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Der massive Schreibtisch

Der massive Schreibtisch

Placemat–Methode

Gedankenspuren fünf Sinne
2. Ideensammlung 
a) Wortschatzübung: die fünf Sinne im Winter.
Begriffe:  Visuellen / Optischen als zum Olfaktorische Regel

Der massive Schreibtisch

24.05.2017(c)Zauberblume, München/Ismaning
Kurzgeschichte

Es blieb ihr nichts anderes übrig, sie musste es tun.
Der Unmut überfiel sie und Henriette musste sich überwinden.
Sie betrat den langen Flur. Kein Geräusch ertönte bei jedem Schritt, in dem sie in dem weichen Teppich versank. Das klare frisch gereinigte Fenster roch nach Spiritus. Die kleine weiße Gardine nach Weichspüler. Zwischen den einzelnen Türen hingen alte Gemälde. Portraits ihrer Verwandten, die einst das Schloss bewohnten.
Tante Josefine hatte ihr Monokel in der Hand und starrte auf das gegenüberliegende Portrait. Einst war sie Erzieherin und hatte viele adelige Zöglinge das Lesen und den Ernst des Lebens beigebracht.
Henriette sah in den blitzblank gereinigten Spiegel und betrachtete ihr Muttermal, dass alle Ahnen an der gleichen Stelle hatten.
Nickte mit dem Kopf zustimmend Tante Klara zu, die auf dem nächsten Portrait sie sehr intensiv ansah. Schuldbewusst ging sie weiter, wendete ihren Blick und sprach laut zu Tante Klara gewandt: "Ich geh schon."
Sobald sie Onkel Otto  sah, der herzhaft lachend am liebsten aus dem Gemälde springen würde, musste Henriette ebenfalls lachen.
Zu Lebzeiten war Uronkel Otto nicht schüchtern. Seine Haare standen zu Berge und seine Ritterrüstung waren für ihn nur Fassade. In einem anderen Restaurier-bedürftigen Gemälde war in seinem Gesicht seine Verschmitztheit zu erkennen. Es rankte um ihn eine ausschweifende Legende herum. Er war einst ein Hallodri und hatte sein Erbteil mit vielen Frauen verprasst. Im hohen Alter bat er um Asyl im Schloss seiner Vorfahren, weil ihm die Gicht plagte.
Henriette seufzte tief: "Ach, Onkel Otto, draußen scheint die Sonne und ich muss endlich meine Arbeit machen."
"Mit wem sprichst du, mein Kind." Vaters Blick, er hieß ebenfalls Otto, sah von Onkel Otto zu Henriette. "Du siehst aus, als würdest du den Leidensgang deines Lebens gehen. Hop, hop, spute dich, je eher du beginnst, desto eher kannst die in deiner geliebten Natur herumwandern."
"Keine Sorge Papa. Ich weiß, der Termin beim Finanzamt, ich mag Zahlen und werde mich beeilen." Er trat durch eine andere Türe und verschwand dahinter.
Entschlossen ging sie bis zum dunklen Flurende. Sie wollte kein Licht machen, sonst vertrödelte sie nur Zeit, weil sie die Ahnengalerie gerne ansah und mit den Gemälden liebend plaudere.
Ganz hinten am Ende waren zwei braune Türen mit geschnitzter Täfelung. Die Türrahmen waren wie alles im Schloss aus massiver Eiche und naturbelassen. Leider nagte auch hier der Zahn der Zeit daran.
Sie strich über das brüchige Holz und betrat durch die linke Türe die kleine Kammer. Hier war der Staub zu Hause. Kein Personal, außer ihr, durfte diesen Raum betreten. Das Fenster benötigte einer dringenden Reinigung und die Akten stapelten sich in den hölzernen Regalen die von einer Wand zur nächsten angebracht wurden. Dazwischen breite Pfosten mit geschnitzten Fratzen in der obersten Reihe, die sie lustig anblickten. Vor allem der Clown hatte es ihr angetan, dem sie zuwinkte. Sie nannte es die stilvolle Rumpelkammer, die gleich neben der riesigen Bibliothek ihr Dasein fristete.
In der Ecke stand eine alte Schultafel und sie hörte das quietschen der Kreide, die einst ihrer Erzieherin zum schreiben benötigte. Der gelbe angenagte Schwamm baumelte an einem dicken gelben Strick herunter.
Die trockene Luft reizte ihren Hals und sie musste husten. Ich muss zuerst ein Glas Wasser trinken, sprach sie zu sich selbst.
Sie zog die eine wichtige, staubige Akten hervor. Blies den dünnen Staub von der Oberfläche in den kleinen unscheinbaren Raum hinein und legte ihn bei Seite.
Es war wie ein Ritual, dass sie jährlich abhielt. Zuerst zog sie weiße Handschuhe an und betrat das knarrende Parkett der Bibliothek durch die nächste Türe. Öffnete die verschnörkelte mit mit Glas versehene Schranktüre und nahm das uralte Buch mit dem roten Einband und dem metallenen Verschluss in die Hand.
Sie öffnete den dicken Buchdeckel und es drang leichter moderiger Geruch von Altpapier in ihre Nase, die sie rümpfte.
Auf dem ersten Blatt war das Wappen ihrer Vorfahren in roter und schwarzer Tinte zu erkennen. Darunter mit fein leserlicher altdeutschen Schrift las sie laut die Jahreszahl "1690" und das Lebensmotto: "Es kommt immer etwas Gutes nach." Das seidene Papier knisterte leise zwischen ihren Fingern und am liebsten würde sie weiterlesen.
Sie seufzte erneut und legte das Buch zurück.
Verschloss den Schrank und schritt zu ihrem Schreibtisch, der unter dem großen Fenster stand. Der Ausblick von den sanften Wellen des nahe gelegenen Meer war für sie atemberaubend schön.
Sie wischte ihre Gedanken weg und ging in die kleine stilvolle Rumpelkammer zurück.
Legte die Handschuhe in das Regal, nahm den bei Seite gelegten Ordner und die gestapelten Papierablagen mit zu ihrem massiven Eichenholz-Schreibtisch. Legte alles auf die blank gewienerte Schreibtischplatte und bedeckte die wunderbaren Intarsien-Arbeiten.
Die Karaffe und ein Glas standen bereit. Das schwarze Tintenfass mit der kratzenden Feder stellte sie aus Sicherheitsgründen auf die Fensterablage.
Sie rückte den eichenen Stuhl mit rotem Polster zurecht und setzte sich gerade hin.
Nun konnte sie beginnen.
"Ich bin bereit."

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