Ein Tag im Herbst
Quittungen oder Erntedank
ein Brauch, älter als das Christentum, ein Tag, an dem sich Menschen für eine gute Ernte bedanken, ein Tag, geeignet uns die Quittung für unser Handeln zu zeigen, eine Abrechnung mit der Vergangenheit, ob wir an diesem Tag glücklich sind, wird sich zeigen, aber noch ist die Ernte ja nicht beendet, denn noch immer ist Erntezeit für Weintrauben, Äpfel, Birnen, Pflaumen und Co, und für so manche Dinge des Lebens
doch manchmal erhält man eine Quittung, die wir so nicht haben wollten, oder sie kommt, wenn man gar nicht damit gerechnet hat, manchmal hat man sie auch längst erhalten, und will es nicht wahr haben,
unsere Saat hat den Frühling und den Sommer erlebt, die Jahreszeiten des Lebens haben ihre Spuren hinterlassen, nun ist es Herbst, und die Zeit der Reife ist beendet, und jetzt hoffen wir, dass sich alles prächtig entwickelt hat, und wir in Hülle und Fülle genießen können, was wir gesät haben, denn wir wollen für unsere Arbeit und Mühe belohnt werden, und gern das Erntedankfest feiern, wenn unsere "Saat" wirklich so aufgegangen ist, wie wir uns das wünschen, und wie es ja auch sein sollte, was einige jedoch nicht können, weil sie ohne eigene Schuld Ereignisse hinnehmen mussten, die ihre Saat vernichtete, sie stehen vor einem Ergebnis, das andere ihnen beschert haben,
denn Sturm und Regen, Hitzeperioden aber auch Schicksalsschläge, können eine gute Ernte verhindern, obwohl wir doch alles richtig gemacht haben, oder wollten, ein Restrisiko bleibt immer, ausschließen kann man eine Missernte nie, zwar ist sie auch eine Ernte, doch die wollten wir nicht einfahren,
jeder erntet das, was er verdient hat heißt es, vielleicht ist ja was dran, und auf unser Leben übertragen heißt es, ab einem gewissen Lebensabschnitt ist man für sein Leben, und für die eigene Ernte selbst verantwortlich, und grad als man das vorhat, kommt alles anders, denn Leben ist das, was grad passiert, während du noch eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen, sagt John Lennon,
Schicksal nennt man so etwas dann,
doch meist stellt uns das Schicksal nur etwas zur Verfügung was wir selbst mit der Aussaat begonnen haben, und wenn man uns nicht behindert, durch Wachstum und durch unser Tun bis zur Reife gelangte und als Ergebnis so oder so nun vorliegt, immer vorausgesetzt, das Schicksal spielt mit, aber das Schicksal kennt keine Gefühle, es ist weder liebevoll noch gnadenlos, unsere Freude über eine gute Ernte ist ihm egal, und Mitleid wegen einer Missernte hat es auch nicht.
Sind wir mit dem Ergebnis nicht zufrieden haben Menschen kluge Sprüche parat, wie
"das hätte ich dir gleich sagen können"
" das schadet dir gar nichts"
"das hast du jetzt davon"
aber auch: "das tut mir leid"
und bei einer guten Ernte den vielleicht augenzwinkernden Satz:
"hast Glück gehabt, aber die dümmsten Bauern ernten ohnehin die dicksten Kartoffeln"
Haben wir mit einer guten Ernte also nur Glück gehabt, und bei einer schlechten nur Pech?
"Nein" heißt es dann, sicherlich braucht man für ein gutes Ergebnis auch Glück, doch stehen wir jetzt vor einem Scherbenhaufen, seien wir meist zu einem wesentlichen Teil selbst daran schuld, und die Gründe dafür seien uns sehr wohl bekannt, jetzt können wir darüber nachdenken, was nun Selbstverschulden, Pech, oder himmelschreiendes Unrecht war, wenn wir denn ehrlich zu uns sind.
