Morgens in der Straßenbahn
Eigentlich bin ich beruflich ständig mit dem Auto in ganz Norddeutschland unterwegs. Wenn ich dann mal für ein paar Wochen am Stück in Hannover tätig bin, nehme ich gerne eine Monatskarte und fahre mit der Straßenbahn.
So auch jetzt, meine Karte läuft noch ein paar Tage.
Ich gehe morgens immer um 7:15 Uhr aus dem Haus, damit ich die Linie 1 um 7:26 Uhr bekomme.
Nach 2 Minuten Weges tritt jeden Morgen aus einem Hauseingang zur linken Seite eine Dame heraus, die zunächst ihren Müll in den Container vor dem Haus steckt und sich dann Richtung Haltestelle begibt.
Auf meinem weiteren Weg höre ich jeden Morgen aus ein und demselben Badezimmer heraus einen Rasierapparat brummen, selbe Stelle, selbes Geräusch.
Kurz nachdem ich an diesem Fenster vorbei bin, überholt mich dann jeden Morgen eine junge Dame, die wohl auch immer zur gleichen Zeit das Haus verlässt und auch Bahn fährt. Denn ich sehe sie an der Haltestelle wieder.
Wie auch die Dame, die den Müll weggebracht hat, nur der Rasierertyp ist nicht da. Nimmt vielleicht eine spätere Bahn oder das Auto?
Ich sehe viele bekannte Gesichter, die jeden Morgen an der Haltestelle warten, so gegen 7:23 Uhr. Da ist der Herr, der in der Hand die Zeitung hält und lesend auf die Bahn wartet. Oder die Jungen und Mädchen, die wie immer an ihrem MP3-Player fingern, um sich die passende Musik aufzurufen. Oder das jungverliebte Paar, das turtelnd auf die Bahn wartet. Jeden Morgen, jeden Tag, Liebe ist schön. Jeder hat so seine Art.
Die Linie 1 um 7:26 Uhr hat den Vorteil, dass sie an der Haltestelle Laatzen eingesetzt wird und so ausreichend Platz zur Auswahl steht. Wenn sie dann vorgefahren ist, besteigen wir sie alle, denn sie ist noch vollkommen leer.
Jeder hat seine bevorzugte Tür, seinen bevorzugten Wagen. Ich selbst liebe einen Sitz am Gang auf der linken Seite, schräg über mir das „Bordfernsehen“. Da scheint morgens die Sonne nicht so sehr, auf der rechten Seite kann es schon heiß werden, wenn es nicht regnet, so wie gestern.
Als ich dann heute Morgen saß und – wie immer - meine Zeitung herausgeholt habe, warf ich wie jeden Morgen einen Blick in die Runde.
Und ich sah es auch heute wieder:
Die „Dame mit dem Müll“ sitzt auf dem 3. Sitz in Fahrtrichtung rechts im 2. Wagen, der „Herr mit der Zeitung“ ihr schräg gegenüber, jeden Morgen, jeden Tag.
Die junge Dame, die mich auf dem Weg überholt hat, sitzt eine Reihe hinter mir. Und auch viele der anderen Mitfahrer haben ihre Stammplätze, jeden Morgen, jeden Tag.
Das jungverliebte Paar kuschelt immer vorne im Wagen, der 1. und 2. Sitz rechts, jeden Morgen, jeden Tag.
Die Fahrt geht los, an der nächsten Haltestelle wieder viele bekannte Gesichter, die Türen öffnen und fast ein jeder nimmt „seinen Platz“ ein, jeden Morgen, jeden Tag.
Und ist der schon besetzt, ein kleiner missmutiger Blick und einen neuen Platz gesucht, den Reserveplatz, der ist auch schon bekannt, aber eben nur der zweitliebste.
So geht es noch eine ganze Weile weiter, Haltestelle um Haltestelle, jeden Morgen, jeden Tag.
Nur die Fahrscheinkontrolle fällt aus dem Rahmen, sie ist nicht jeden Morgen, jeden Tag. Aber immer öfter.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, er ändert nicht gerne seine Rituale.
Montag nehme ich einen anderen Platz.
Einfach so!!
Sönke Wortmann hat schon ums Drehbuch nachgefragt.
Will aber nicht genug zahlen!!
;-)))