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Ritt auf dem Taifun - (eine erotische Komödie)

Langsam und schwül kam sie daher, die Bluesmusik. Dem Saxophonisten quollen die Adern aus dem Hals. Paare tanzten eng umschlungen im Durcheinander der Tanzfläche. Buntgemischt stand das Night-life-Volk, einen Drink in der Hand, schwatzend umher. An den Tischen gab es Pizze, Spaghetti Bolognese und Steaks. Weiter hinten versuchten einsame Automatenspieler verzweifelt ihre Groschenverluste wieder wett zu machen.
Im New Orleans konnte jeder seine individuelle Macke pflegen. Hier traf man eine absonderliche Mischung aus Freaks, die Freaks beobachteten oder Ausgeflippte, die sich an Ausgeflippte heranmachten. Notorische Nörgler legten sich mit aufdringlichen Quasseltanten an und zwei Politisierer posaunten im Wechsel: „Berlin ist nicht Weimar, Berlin ist Babylon!“
Ein Spieler berichtete von seiner Spielleidenschaft.
Ein Nickelbebrillter im Zweireiher vom Gynäkologenkongreß und ein Kahlköpfiger von seinem freien Fall ins Schuldenloch.
Markant maskuline Floskeln wurden von einem zum andern weiter gekaut:
„Ich glaub’ mich knutscht ein Elch!“
„Herr Ober, eine Pizza prostituto bitte!“
„Ich glaub’ ich krieg’ ein Rohr...!“
„Lieber über Nacht versumpfen, als im Sumpf übernachten...!“
„Lieber Fünf vor Zwölf, als keine nach Eins...!“
„Hey, Männer, pflegt die deutsche Hausmusik, lehrt euere Frauen das Blasen!“
„HaHaHa“
„Genau..., coltrichtig..., coltrichtig...!“

Flüche, Flausen, Kalauer und höchst-fulminante Ideen wirbelten durcheinander. Am einen Thekenende stritten sich zwei über Beschleunigungswerte von strahlgetriebenen Flugzeugen beim Start. Am anderen Thekenende der Mann, der wöchentlich drei bis vier Nächte im New Orleans zubrachte. Seine langen, fettsträhnigen Haare machten eher einen Künstler, einen Maler, Dichter oder Bildhauer aus ihm, als einen Dozenten für Paläohistologie. Er hatte sich mit seinem Hauptthema in Rage geredet. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn und seine Wangen waren rotfleckig.
„Die Weiber..., die Weiber...!
Der Sex und die Weiber...!
Summa summarum: Die Männer stehen auf Sex, die Frauen eher nicht!
Die Frauen bestreiten es zwar, behaupten, Sex über alles zu lieben, von jedem knackigen Männerarsch ungeheuer angemacht zu werden und notfalls dreimal täglich zu masturbieren.
Und ihre uferlosen Sexualphantasien verschicken sie dann an die Frauenzeitschriften.
Sie täten es gerne, dichten sie, mit dem Staplerfahrer, dem Handwerker, dem gutgebauten Neger..., im Fahrstuhl, in der Umkleidekabine des Kaufhauses, am hellichten Tag am Strand. Sie träumen vom liebevollen Überfall und nachfolgender sanfter Vergewaltigung nachts im Park, vorausgesetzt, der Vergewaltiger ist gut gebaut und sieht aus, wie Delon, Bogard oder Brad Pitt.
Paaah, pure Heuchelei sag’ ich euch!
Im Grunde kommen sie sehr gut ohne Sex aus. Sie sind viel glücklicher ohne, als mit. Sex ist nämlich der Preis, den sie für den Mann bezahlen, um selbst die Hauptsache dessen zu werden, was sie sich als Beziehung vorstellen.
Die allerwenigsten der Frauen begreifen doch eine gesunde Erektion des Mannes als persönliches Kompliment. Die meisten Frauen sehen darin doch viel eher eine ständige abstrakte Bedrohung – gleich einer Waffe, die auch nicht erst zur Bedrohung wird, wenn man sie abfeuert!
Hier, seht Euch doch diese Weiber an...!
Wie sie sich während des Tanzens an den Männern wetzen. Was passiert denn da schon...? Funkt es da vielleicht bei ihnen...? Ein dramatisches Blinzeln kommt vielleicht in die klimpernden Augenlider, sonst nichts! Denen fehlt einfach der Heißhunger. Denen fehlt die folternde Begierde, das Stechende, Bohrende, das Magenumdrehende, das irrsinnige Feuer.
Der Mann wird zehnmal am Tag an seinen genetischen Zeugungsauftrag erinnert und muß seinen Geschwollenen in der Hose zurechtrücken, sooft nur ein mittelmäßiger Busen vorüberschaukelt oder der Wind einen Rocksaum nur um Zentimeter anhebt. Sobald auch nur ein einigermaßen annehmbarer Weiberarsch vorüber wackelt, ist der Mann doch vom Halswirbel ab gelähmt - nach oben, versteht sich!
Das Problem ist doch, dass die Männer von der Natur sowohl einen Penis, als auch ein Gehirn mitbekommen haben - aber viel zu wenig Blut, um beides gleichzeitig zu betreiben!
Jede ehrliche Hure würde dir mit dem Mitgefühl einer Krankenschwester versichern, dass Männer die kopulationswütigste Hundesorte der Erde sind und daß die Befriedigung dieses Imperativs für die Welt von größtem Nutzen ist.
Denn was geschieht, wenn er nicht befriedigt wird...?
Ich sage es euch: Die Männer weichen auf ihre Ersatzbefriedigungen aus. Sie regieren, sie kontrollieren die Wirtschaft, sie veranstalten Wettfahrten und sie bauen phallusförmige Raketen...
Gott O Gott! Ich träume manchmal von einer Welt, in der Männer und Frauen den gleichen Spaß am Sex haben.
Frauen tigern in Tigerfell-Leggins nach erotischen Zufallsbekanntschaften umher und du weißt nie, wann du in die Schußlinie hungriger Piratinnenblicke gerätst, die dich mühelos ausziehen und mit wunderbarer Schamlosigkeit dort zu massieren beginnen, wo es am wohlsten tut.
Frauenfleisch-Hunger multiplizierte sich mit Männerfleisch-Hunger - das wär’s!
In jedem Winkel kreischt ein Paar vor horrendem Entzücken auf.
Sex als Öffnung des öffentlichen Überdruckventils...!
Was meint ihr dazu, Freunde...?“

