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Bodo Gumboldt: In Laatzen wurde das größte Umlegungsverfahren der BRD durchgeführt

Bodo Gumboldt ist Laatzen-Mitte-Bürger der ersten Stunde und hat bis zu seiner Verabschiedung 2007 mehr als 46 Jahre im Laatzener Rathaus gearbeitet, u.a. als Stadtrat. Jetzt ist er Stadtarchivar von Laatzen. Im myheimat-Interview spricht er über Erich Panitz und gibt Einblicke in die Überlegungen und Arbeit der Laatzener Verwaltung in den sechziger und siebziger Jahren, als in kurzer Zeit auf dem kleinem Gebiet in Laatzen-Mitte viel Wohnraum geschaffen wurde.

Herr Gumboldt, vermissen Sie die politische Arbeit eigentlich?

Ich habe mich immer als den klassischen, loyalen Verwaltungsmann gesehen. Mit einer politischen Haltung und Meinung und auch als Mitglied einer Partei. Jedoch geleitet von dem Gedanken, die vom Rat oder Verwaltungschef vorgegebenen Ziele zu erreichen. Wenn Sie mit politischer Arbeit die Zusammenarbeit mit den Ratsgremien meinen – nein, die vermisse ich nicht mehr! Zumal die zehn Jahre des engen Zusammenwirkens mit Bürgermeister Hauke Jagau von 1996 bis 2006 nicht zu toppen waren.

Jeder Laatzener kennt Erich Panitz. Als Gemeinde- und später als Stadtdirektor prägte er die Laatzener Stadtgeschichte wie kein Zweiter. Nachzulesen ist seine Geschichte auf www.laatzen.de. Wie standen Sie zu Erich Panitz, wie hat er Sie geprägt?

Wenn Sie bei einem Chef der erste Lehrling, der erste persönliche Referent, Pressesprecher und für die Dauer seiner Amtszeit immer in seinem Umfeld gearbeitet haben, dann färbt das ab, ob sie wollen oder nicht.

Panitz hatte auch seine Macken. Welche erinnern Sie? Können Sie uns ein Beispiel geben?

Macken? Ich würde sagen: Eigenarten, persönliche Eigenarten! Diese Individualität zeichnete Erich Panitz aus. Er war das, was man als harten Chef bezeichnet, jedoch mit einer hohen sozialen Einstellung. Jeder musste das geben, was er zu leisten im Stande war, musste auch an seine Grenzen gehen. Aber das lebte der Stadtdirektor auch vor.
Erich Panitz war eine dominante Persönlichkeit. Und bei den Repräsentationen hatte der jeweils amtierende ehrenamtliche Bürgermeister einen schweren Stand. Dann gab es schon mal einen Streit darüber, wer denn beim Volksfest das Bierfass anstechen müsse. Oder er hatte eine Veranstaltung verlassen, weil er nicht persönlich begrüßt wurde. Erich Panitz war kein einfacher Mensch und hat immer „einen eigenen Kopf“ gehabt. Dennoch war er auch beim politischen Gegner stets hoch geachtet.

Die Entwicklung der Gemeinden Laatzen und Grasdorf zur Stadt Laatzens bis 1968 lässt sich gut auf www.laatzen.de nachlesen. Wie wurde in der Verwaltung damit umgegangen, dass in kurzer Zeit auf kleinem Gebiet in Laatzen-Mitte so viel Wohnraum geschaffen werden sollte? Welches waren die dringendsten Aufgaben auf der Agenda? Und welche Position hatten Sie dabei inne?

