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Er hatte Glück...

Er hatte Glück, und das von Geburt an.
Sein Vater war ein temporärer Idiot mit einem Tick fürs Leben, keinem angelernten; seine Mutter liebte ihn. Demzufolge kamen also Kinder.
Darunter er. Er fand Platz.
Er hatte Glück, weil es ihm gelang, nach des Vaters Tod geboren zu werden. Der Vater hatte sich in völlig betrunkenem Zustand und geistiger Umnachtung das Leben genommen.
Er war also Halbwaise. Von Geburt an. Das hat ihn abgehärtet.
Mit der Zeit schaffte er es, einigermaßen zurecht zu kommen, und so wuchs er heran.
Seine Frau heiratete ihn aus Vernunft, aber erst später erwies sich, dass sie gar keine hatte. Also ging es ohne Komplexe ab.
Er hingegen hatte Glück.
Er liebte seine Frau. Ihre Augen verglich er immer mit dem Meer, ihre Haare mit dem Wind und ihr Lächeln... dieses Lächeln liebte er geradezu. Sie mussten aber in getrennten Appartements wohnen, denn es war so schnell einfach keine Wohnung zu finden. Es war zwar etwas mühsam für beide, aber es ging eine Weile.
Als er dann endlich eine Wohnung bekam, war keine Frau mehr da. Sie war gegangen. Sie hatte einfach nicht durchgehalten. Seine Abhärtung -, das war es, was ihr fehlte.
Aber sie hatten keine Kinder.
Er hatte wieder einmal Glück gehabt.
Wäre es anders, würden sie nun bestimmt unglücklich sein. Aber so! Nichts.
Er blieb alleine, fuhr jedoch öfter mit seinem Hund zum Angeln. Natürlich nach der Arbeit und in der Freizeit. Sonst arbeitete er. Nicht schwer zwar, dafür aber täglich, außer an den Wochenenden.
Eines Sonntags, beim Angeln, da hatte er sich erkältet. Zunächst befürchtete der Arzt eine Grippe, doch heraus kam am Ende eine richtig schöne Lungenentzündung.
Aber er ist wieder gesund geworden.
Er hatte Glück.
Ein Kollege vertrat ihn währen der Krankheit bei der Arbeit. Aber er vertrat ihn dort nicht nur, sondern er erzählte auch herum, dass er ihn mit einer Frau in einem Lokal gesehen hatte. Während der Krankheit!
Er musste sich rechtfertigen und alles beweisen. Aber am schwersten bewiesen sich bewiesene Beweise.
Aber er hatte Glück.
Er durfte wieder zur Arbeit gehen, verlor aber seinen Kollegen, der dafür gehen musste. Seitdem wird er von ihm gehasst. Aber bis heute weiß er nicht weshalb. Weil er wieder gesund wurde, oder weil er keine Geliebte hatte?
Der Kollege begann, ihn zu vernichten. Er hingegen wehrte sich, so gut er konnte. Aber er musste auf alles gefasst sein.
Einmal, auf dem Nachhauseweg, bemerkte er, dass zwei Kerle ihm folgten. Dunkle Nacht und leere Straßen.
Er beschleunigte seine Schritte. Die beiden ebenso. Er fing an zu laufen. Sie ihm nach.
Die beiden waren schon ganz dicht hinter ihm. Er konnte nicht schneller. Sie holten ihn ein. Plötzlich sein Herz. Schon immer hatte er ein krankes Herz. Sie waren ganz dicht bei ihm.
Da, ein scharfer Schmerz. Ihm wurde schlecht und er fiel hin.
Als sie neben ihm standen, lebte er schon nicht mehr.
Er starb zur rechten Zeit.
Er hatte wieder einmal Glück gehabt.
Und dabei hatte er sich doch so gefürchtet! So sehr gefürchtet!

Wolfgang Kreiner © 2001/2007
aus: „Traumhändler“
Gryphon -Verlag München
ISBN: 978-3-935192-27-9

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