Der eifrige Dozierer und bilaterale Entladungsphilosoph merkte es etwas später als die Umhersitzenden.
Quasi als Supernova mußte diese Frau einige Augenblicke zuvor ins Lokal geplatzt sein. Diese zierlich langbeinige Gazelle. Diese Kupferhaarflut. Dieser Klatschmohnmund.
Seit dreißig Sekunden stand sie an der Theke, schickte Lächelattacken quer durch die Thekenrunde. Ihr Körper straff-elastisch, selbstbewußt, pantomimische Kostproben schillernden Charmes. Ein Augenhappen. Das seitlich geschlitzte Seidenkleid von dünnen Trägern gehalten. Sinnlichkeit, Schönheit pur. Seit zehn Sekunden unterzog sie die Typen einer Schnellsichtung, gleich einer Theaterdirektorin, die sich aus dem Rudel arbeitsloser Schauspieler den passenden Komparsen herausfischt. Nach weiteren fünf Sekunden hatte sie sich entschieden:
Der dort mußte es sein. Der phallus-närrische Dozierer, von dem sie soeben die letzten zehn Sätze mitbekommen hatte. Dieser sympathische Macho dort mit dem lausbubenhaften Touch. Der Kerl, dessen Körperbau nach Leibwächter-Gigolo-Kampfsportlehrer aussah und in dessen Gesicht der Sarkasmus interessante Linien geätzt hatte. Genau den würde sie sich vorknöpfen.
Mit einer übermütigen Geste - sie formte Daumen und Zeigefinger zum Revolver und folgte mit dem Blitz aus hellgrün funkelnden Augen dem imaginären Schuß - bewegte sie sich katzenhaft auf den Talker zu, stand hautnah vor ihm, quetschte den quellenden Inhalt des Seidenfähnchens neben ihn ans Thekenboard. Mit immer noch hochgehaltenem Pistolenlauf tippte sie dem Verdutzten an die Stirn:
„Alles falsch!“ raunte sie.
„Was ist falsch?“
„Was Du über die Frauen sagst.“
„Oh, kannst Du mir das Gegenteil beweisen?“
„Gern. Soll ich es mit Worten tun?“
„Lieber mit Taten!“
„Tanzen wir?“
Von der Theke her glotzten sie mit offenstehenden Mäulern. Heee, das gibt’s doch sonst nur im Kino. Ich glaub’, mich tritt ein Pferd. Sexotisches Geschöpf im Sonderangebot!
Hochstimmung wie nach einer Freibierrunde.
Engel mit Schlagseite, Baujahr zweiundsiebzig! Modell: 99-66-99!
Zwanzig Männerkehlen johlten und geiferten von der ultimativen Traumfrau..., verfolgen sie das Glück, bis es zurück schlägt! Die unheimliche Begegnung der sexten Art schien für alle, deren Hormonhaushalt nun laut applaudierte, in greifbare Nähe gerückt zu sein.
Die Bewegungen dieser fremden Frau drängten nach Zärtlichkeit. Ihr Tanz der vertikale Ausdruck eines ausschließlich horizontalen Bedürfnisses. Jede Berührung des Männerkörpers ein Bereitschaftssignal. Ihre Aufführung, ein einzigartiges Kabinettstückchen verkörperter Rasse und Finesse. Haar-Kaskaden flogen als Mähne eines galoppierenden Pferdes. Wenn ihr weit geschnittener Mund auflachte, schien er die halbe Welt zu verschlucken. Die kaum vorhandene Seele konnte man sich nur mit unzähligen Hypotheken belastet vorstellen.
Donnerwetter! Eine Frau will, wie sonst nur ein Mann will? Jedes ihrer Worte das reinste Petting. Sie bot eine Aufführung, die fünfzig Jahre früher wegen öffentlicher Aufforderung zur Unzucht mit Gefängnis bestraft worden wäre.

