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"Trachtenpseudologie"

Delirium in Dirndl, Janker, Lederhos'n

S' is wieder mal soweit!

Im benachbarten Frankreich und auch anderswo ist das „Burka- , Tschador- oder Hidschab-Tragen“ bereits verboten und unter Strafe gestellt.

Männer, die Ihre Frauen zum Tragen solcherlei Verhüllung zwingen, würden dort sogar mit Gefängnisstrafen bedroht.

Wann werden eigentlich auch jene Männer zur Rechenschaft gezogen, die ihre Frauen, Bräute oder Freundinnen kurz vor der Wies’n-Zeit in einschlägige Bekleidungs-Etablissements schleppen, um sich mit den unsinnigsten Pseudotrachten einzudecken und sie zwingen, sich dermaßen zu verhüllen?
Denn angesichts mancher „Tracht“ kann man sich des Eindruckes kaum erwehren und sich kaum vorstellen, dass sich eine Frau mit Geschmack einen solchen Schmarr’n freiwillig überstülpt.

Ganz zu schweigen vom Verkaufs- und Beratungspersonal dieser Etablissements, die stets ein: „das sieht aber fesch, nett, putzig und/oder frech aus“ auf den Lippen haben.
„Frech“ in Bezug auf die Zumutbarkeit für die Allgemeinheit – Ja!
Aber putzig...? fesch...?

Ein illustrer Haufen aus Alpinisten, Holzhackerbuben, Landadeligen und Edelmägden mit Piratentüchern auf dem Kopf, Edeldirndl’n mit Totenkopfemblemen, Kniestrümpfen die absichtlich bis an die Knöchel hinunter geschoben werden, (weil’s cooler ausschaut), mit Bergschuhen, (vermutlich zum Erklimmen der Bavaria?) ein unbedingtes „must“ – und natürlich stets mit Designer-Handy am Ohr und geschäftigem Gesichtsausdruck.

Trachten hatten ursprünglich ihre jeweils eigene Bedeutung und man konnte z.B. die Herkunft, den Stand – auch den Familienstand – und vieles mehr an der jeweiligen Tracht ablesen und wusste stets, mit wem man es in etwa zu tun hatte.
Ein in aus alten Jute-Mehlsäcken geschneiderten Janker gehüllter Mensch allerdings hätte seinerzeit sicherlich als arm und kaum beachtenswert gegolten – wogegen heute, angesichts der Preise die für so einen Schmarr’n verlangt werden, jede(r) Träger(in) eines solchen Mehlsacks einen auf „wichtig“, oder „geldig“ zu machen versucht.
Auch wäre so manche nicht mehr ganz taufrische auf „Landadelige“ machende besser beraten gewesen, sich für eine hochgeschlossene Dirndlversion zu entscheiden, als anderen ihr gefälteltes Dekolleté um die Augen zu hauen.

Aber natürlich – jeder kann und darf sich lächerlich machen wie, wo und so oft er will!
Und so kann man angesichts der mit allerlei kitschigen Accessoires bunt zusammen gewürfelten „Pseudotrachten“ höchstens noch ablesen, wer die größten Komplexe, den größten Geltungsdrang, den geringsten Geschmack oder vielleicht einfach nur den allergrößten Vogel hat.

Und so stehen sie dann in den Bierburgen, auf den Emporen oder in ihren Boxen auf den Bänken und Tischen, grölen im Kollektiv und in schlechtem Englisch mit zu: „Life is Live…“ oder „Country Roads…“ und sind sich sicher, das dies „Brauchtum“, „bayerische Kultur“ aber auf jeden Fall ziemlich „zünftig“ ist und…, was am schlimmsten ist;
die Ausländer und Zuag’roast’n glauben den Schmarr’n auch noch.

Man möchte fast ausrufen:
„Ja, is denn scho Fasching?“

Aber…, zieht euch den Schmarr’n auf der Wies’n ruhig an und dann g’hörts auf jeden Fall auch dazu!

Die Frage ist dann bloß noch: Wozu …??

Wolfgang Kreiner © 2010
Gryphon -Verlag München

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