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Graue Busse und Hungerkost

„Euthanasie“, ein trauriges und schreckliches Thema, das zu einer Zeit, die die Älteren unter den Mitgliedern der Arbeitsgruppe 60Plus der Landsberger SPD noch selbst er-lebten, eine furchtbare Rolle spielte. Durch den Massenmord an etwa 260.000 Men-schen mit Behinderung oder psychischen Krankheiten im Nationalsozialismus ist die-ses Wort negativ belegt. In der Öffentlichkeit ist über dieses besonders dunkle Kapitel der deutschen Geschichte wenig bekannt. Auch den Jüngeren ging der Vortrag „Psy-chiatrie im Nationalsozialismus, den Dr. Hans Alzinger in der Kletterei in Kaufering hielt, unter die Haut.

Bereits in der griechisch-römischen Antike tauchte der Begriff Euthanasie auf. Das aus dem Griechischen stammende Wort bedeutet „guter Tod“ und meinte die ärztliche Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen Ab dem Ende des 19. Jahrhun-derts veränderte der Begriff seine Bedeutung und er wurde im Zusammenhang mit der Tötung schwer und unheilbar kranker und behinderter Menschen diskutiert. Die ideologischen Hintergründe des faschistischen Vernichtungsgedankens gehen letztlich auf Charles Robert Darwins 1859 veröffentlichte Thesen zur natürlichen Zuchtwahl im Rahmen der Evolution zurück.

1895 forderte der Philosophiestudent Adolf Jost in Deutschland erstmals die gesetzli-che Freigabe der Tötung auf Verlangen und damit das „Recht auf den Tod“. Gründe dafür sollten Mitleid mit den Schwerkranken und der fehlende Nutzen ihres Lebens sein. Nach dem Ersten Weltkrieg radikalisierte sich die Debatte: Der Jurist Karl Binding und der Psychiater Alfred Hoche forderten die Freigabe der „Vernichtung lebensun-werten Lebens“ und damit die Tötung psychisch kranker und geistig behinderter Men-schen. Sie hätten im Zustand des „geistigen Todes“ weder den Willen zu leben noch den Willen zu sterben. Unverhohlen wurden sie als „Ballastexistenzen“ bezeichnet. Ärzte sollten nun unheilbar kranke Menschen von ihren Leiden erlösen, in dem sie dem Leben ihrer Patienten durch einen „Gnadentod“ ein Ende setzen. Während die Tötung von Kleinkindern mit Behinderungen unter Rassenhygienikern als Möglichkeit zur Ver-besserung der erblichen Beschaffenheit des „Volkskörpers“ diskutiert wurde, wurde die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ vor allem mit ökonomischen Motiven be-gründet.

Im Nationalsozialismus wird der Sozialdarwinismus zur Ideologie der Rassenlehre übersteigert. In der NS-Rassenlehre wurden die Gedanken des Sozialdarwinismus und der Eugenik aufgenommen und bis zur Massenvernichtung vorangetrieben. Unter der Bezeichnung „lebensunwertes Leben“ waren dabei auch die Juden, die Slawen, Sinti und Roma, die Russen bis hin zu Gefangenen in den KZ`s, lebensunwerte Wesen für die Nazis. Rassismus existierte schon lange, aber die Nationalsozialisten machten ihn zu einer Staatsdoktrin. Eine Konsequenz war die Sterilisierung erblich „Minderwerti-ger“ und die Vernichtung „lebensunwerten“ Lebens. Es sollte eine Verbesserung der Erbsubstanz erreicht werden, indem die Weitergabe „schlechten“ Erbgutes zu verhin-dern war. Die „Politik der gewaltsamen Geburtenverhütung“ wurde eingeführt.

Die sogenannte „Euthanasieermächtigung“, wohl der einzige Befehl zur Tötung, den Hitler persönlich unterschrieben hat, wurde Ende Oktober 1939 ausgegeben und auf den 1. September 1939 zurückdatiert. Das war der Beginn des 2. Weltkrieges, mit dem es zu Lebensmittelknappheit kam. Mit Kriegsbeginn stieg auch die Zahl der Verwunde-ten und Kranken täglich, ebenso schnell auch der Bedarf an Ärzten und des Pflegeper-sonals. Zu dieser Zeit wurde verbreitet, dass Kranke und Behinderte nur Ballast für die Gesellschaft sind und unnötige Esser, die niemandem nutzten, sondern nur viel Geld und Platz wegnahmen. Als Tarnbezeichnung für den Mord an Tausenden von Kranken wurde die Bezeichnung „Aktion T4“ gewählt. „T4“ stand für „Tiergartenstraße 4“ in Berlin, eine zentrale Dienststelle in der Kanzlei des Führers, von wo aus das Morden organisiert wurde.