„Wie heißt Du denn?“
„Stefan. Und Du?“
„Jessica Orlando.“
„Oh!?“
„Deutsche Halb-Engländer-Italienerin.“
„Fehlt nur noch, daß du mit einem russischen Grafen verheiratet bist und an der Budapester Oper die spanische Carmen singst.“
„Könnte ich, wenn es sein müßte!“
„Wie, warum?“
„Schauspielerin von Beruf.“
„Aha - und nach welchem Operetten-Libretto geht diese Szene hier ab?“
„Opera buffa.“
„Oder Opera bluffa?“
„Auf jeden Fall ein Einakter.“
„Und warum auf der Bühne hier?“
„Die einzige, die mir im Moment bleibt.“
„Sag, weshalb hast du mich soeben aus dem Rudel rolliger Kater herausgepickt?“
„Du gefällst mir!“

Alles blieb ihm ein fatal schönes Rätsel. Er roch Parfum und Schicksal. Diese Frau war als Invasion vom Planeten Venus ins New Orleans herabgefallen.
Obwohl er beim Slapstick - Dialog tapfer mithielt, verschlug es ihm den Atem. Sein Lächeln flackerte und sein Adamsapfel tanzte den Feitstanz. Hinter der Stirn rotierte rotes Licht. Heiliger Priapus hilf, daß dieser Paradiesvogel kein durch Enthaltsamkeit bewirktes Delirium in meinem Hirn ist!
Zum Glück fielen ihm rettende Scherze ein:
„Sag, kommst du auf meine Annonce hin?“
„Was hast du denn inseriert?“
„Mann mit über die Ufer getretenem Hormonspiegel, derzeit unbeweibt, erteilt liebesbedürftiger Dame verständnisvollen Unterricht.“
„Diplomwitzbold! Du hast den leichtsinnigen Zug um den Mund, die dekadente Lässigkeit, Herr Flirt-Altmeister in spe. Ich will dich, mein Bester! Auch bei den Frauen handelt der Körper manchmal ohne die Seele zu fragen.“