Die Initialzündung für die spätere Entwicklung war in der Tat der freiwillige Zusammenschluss der Gemeinden Laatzen und Grasdorf 1964. Ein Team von 21 Verwaltungsmitarbeitern und ein Gemeinderat mit 17 Mitgliedern, traute sich den Start einer solche Mammutaufgabe zu. Es galt ein Gemeinwesen zu entwickeln, dass von 10000 Einwohnern, auf, so die damaligen Planungen, 60000 ansteigen sollte. Das sahen die Ziele der niedersächsischen Raum- und Landesplanung und des Verbandsplanes des inzwischen gegründeten Verbands Großraum Hannover vor. Laatzen war ausgewiesen als Nebenzentrum zur Ergänzung und Entlastung des Oberzentrums, der Landeshauptstadt Hannover. Wohnen hoher Dichte hieß es dabei. Eine neue Stadt, mit einem neuen Mittelpunkt entstand. Laatzen hatte in „Rekordzeiten“ Zuwächse von 1000 Einwohnern pro Monat! Da galt es rechtzeitig, die Infrastruktureinrichtungen fertigzustellen. Kindertagesstätten, Spielplätze, Schulen, öffentlicher Nahverkehr, Einkaufsmöglichkeiten, Freizeiteinrichtungen. Zwei neue Kirchen und Kirchengemeinden sind entstanden. Das größte Umlegungsverfahren in der Bundesrepublik wurde durchgeführt. Mal einige Zahlen: In etwa 100 Erwerbsvorgängen wurden für 45 Millionen Mark Grund und Boden in Grasdorf-Ost (so der früherer Titel von Laatzen-Mitte) und auf dem Kronsberg aufgekauft. 90 Prozent der Gesamtfläche waren in kommunaler Hand. Sieben Millionen Mark hat die Stadt allein durch das Umlegungsverfahren abgeschöpft. Und all diese Arbeit auf einen Schlag, in sehr kurzer Zeit. Das bedeutete für die handelnden Personen Überstunden, jede Woche Bauausschusssitzung, jede Woche Verwaltungsausschuss, und mindestens eine Sitzung des Rats im Monat.
Ja, und ich war dabei. Als Assistent von Erich Panitz, dem Motor dieser Organisator. Eine super schöne Aufgabe.

Die nächste Etappe in der Stadtentwicklung kam 1974 mit der Niedersächsischen Gebietsreform. Das Stadtgebiet wurde durch die Hinzunahme der Gemeinden Rethen, Gleidingen, Ingeln, Oesselse erheblich vergrößert, das Rathaus steht seitdem nicht mehr im Zentrum des Stadtgebiets. Vor welchen Aufgaben standen Sie mit der Verwaltung?

Wie vorhin erwähnt, sollte ja auch der Kronsberg bebaut werden. Und dann hätte das Rathaus im Mittelpunkt des Zentrums gestanden. In Laatzen ist das Gesetz über die Neugliederung im Raum Hannover nicht nur mit Freude aufgenommen worden. Die Ausgliederung des Messegeländes und des Kronsberges nach Hannover waren ein schwerer Einschnitt in die Substanz unseres Gemeinwesen. Die Einnahmeausfälle schlugen mit drei Millionen Mark jährlich zu Buche. Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht brachte nicht den erhofften Erfolg. Die nach dem Grundgesetzt garantierte institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung sei nicht verletzt.
Nun galt es, die ehemals selbständigen Kommunen zusammenzuführen. Eine Arbeit die nicht zu schwer fiel, da schon im Vorfeld der möglichen Gesetzesregelung auf nachbarschaftlicher Ebene der Versuch zur Verabschiedung eines Grenzänderungsvertrags gestartet wurde. Sowohl verwaltungstechnische Dinge, als auch politische Themenbereiche, wie die Bildung von Ortsräten, wurden erörtert. Begleitet von Experten der Kommunalaufsichten des Landkreises Hannover und des Landkreises Hildesheim-Marienburg, zu dem die Gemeinden Gleidingen, Ingeln und Oesselse

Sie sind eine Laatzen-Mitte-Bürger der ersten Stunde. Wie hat sich Laatzen-Mitte entwickelt?

