 5.000 – 7.000 Zuschauern abschloss. Da war unter den Prominenten war auch die erfolgreichste deutsche Olympiateilnehmerin, die Kanutin Birgit Schmidt. Auch Rugby wurde hier viele Jahre gespielt, ja selbst die American Footballer waren hier zu Gast. Und es gäbe noch Vieles und so manche Episode über diesen historischen Ort von Potsdam zu berichten – es würde sicherlich ein Buch füllen.
Mit der Vergabe der Bundesgartenschau und der Neugestaltung von Potsdam, wurde der erste Sportstättenneubau Deutschlands abgerissen, ohne allerdings eine notwendige und gleichwertige Anlage zu errichten. Das hatte aber zur Folge, dass etliche Vereine und Trainingsgruppen plötzlich ohne Sportanlagen standen.
Und noch angemerkt, in unmittelbarer Nachbarschaft, gegenüber des Ernst –Thälmann - Stadions befand sich auch eine Sporthalle, wo die Ringer des PSV jetzt RC Germania Potsdam, ihre Bundesligakämpfe austrugen, Gymnastinnen und Volleyballerinnen trainierten bzw. die Polizisten ihren Dienstsport durchführten, diese existiert leider auch nicht mehr, so viel zu historischen Sportstätten in 'Potsdams Mitte'.