Neidvolle Blicke von der Theke her schienen ihn warnen zu wollen: Vorsicht! Unbekannte Tigerin! Die nimmt dich als Beutestück! Dieser Braten ist umso fauler, je betörender er duftet.
Nein, eine Edelnutte auf Männerfang war sie nicht. Wenn sich jemals eine von diesen ins New Orleans verirrt hatte, so war sie durch übermaltes Marmorgesicht und spitzes pekuniäres Glitzern in den Augen sofort aufgefallen. Die hier war jedoch trotz der schicken Designer-Schale, die mehr offenbarte als verbarg, eine funkelnde Lunte, eine bereits angezündete Stange Dynamit. Vibrationen flirrender Hitze gingen von ihrer freigelegten Haut aus. Der fanatische Glanz in ihren Augen verriet die infame Gier, die sich nur noch durch gewitzt-geschicktes Parlando kaschieren ließ. Bald würde sie animalisch aufheulen: Ich muß dich haben, ich bin ein wildes Tier!
„Lass uns am Kraterrand tanzen, bis wir in die brodelnde Lava fallen...“
„Ein Theaterspruch von früher?“
„Genau das.“
“Warum stehst du heute Abend nicht auf der Bühne?“
„Diese Story ist zu langweilig.“
Ihm gefiel’s. Ein kluger Narr stellt die pommes-frites raus, wenn’s vom Himmel Ketchup regnet.
Er nahm die Aktiv-Attraktive, die immer flagrantere Intimitäten herbeiflirtete mit in sein Auto.
Eine Gleichung mit zwei Unbekannten wäre selbst für Einstein eine spannende Herausforderung gewesen. Er jedoch wollte die Aufgabe besser als der beste Mathematiker lösen. Was Einstein im Hirn hatte, das hast du schon lange in der Hose. Die Frau half bei der Problemlösung, indem sie an jeder roten Ampel den Kopf des Mannes in den Ansatz ihrer Brüste drückte. Das Blut begann schon mal zu schäumen. Stürzte über Kaskaden. In Herz und Hoden prasselte Feuer. Die Leidenschaft rannte als altbekanntes, wunderschönes aber dennoch fremdes Tier über die beiden Berauschten hinweg.
In seinen Hirnstromwellen oszillierte die Frage: Worin besteht eigentlich der Pferdefuß bei dieser Galoppade? Welcher unsichtbare Stolperdraht ist im Garten der Lüste gespannt? Ist sie eine AIDS-Beißerin? Eine Schizokillerin? Ach Quatsch! Sie spielt Boullevardkommödie. Sie hat sich eben einfach nur den nächstbesten Hengst ihrer Wahl gegriffen. Vielleicht auch nur, um es ihrem Gatten, der sich wohl ein Fohlen seiner Wahl gegriffen hat, tüchtig heimzuzahlen...
Nein, Halt! Das hier war kein falsches Theater. Das Miezekatzenweib war echt in ihrem Hunger. Echt in jedem Funken, den sie verströmte. Echt sogar mit dieser Zwei-Finger-Pistole, mit der sie jetzt wieder an Stefans Stirn tippte.
„Liebe mich oder ich erschieß’ dich!“
„Ist ja gut, Frau Potiphar, ich liebe dich ja gleich. Sag’ mal, du Sexgangsterlady, hast du irgendwo ne richtige Pistole versteckt?“
„Schau doch nach!“
Sie zog seine rechte Hand vom Steuer weg, führte sie in die Verstecke des Seidenkleides, in Intimitäten und verwegene Tiefen. Ihr Körper fühlte sich so heiß an, als habe er tagsüber im tropischen Sand gelegen. Eine Pistole hatte sie nicht versteckt, dafür aber zehn brodelnde Pulverfässer. An der roten Ampel hätte sie am liebsten seine Nase zu den Pulverfässern hinab gesteckt.
„Fahr schneller!“
„He, he, Blitzmädchen! Einen Knall hast du auch ohne Schießeisen.“
„Schreib’ dir das hinter die Vorhaut auf die Eichel, Freundchen: Keine Frau wird dich jemals wieder so vernaschen, wie ich dich jetzt gleich vernaschen werde. Und ich will jetzt gleich dermaßen gefickt werden von dir, wie ich noch niemals in meinem Leben gefickt worden bin - verstanden!
Ich werde dir dermaßen einen blasen und das Mark aus den Knochen saugen, dass dir Hören und Sehen vergeht, das verspreche ich dir!
Sex ist nämlich die beste Medizin gegen den Tod.“
„Aha, schon wieder so ein Theaterspruch.“
„Der schönste Tod ist’s, wenn du beim Sex hops gehst.“
„Das war kein Theaterspruch.“
„Gib doch Gas, verdammt!“
„In den Himmel fahr’ ich trotzdem nicht mit dir. Ich ziehe es vor, des Sexes wegen auf der Erde zu bleiben. Ob’s der Erzengel droben noch mit der Erzengelin treibt, das weiß nämlich nicht einmal der Papst.“
„Mann - gib endlich Gas!“