"na gut", können wir dann sagen, das eine hätte ich machen sollen oder sogar müssen, und etwas anderes besser gelassen, aber musste das gleich so schlimme Folgen haben ?
musste vielleicht nicht, hat es aber manchmal, wenn wir eine Situation falsch eingeschätzt haben, weil wir etwas ganz einfach nicht konnten, aus welchen Gründen auch immer, weil wir manches nicht ganz schnell berichtigt haben, weil wir resigniert haben, wenn der Weg zu weit war, wenn wir unsere Kräfte nicht bündeln konnten, weil auch andere Dinge wichtig waren, oder, die schlimmste Variante: weil wir ganz einfach versagt haben, als es darauf ankam, egal, die Ernte zeigt uns das Ergebnis unseres Handelns, aber auch unsere Hilflosigkeit, wenn der Blitz eingeschlagen hat,
wie dem auch sei, an dieser Ernte ist nichts mehr zu ändern.
"Hat sich bemüht" heißt es dann sehr schnell, und bescheinigt uns Erfolglosigkeit, die Bemühung selbst wird hier gar nicht gewertet,
"Er hat getan was er konnte" kann durchaus noch negativer gemeint sein,
doch auch Kritik ist ein Teil der Ernte
bei Äpfel und Birnen ist die Zeit überschaubar, in der vielleicht Fehler gemacht wurden, doch manchmal liegen Verhaltensweisen weit zurück, und wirken immer noch nach, weil sie nie ausgeräumt wurden, oder noch schlimmer, weil sie irreparabel sind, und jetzt keine Entschuldigung mehr nützt, weil sie keiner hören will, zum Beispiel in zwischenmenschlichen Beziehungen,
und ich hab den Satz gehört:
"Wenn ich Glück habe, verachtet sie mich nur, habe ich keines, nicht mal das".
Einem Tun oder Unterlassen geht immer eine Entscheidung voraus, nicht immer ist sie gut überlegt, manchmal wurde sie überhastet getroffen, da passieren Fehler, manchmal hat man zwar Bedenkzeit, lässt sie aber verstreichen, manchmal falsche Berater, oder Angst vor der eigenen Courage, oder der Gedanke, es wird schon gut gehen, aber das alles ist unwichtig, es war letztlich unsere Entscheidung, für die wir im Leben die Quittung kriegen, so oder so, und es zählt nur, ob sie richtig oder falsch war, solange nur wir selbst betroffen sind, kann man das vielleicht wegstecken, aber was, wenn wir auch anderen Unglück gebracht haben oder jemanden sehr enttäuscht oder verletzt haben,
aber aus Schicksalsschlägen kann man lernen, manchmal reicht es einfach, die eigene Einstellung zu überprüfen, die Dinge etwas anders zu sehen, vielleicht bei einem Streit den Gegner und seine Sicht der Dinge verstehen,
die logische Folge, oder die Umsetzung kann schwierig sein, auch eine Kröte schlucken zu müssen, kostet Überwindung, doch wenn uns erst ein Richter darauf aufmerksam macht, wird es teurer, und das musste oft nicht sein,
auch wenn man verloren hat, gibt es trostreiche Sprüche, wie:
"ärgere dich jetzt nicht, dass ein anderer besser war,
ärgere dich, weil du schlechter warst
das kannst du nämlich ändern"
und damit kann man gleich beginnen, denn Herbstzeit ist auch Pflanzzeit, wir können also gleich loslegen, von September, dem Mai des Herbstes, bis in den goldenen Oktober hinein ist auch Aufbruchszeit, um den Grundstein zu legen für das nächste Jahr, für eine neue Chance, um es besser machen, oder wieder genauso, bei Äpfel und Birnen ist das einfach, es wachsen neue heran, in zwischenmenschlichen Beziehungen sieht das ganz anders aus.
wobei wir hier immer vom säen und ernten sprechen, denn es geht auch anders, und manche ernten, was sie gar nicht gesät haben, oder nur zum Teil, wenn sie sich ein wenig mit fremden Federn schmücken,
so kennen zumindest die älteren unter uns noch das Lied von Herman Löns
"Auf der Lüneburger Heide",
das er um 1900 textete und über einen Verlag vertrieb, es wurde ein Erfolgslied, Noten und Schallplaten wurden in den Musikläden unzählige Male verkauft, bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts war es ein Renner, nur "gemacht" hat er dieses Lied nicht,
er kannte es aus seiner Studentenzeit, und soll Melodie und Teile des Textes in sein Gedicht einfach übernommen haben, dessen 1. Strophe folgendermaßen lautet:
Auf der Lüneburger Heide
In dem wunderschönen Land
Ging ich auf und ging ich unter
Allerlei am Weg ich fand
das Original aus seiner Studentenzeit hatte einen etwas anderen Text:
„Auf der Lüneburger Heide
ging ich auf und ging ich unter,
Bruder, pump mir deine Kleine,
denn die meine ist nicht munter“
diesen Vers mochte Herman Löns einem gepflegten Publikum nicht zumuten , er textete ihn um und präsentierte die neue Version als sein Lied, und erntete damit den erwünschten Erfolg.
