Lebensgefährlicher Mut
1000 Ampere. Das ist die Stromstärke, die am vergangenen Dienstag einen Jugendlichen im Landkreis München das Leben kostete. Er war am Bahnhof in Haar auf einen Güterwaggon geklettert. Die schnell herbeigeeilten Rettungskräfte konnten nur noch seinen Tod feststellen, jede Hilfe kam zu spät.
Dieser Fall ist kein Einzelfall. Immer wieder sterben junge Menschen durch Starkstrom, weil sie sich zu nah an Hochspannungsleitungen aufhalten. Oftmals geschieht dies im Rahmen einer Mutprobe. Die Jungen und Mädchen wollen beweisen, dass sie sich trauen, trotz der vielen Warnschilder auf einen Waggon zu klettern. Oftmals sollen als Beweis Videos oder Selfies dienen, welche dann auf sozialen Medien hochgeladen werden, um die vermeidliche Heldentat zu feiern. Und um weitere Jugendliche anzustacheln.
Ungeahnte Lebensgefahr
Eine Großteil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ahnt dabei nicht, in welche Gefahr sie sich begeben. Sie wissen nicht, dass sie die Oberleitungen nicht berühren müssen, um einem tödlichen Stromschlag ausgesetzt zu werden. Der in den Oberleitungen fließende Strom ist in der Lage, die Luft zu überspringen und über den sogenannten Lichtbogen durch den menschlichen Körper, der ja zum Großteil aus Wasser besteht und somit ein guter Leiter ist, zu Boden zu gelangen. Und dies mit eine Spannung von bis zu 15000 Volt, das ist 65 Mal mehr als in der heimischen Steckdose. Dazu reicht schon der Aufenthalt in der Nähe einer solchen Leitung!
Strom beeinflusst im Körper viele Funktionen. So kommt es schon bei leichteren Stromschlägen schnell zu Herzrhythmusstörungen und Kammerflimmern. Bei größeren Stromstärken, wie bei Oberleitungen, bleibt das Herz stehen.
Die Ein- bzw. Austrittsstellen des Stromes am Körper weisen stets Verbrennungen auf. Bei großen Stromstärken, wie bei den Bahn- Oberleitungen, weisen die Unfallopfer großflächige, irreversible Verbrennungen der höchsten Stärkegrade auf. Überlebende tragen schwerste Vernarbungen davon und müssen viele Jahre behandelt und oft unzählige Male operiert werden.
Dies sind nur zwei der tödlichen Gefahren, die von den Hochspannungsleitungen ausgehen.
Opfer hinterlassen Opfer
Jeder Erwachsene war einmal Teenager. In jeder Generation gab es so etwas wie Mutproben oder Möglichkeiten, seinen Mumm unter Beweis zu stellen. Auch ich habe Regenwürmer gegessen und bin nachts durch einen See geschwommen. Ich weiß heute, dass das nicht klug war und auf jeden Fall auch gefährlich.
Jedoch haben Mutproben wie das Besteigen von Waggons oder das Selfie-Shooting auf aktiven Bahngleisen eine anderes Gefahrenpotential als meine Jugendsünden. Die Wahrscheinlichkeit, bei einer solchen Aktion schwerstverletzt oder getötet zu werden ist überproportional hoch.
Die Opfer solcher Aktionen lassen weitere Opfer zurück. Ersthelfer, die sich beim Versuch der Rettung selbst verletzten oder sterben. Traumatisierte Zeugen und Rettungskräfte. Freundinnen und Freunde, Familien, Eltern, Geschwister, denen jemand aus dem Leben gerissen wird. Die nicht verstehen können, wie der oder die Getötete so etwas dummes hat tun können. Die sich nie wieder von dem Schmerz erholen. Sie bleiben zurück mit den zwei Fragen: "Warum?" und "Wozu?".
Und wenn dies alles also ein Zeichen von Mut ist, dann bin ich eben nicht mehr mutig. Und ich hoffe, dass alle Teenies in meinem Umfeld auch nicht mutig sind. Aber schlau. Und lebendig.
Oder, wie es in den Informationsunterlagen der Bundespolizei als Slogan zu lesen ist: SUCHT EUCH WAS ANDERES!
Mehr Informationen zum Thema Gefahren durch Bahnstrom finden Sie zum Beispiel im Internet bei der Bundespolizei .