Als sie sein Appartement erreicht hatten, warf sich die Frau, deren Nervenenden vor Hunger die schreienden Mäuler weit aufrissen, sofort über den Enthemdeten Enthemmten. Ein Gewoge aus Schenkeln, Brüsten, Armen, Lippen und Beinen sorgte für allerliebste Vergewaltigung.
Die Endrunde begann bereits vor dem Vorspiel. Das Erdbeben kam von oben. Die Frau stülpte sich über den Mann, wie eine Schlange über ihre Beute. Drunten packte sie mit dem einsaugenden Vagina-Mund zu, droben mit der beißenden Mund-Vagina. Schreie explodierten aus tiefstem Fleisch. Schmatzende, saugende, pumpende Geräusche. Die Pyromanin zündete atomare Nachbrenner. Beschleunigte das Vibrato. Bis die Erdachse taumelte. Bis die beiden Kerngeschmolzenen in erlöste Seufzer abgurgelten. In keuchende, maßlose Sättigung.

Als sich der nächste Morgen aus der Vollnarkose hochrappelte, schaute er vergebens in Küche, Bad, Besenkammer und Hausflur. Diese Frau war so wunderwild verschwunden, wie sie aufgetaucht war. Auf dem Tisch lag ein flüchtig bekritzelter Zettel:

„Mein Allerliebster,
ich werde noch lange an dich und die geile Nacht mit dir denken. Auf meinem Leib sind zwanzig Brandwunden zurückgeblieben. Der Gedanke an dich wird mir helfen, den langsamen Tod zu vertreiben, der noch viele Jahre in meinem Zimmer sitzen wird. Oh wie gern’ wäre ich mit dir letzte Nacht während des Liebesspiels im Auto gestorben! Ich danke dir für deine Leidenschaft. Deinetwegen werde ich mein hartes Schicksal besser überstehen. Ich habe diese letzte Gelegenheit mit der Kraft einer Ertrinkenden umarmt. Du wirst von mir bestimmt in der Zeitung lesen.
Monika Wegener (Jessica Orlando)“

Er rannte zum Briefkasten. Riß die Tageszeitung heraus - überflog den Lokalteil. Sah das Bild, das mit seiner Brandwunden-Frau trotz variabler Kleidung und Frisur identisch zu sein schien.
Er las:

Ritt auf dem Taifun...

sexueller Amoklauf...schizophrene Schübe... den gesamten Plunder inklusive Perücke im Kaufhaus gestohlen....

Und tatsächlich:

Monika Wegener! Er brauchte mehrere Minuten, bis er die schwirrenden Textpuzzles zum begreifbaren Bild zusammenfügen konnte.

Monika Wegener, Schauspielerin am Stadt-Theater in Aachen, die vier Jahre vorher ihren Regisseur und Geliebten J. Wagemann erschossen hatte, diese vor Wagemut verrückte Person war aus der geschlossenen Abteilung des Bezirkskrankenhauses ausgebrochen, hatte sich durch Kaufhausdiebstahl zum Männerfang ausstaffiert und sich in die Hetze nach einem sexuellen Glück, das für zehn Jahre vorhalten sollte, innerhalb von drei Tagen mehrere Männer unter den Nagel gerissen.
Wer hat diese Frau gesehen?
Wer ist von ihr angemacht worden?

Am nächsten Tag stand erneut in der Zeitung, Monika Wegener sei freiwillig in die Anstalt zurückgekehrt. Übermüdet, übersättigt, überglücklich.

Wie eine Drohne nach dem Hochzeitsflug.

Wolfgang Kreiner (c)
alle Rechte vorbehalten
Erschienen in: „Traumhändler“
Verlagsausgabe 2001
Gryphon Verlag
ISBN: 3-935192-27-4

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