Tagesstrukturierende Maßnahmen mit der Kuh
Werner Gutmann, der Leiter der Arbeitsgruppe 60plus der Landsberger SPD ist dafür bekannt Themen aufzugreifen, die unsere Gesellschaft gerne verdrängt. Mit Jochen Griek konnte er einen Referenten gewinnen, der Suchtkrankheiten in der Umgebung landwirtschaftlicher Objekte therapiert. Im Rahmen der Drogentherapie werden ehemalige Süchtige auf Bauernhöfen untergebracht. Im Gegensatz zu den üblichen Gruppentherapien sind sie dort allein, getrennt von anderen Süchtigen, in das Umfeld eines Bauernhofes eingebunden. Sie arbeiten dort mit, lernen die Natur und den Umgang mit Tieren kennen und integrieren sich in der Familie des Bauern.
Die Drogentherapie im Pfaffenwinkel (TiP) feierte vor kurzem ein seit 20 Jahren erfolgreich laufendes Modell. 26 Höfe aus Oberbayern und dem Allgäu sind derzeit an dem Objekt beteiligt. Die Therapie auf dem Hof nennt sich „tagesstrukturierende Maßnahme“. Einen geregelten Tagesablauf kennen viele Süchtige nicht. Auf dem Hof geht es morgens los. Es sind Kühe zu füttern, Kälber zu tränken, Felder zu bestellen und Aufgaben rund um den Hof wahrzunehmen. Entscheidend hierfür ist, dass je Bauernhof nur ein Klient aufgenommen wird. Der Aufenthalt kann bis zu neun Monate dauern und wird ständig von Therapeuten begleitet.
Wenn Eltern oder Verwandte die Klienten nach drei Monaten zum ersten Mal besuchen dürfen ist das Erstaunen über die positive Entwicklung oft groß. Klienten lernen auf dem Bauernhof, dass eine völlige Kehrtwende in ihrem Leben möglich ist, wenn das Umfeld stimmt. Ganz nach dem Motto der Kallawaya Indianer in Bolivien, bei denen Griek einige Zeit verbrachte. Deren Motto lautet: „Man kann nicht alleine krank und nicht alleine gesund werden“, ist von Jochen Griek, dem Leiter von TiP zu hören.
Nicht alle Klienten schaffen es die ganzen neun Monate auf dem Bauernhof zu bleiben. 80 bis 90% ergreifen die Chance, bleiben stabil, finden danach eine Arbeit, bleiben oft sogar in der Landwirtschaft und machen eine Lehre.
Eine Therapieform, die in weiten Kreisen unserer Gesellschaft unbekannt ist. Werner Gutmann hatte eine heftige und langanhaltende Diskussion zu moderieren. Er bedankte sich bei Jochen Griek für die Bereitschaft weit in den Abend hinein Rede und Antwort zu stehen.