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Einheit, Friede, Freude ? Warum tun wir uns nach 20 Jahren immer noch so schwer?

Anmerkungen von Rolf Hellmert

Der Anlaß meiner folgenden Anmerkungen ist der nun hinter uns liegende 20. Jahrestag der Unterzeichnung des Einigungsvertrages am 31. August 2010.

Als sich damals, 1989, andeutete, dass sich die politischen Verhältnisse in Deutschland verändern würden, war ich im Bundesinnenministerium Bonn, im Referat Öffentlichkeitsarbeit, Informations- und Besucherdienst, tätig. Dann, von Anfang 1990 bis Ende Oktober 1990, war ich demArbeitsstab/Arbeitsgruppe „Deutsche Einheit“ zu-gewiesen (Presse- und Medienbetreuung, später Planung, Vorbereitung und Durchführung des 1. Staatsvertrages zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion sowie des Einigungsvertrages einschl. Staatsakt am 02./03.10.1990 in Berlin).

Meine letzte Aktion im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit im Jahr 1990 war, einen Flyer entwickeln zu lassen mit dem Tenor: Helft mit beim Verwaltungsaufbau im Osten. Dies wurde dann auch von mir im Mai 1991 in die Tat umgesetzt und zwar in Potsdam in der Staatskanzlei. Beim Aufbau der Landeszentrale für politische Bildung hatte ich sehr viel Gelegenheit, Land und Leute kennen zu lernen, und in vielen persönlichen Gesprächen haben wir gemeinsam feststellen können, sofern wir altersmäßig nicht zu sehr auseinander waren, dass oft große Teile der jeweiligen Sozialisierung deckungsgleich sind. Ich rede hier von „Tugenden und Charaktereigenschaften“ wie Anstand, Verantwortung, Gemeinschaftsgefühl usw. Da ich nach wie vor dem Sport verbunden bin, habe ich auch über den Sport viele menschliche Erfahrungen in der Freizeit sammeln können. Zurück zum Einigungsvertrag.
Zweifelsohne war es eine sehr spannende Zeit von den ersten deutsch-deutschen Verhandlungen bis hin zum Einigungsvertrag. Leider hielt dieser Zustand nicht lange. Durch die, zum Teil in der Presse anlässlich des o.g. Anlasses zu entnehmenden Äußerungen könnte der Eindruck entstehen, dass die Unterzeichnung des Einigungsvertrages am 31. August 1990, jedenfalls bei einigen politischen Führungskräften, kein historisches Ereignis war, sondern eher ein lästiges Übel und es deshalb auch anlässlich der Erinnerung an die Unterzeichnung des Einigungsvertrages am 31. August 2010 kein Grund zum Jubeln gab.

Ich kann mich noch genau erinnern, es gab eine ähnliche Situation der allgemeinen Unzufriedenheit, so wie sie sich jetzt darstellt, bereits 1994/1995. Im Oktober 1995 war ich Podiumsgast im Kulturhaus Eggersdorf. Diskutiert wurde über das Thema: „Wächst zusammen, was zusammen gehört?“. Nach einer, später auch sehr lebhaf-ten Diskussion, waren sich die Teilnehmer überwiegend darüber einig, dass „Zu-sammenwachsen“ nicht einfach ist und auch schmerzhaft sein kann. Weiterhin wurde festgestellt, dass es aber auf dem Land keine „großen Probleme mit dem Zusammenwachsen“ gibt. Nachdem die erste Euphorie verflogen war, zeigten sich damals nicht nur Ermüdungserscheinungen im zwischenmenschlichen Bereich, sondern es wurde über verpasste Chancen des Einigungsvertrages öffentlich referiert, aber fast immer mit Anstand und gelenkt von sachlichen Argumenten. Zugegeben, meistens aber von Leuten, die nicht mehr so gefragt waren, d.h., die nicht mehr so im öffentlichen Rampenlicht standen.

Heute ist es meines Erachtens so, dass das Thema Ost-West bewusst von der politischen ersten Liga aufgegriffen wird. Ich könnte mir vorstellen, dass dies der Ablenkung von den eigentlichen Problemen dienen soll. Das wäre weiter nicht so beunruhigend, wenn nicht auch dadurch infiziert, die Stamm-tischphilosophie zum Aufblühen gebracht würde. Hier orientiert man sich bekanntermaßen nicht an Fakten, sondern es wird polemisiert und sich an Vorurteilen orientiert. Für mich ist nicht nachvollziehbar, wie mit dieser einmaligen Chance umgegangen wird. Vor allen Dingen politisch, nach zwanzig Jahren des Zusammenlebens (Sichwort: Kleine DDR). Die Vorwürfe, wie man es hätte politisch anders machen können, sind nach zwanzig Jahren auch nicht besser geworden. Zumal der herrschenden politischen Kaste die Fakten bekannt sein müssten, unter welchen Bedingungen der Einigungsvertrag, nicht nur zeitlich gesehen, geschlossen wurde.

Veränderungen bringen zwangsläufig tiefe Einschnitte des bisher so Gewohnten mit sich, verlangen zwingend ein Umdenken jedes einzelnen in der Gesellschaft.

Rückblickend stelle ich fest, dass Freundschaften gewachsen sind, mit den dazugehörigen verschiedenen Lebensgeschichten, die beiderseitig akzeptiert werden. Persönliche Erinnerungen sind wichtig, werden auch weiterhin ausgetauscht und dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Das Thema Ost-West darf sich nicht mehr für die politische Polarisierung eignen, vor allem vor dem Hintergrund des zur Zeit übergelagerten Themas „Integration“. Auch hier sind pauschale Verallgemeinerungen fehl am Platz. Ich will an dieser Stelle auch nicht über die SED-Diktatur oder über den kapitalistischen Westen diskutieren oder noch schlimmer Parolen wie „ Wir im Osten haben die Mauer eingetreten und ........!, „Wir im Westen sind nicht gefragt worden, ob wir Euch wollen........“! Diese platten und zum Teil auch persönlich verletzenden Äußerungen sind nicht zielführend. Sie sollten auch dann nicht aufgenommen werden, wenn von einigen wenigen der Versuch gestartet wird, das Thema politisch wieder vorzugegeben.

Grundsätzlich ist anzumerken: Die Republik hat sich seit 1989 verändert. Das gilt es zu akzeptieren und wir sollten uns darüber freuen, ohne zu vergessen, welche persönlichen Schicksale jeweils durch diese Veränderungen eingetreten sind. Wir sollten wieder mit Anstand einander begegnen und nicht alles in Deutschland schlechtreden. Manchmal hilft da auch ein Hinweis des einen oder anderen europäischen Nachbarn, die nach eigenem Bekunden unsere Probleme bzgl. des Zusammenlebens haben möchten.

Übrigens:
Zum Thema passend noch dieser Hinweis. Die Bildzeitung hatte in der vorigen Woche über das Ergebnis einer Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach unter der Überschrift „Deutsche freuen sich über blühende Landschaften“ berichtet: Über die deutsche Wiedervereinigung freuen sich heute 53% der Westdeutschen und 57% der Ostdeutschen. 20 Jahre nach der Wiedervereinigung finden immer mehr Deutsche, dass es die „blühenden Landschaften“ im Osten gebe. Dies bejahen nach der v.g. Untersuchung 39% der Ostdeutschen und 40% der Westdeutschen. 1998 waren es nur 27% (Ost) bzw. 33% (West).

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