Laatzen-Mitte hat sich so entwickelt, wie es sich die Planer vorgestellt haben. Sicher, im Nachhinein weiß ich alles besser. Aber bei aller Kritik bitte ich den Zeitbezug zu beachten. Beton war der Baustoff der Zukunft. Die Fertigbauweise für den Wohnungsbau das non plus Ultra. Und wir alle haben vergessen, dass es in den sechziger Jahren noch eine Wohnraumbewirtschaftung gab. Als ich von Alt-Laatzen nach Laatzen-Mitte zog, hatte ich erstmals Bad und Toilette in der Wohnung! Die beiden „Wohnscheiben“ direkt am Leine Center sehen die Planer heute mit anderen Augen. Aber auch da habe ich von Erich Panitz gelernt: es gibt wunderbare Planungsvorschläge, aber entschieden wird von den Kaufleuten. Übrigens, ein 38-stöckiges Hochhaus sollte dort gebaut werden, wo heute das Leine Center steht.
Die positive Entwicklung Laatzens ist seiner Standortvorteile zu danken. Die Nähe des Messegeländes, die gute verkehrliche Anbindung, sowohl des Individualverkehrs, der Eisenbahnanbindung, als auch des öffentlichen Personennahverkehrs.

Wenn wir auf Ihre Aufgabe als Stadtarchivar zu sprechen kommen: Wie kam der Kontakt mit der Leibniz-Uni Hannover zustande? Uund welches Ziel haben Sie sich als nächstes gesteckt?

Das ist alles eine Frage des Netzwerks. Aus der Leitung der Stadtverwaltung gab es eine Verbindung zur Uni und speziell in der Frage zur Geschichte der Stadt Laatzen kam dann der Kontakt zu Professor Carl-Hans Hauptmeyer zustande. Dann ging es sehr schnell. Im Juli präsentierten die Studenten ihre Arbeitsergebnisse zum Thema „Laatzen und seine Ortsteile im 20. Jahrhundert. Einführung in die stadthistorische Forschung.“ Nachzulesen auf der Internetseite der Stadt. Vergessen werden darf auch nicht unser Kontakt zu Dr. Peter Stettner vom Kulturarchiv der Fachhochschule Hannover an der Expo-Plaza. In einem Projekt wurde das gesamte Filmmaterial digitalisiert. Der Laatzen-Film der Gebrüder Moudry sogar kommentiert. Und als nächstes steht die Neustrukturierung des Archivs an. Auch mit professioneller Hilfe durch das Niedersächsische Institut für Historische Regionalforschung.

Lassen Sie uns noch einen Blick auf Laatzen heute werfen: Was macht Laatzen lebenswert? Was kann besser werden?

Laatzen hat alles! Arbeiten – wohnen – leben in einer Stadt. Das war auch das Leitmotiv von Erich Panitz bei der Aufgabenstellung. Arbeitsplätze sind geschaffen worden in einer Zahl, so hoch wie die Zahl der erwerbsfähigen Einwohner in Laatzen. Wohnen ist im Zentrum möglich, als auch in den ruhigen Randlagen. Dabei mit guter Verkehrsanbindung versehen. Das Schulangebot ist komplett. Das Vereinsleben in der Stadt ist optimal. Aqua-Laatzium, Park der Sinne, Golfplatz in Gleidingen, das Erholungsgebiet der Laatzener Masch fußläufig zu erreichen. Was will ich mehr?

  • Die ersten Planungen im Alten Rathaus in Laatzen. Bauausschussvorsitzender Karl Appel und Stadtrat Erich Panitz, Anfang der sechziger Jahre.
  • Foto: Stadtarchiv Laatzen
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  • Erste Linie 1 nach Laatzen-Centrum, geführt von Stadtdirektor Erich Panitz.
  • Foto: Stadtarchiv Laatzen
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  • Einweihnung des Rathauses 1976: Der nds. Innenminister Rötger Groß, Stadtdirektor Erich Panitz, Bürgermeister Kurt Grobe und Hannovers Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg.
  • Foto: Stadtarchiv Laatzen
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  • Luftaufnahme Laatzen-Mitte 1976
  • Foto: Stadtarchiv Laatzen
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  • Sichten die Bestände des Laatzener Stadtarchivs (von links): Bodo Gumboldt sowie die Historiker Martin Stöber und Rolf Kohlstedt.
  • Foto: Sandra Schütte
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