und Erfolg braucht man nicht zu analysieren, den Misserfolg schon, wichtig ist, dass man die richtigen Schlüsse daraus zieht, also nicht so wie in folgendem Dialog:
Ein Jäger beklagt sich:
ich war gestern jagen
was denn?
Flugenten
und, erfolgreich ?
nein
hattest du deinen Hund nicht dabei?
doch
dann hast du ihn nicht hoch genug geworfen
doch trotz aller Missgeschicke, fluchend resignieren sollte man deswegen nicht, meint Wilhelm Busch, wenn er sagt:
"Der Mensch in seinem ersten Zorn
wirft leicht die Flinte in das Korn
der Mensch bedarf dann mancher Finte
zu kriegen eine neue Flinte"
und dass ich mich mit diesem Satz absolut angesprochen fühle, ist nur am Rande wichtig,
manchmal verliert man, weil etwas falsch angepackt hat, mit dem Kopf durch die Wand wollte, und man selbst Schaden nimmt, das darf nicht sein, manchmal muss man auch nein sagen können, um die eigene Ernte zu retten, oder weil man keine Prioritäten gesetzt hat, das ist unbedingt nötig,
auch ein Krankenwagen darf nicht drei Menschen überfahren, um ein Leben zu retten
doch wie sieht Erntedank für Menschen aus, die alles verloren haben, ihr Hab und Gut, ihre Familie, ihre Freunde, ihre Heimat, ihr Zuhause, weil sie flüchten mussten, sie müssen mit Entscheidungen leben, die andere für sie getroffen haben, und gegen die sie machtlos waren,
und was ist, wenn jemand, den/die wir so lieben, nicht mehr da ist, nicht mehr da sein kann, obwohl keiner diesen Abschied wollte, und wenn es denn sein musste, doch nicht so, wie es geschehen ist, wenn unser Schmerz nur noch ein stummer Schrei ist, vielleicht hört ihn der, der/die gegangen ist, sonst niemand, denn Abschiedsschmerz schreit man nicht hinaus, Abschied ist ein leises Wort, und Abschied braucht seine Zeit,
irgendjemand sagte, Abschied endet erst, wenn es nicht mehr weh tut, und das kann eine lange Zeit sein, manchmal endet sie nie, wie soll man fröhlich danken für eine Ereignis, das so furchtbar weh tut,
doch eines bleibt, die Hoffnung, dass wir irgendwie weiterleben können, es ist dann zwar nichts mehr so, wie es vorher war, doch vielleicht hilft es, jetzt eintauchen zu können in die einzigartige Atmosphäre des bunten Altweibersommers, der uns in seiner friedlichen Stille in den melancholischen November geleitet, und der wiederum führt uns durch Nebelschwaden in den Winter, der aber nichts anderes ist als die Zeit des Kräftesammelns, und uns bereit machen soll für eine neue Chance im nächsten Jahr, denn jetzt können wir nichts mehr tun, und Rainer Maria Rilke meint in seinem Gedicht
"Herbsttag"
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
doch mit lange muss ja nicht "für alle Zeit" gemeint sein,
irgendwann wird wieder Frühling sein
und die Karten werden neu gemischt,
das Spiel des Lebens geht weiter
das war immer so
Gerd Szallies
Klar gibt es schlimme Übereinkünfte - manchmal muss man wählen zwischen Cholera und Pest.
.....und das wünsche ich niemandem!
Letzendlich muss man aber auch damit irgendwie klar kommen :-(
Wie lautet dieser Satz nochmal?:
Das Leben ist schön, von einfach war nie die Rede.
Außer den verdammten täglichen Querelen, die jeder so erlebt geht es mir gut, Gerd ;-)