Das geheime Ermächtigungsschreiben Hitlers wurde Grundlage des nationalsozialisti-schen Euthanasie-Programms. In ihm wurden der Reichsleiter Bouhler und der persön-liche Begleitarzt Hitlers, Dr. Brandt, beauftragt, die Befugnisse von Ärzten so zu erwei-tern, dass „nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurtei-lung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann“. Betroffen wa-ren geistig oder körperlich behinderte Kinder und die Patienten der Heil- und Pflegean-stalten.

In den Jahren 1940 und 1941 wurden in Deutschland fünf Heil- und Pflegeanstalten sowie die Strafanstalt Brandenburg in „Mordanstalten“ umgewandelt. Die Auswahl der Opfer erfolgte durch ärztliche Gutachter. Die Anstalten bekamen Meldebögen, in denen sämtliche Patienten aufzulisten waren, die z. B. unter Schizophrenie, Epilepsie, senilen Erkrankungen, Schwachsinn oder körperlichen Beeinträchtigungen usw. litten. Zusätzlich sollten Patienten gemeldet werden, die „länger als 5 Jahre mit nichtartver-wandten Krankheiten, z. B. kriminelle Geisteskranke, in der Klinik untergebracht“ wa-ren. In den berüchtigten grauen Bussen - umlackierte Reichspost Fahrzeuge - wurden die Euthanasieopfer in die Tötungsanstalten abtransportiert. Kinder wurden durch Verabreichung von Spritzen oder Überdosierung des Medikaments Luminal getötet. Für die Erwachsenen wurden Gaskammern bebaut und meist Kohlenmonoxid verwen-det, nach der Ermordung wurden die Leichen vor Ort verbrannt. Die Angehörigen der Opfer wurden dahingehend benachrichtigt, dass der Kranke unerwartet an einer Krankheit, z. B. an einer Lungenentzündung, an Tuberkulose oder an Herzversagen ge-storben und schon eingeäschert sei. Die Tötungsanstalten besaßen eigene Standesäm-ter , die entsprechende Todesurkunden ausstellten, so dass bei den örtlichen Standes-ämtern kein Verdacht erregt wurde. Die Urne mit der Asche der Toten wurde gegen Zahlung einer Gebühr von 5 Reichsmark zugeschickt.

Trotz aller Bemühungen der Täter blieben die verbrecherischen Vorgänge der Öffent-lichkeit nicht verborgen. Es gingen Gerüchte um, es gelangten immer mehr Hinweise über die Vorgänge in Umlauf, was schließlich in der Folge Proteste von katholischen und evangelischen Geistlichen auslösten. Der Freiburger Erzbischof Gräber und der Breslauer Erzbischof Kardinal Bertram protestierten in Form von Schriften an Minister und in öffentlichen Verurteilungen z. B. auf der Konferenz der deutschen Bischöfe 1940 und in der Bildung der Kommission des Deutschen Caritasverbandes, gegen die „Euthanasie“. Hitler sah sich schließlich veranlasst, den Befehl zur Einstellung der Akti-on T4 zu geben. Doch das Töten ging inoffiziell weiter. Eine angebliche wissenschaftli-che Rechtfertigung geschah durch den Begriff „Euthanasie“, den die Nazis als „Gna-dentod“ auslegten. Nachdem die „Aktion T4“ eingestellt wurde, begann die Phase der sogenannten „Wilden Euthanasie“, die letztendlich auch psychisch kranke und arbeits-unfähige Häftlinge der KZs mit einbezog.

Nach dem 2. Weltkrieg ist an Stelle des Begriffs Euthanasie der der Sterbehilfe getre-ten. In Deutschland stellen die „Tötung auf Verlangen“ und die „geschäftsmäßige För-derung der Selbsttötung“ einen Straftatbestand dar. Diskutiert wird jedoch immer wieder, unter welchen Bedingungen Sterbehilfe straffrei bleiben könnte. Wie verhält es sich z.B. bei unheilbaren Krankheiten, bei denen die Betroffenen den klaren Willen, ihr Leben beenden zu wollen, äußern? Was ist mit Wachkoma-Patienten oder schwerstbehinderten Neugeborenen, die z.B. ohne Großhirn geboren werden, und die nur mehr mit Hilfe von technischen Apparaten am Leben erhalten werden können?

Auch in der 60Plusgruppe wurde diese Frage kontrovers diskutiert: „Bis heute gilt eine Empfehlung des deutschen Ethikrates, der davor warnte, Suizidbeihilfe zu einem „Normalfall“ werden zu lassen. Damit unterstützt er die Ablehnung der ärztlichen Bei-hilfe seitens der Bundesärztekammer. Der Patient muss sich darauf verlassen können, dass die Ärzte „lebensorientiert“ denken.“ Mit dieser Empfehlung musste Dr. Hans Alzinger, selbst Arzt und Psychiater ist, noch weit über die vereinbarte Redezeit hinaus in Einzelgesprächen Rede und Antwort stehen

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