Hubert Aiwanger zu Besuch bei Bundespräsident Horst Köhler
Freie Wähler und der Bundespräsident – viel Übereinstimmung
(da). Mehr Bürgerbeteiligung ist dringend erforderlich, um die zunehmende Kluft zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und den Repräsentanten unserer parlamentarischen Demokratie zu überwinden. Dies ist eine zentrale Erkenntnis aus dem eineinhalbstündigen Gespräch zwischen Bundespräsident Horst Köhler und dem FW-Landesvorsitzenden Hubert Aiwanger am Dienstag im Berliner Schloss Bellevue.
Ein wichtiges Thema des Gedankenaustauschs war der sogenannte Lissabon-Vertrag der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Hubert Aiwanger machte die Überzeugung deutlich, dass hier von den politischen Eliten in der Europapolitik ein Weg vorgezeichnet werde, der mit der Bevölkerung zu wenig abgesprochen sei. Der Bundespräsident hat mit Rücksicht auf das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren zur verfassungsrechtlichen Überprüfung des Lissabon-Vertrages die Ratifizierungsurkunde des Vertrags bisher nicht unterzeichnet. Hubert Aiwanger kritisiert das „Durchwinken ohne Bürgerbeteiligung. Man hat Angst vor der Meinung der eigenen Bevölkerung und will vollendete Tatsachen schaffen.“ Als Ziel einer künftigen Europapolitik forderte der FW-Vorsitzende, „dezentral, aber vernetzt“ zu agieren. „Die EU muss sich auf ihre wesentlichen Aufgaben konzentrieren und darf sich nicht in alle Belange der Mitgliedstaaten einmischen“, so Aiwanger.
Auch die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise war Gegenstand des Gesprächs. Hubert Aiwanger konstatierte Übereinstimmung darüber, dass es dringend geboten sei, den Spekulationswildwuchs im Bankensektor einzudämmen und die Geldinstitute wieder mehr auf ihre eigentlichen Aufgaben zu verpflichten. Das Handeln von Schulden und die Vergabe von Krediten ohne realistische Aussicht, dass der Kreditnehmer die eingegangene Verpflichtung überhaupt erfüllen könne, sei eine haarsträubende Fehlentwicklung. Alle Staaten sollten nun im Finanzsektor schnellstens klare ordnungspolitische Rahmenbedingungen setzen, so die übereinstimmende Position der Gesprächspartner. Auch die zunehmende Konzentration von Marktmacht in den Händen weniger „Global Player“ und die Außerkraftsetzung des Wettbewerbs seien unakzeptabel. Demgegenüber gelte es, das Primat der Politik über die Finanzmärkte zurückzugewinnen.
Hubert Aiwanger vertrat die Überzeugung, dass überall möglichst dezentrale, überschaubare und beherrschbare Strukturen geschaffen werden sollten, weil sie stabiler und bürgerfreundlicher seien. Als Beispiel nannte Aiwanger die Lebensmittelbranche – er berichtete dem Bundespräsidenten von der katastrophalen Lage am Milchmarkt – und den Energiebereich.
Der FW-Landesvorsitzende hob die angenehme Gesprächsatmosphäre und den offenen Dialog mit dem Staatsoberhaupt hervor: „Herr Köhler ist ein natürlicher Mensch, kein distanzierter Polit-Taktierer. Man spürt, dass ihm die Sorgen der kleinen Leute nahe gehen und er spricht Fehlentwicklungen mutig an. Das sind Charaktereigenschaften, die wir künftig in der Politik wieder mehr brauchen.“
Hubert Aiwanger war im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl am 23. Mai, an der erstmals Vertreter der FW teilnehmen werden, zum Gespräch mit dem Bundespräsidenten eingeladen worden. Ein Gespräch des Bundespräsidenten mit der gesamten FW-Landtagsfraktion ist für die zweite Jahreshälfte geplant.