Organspende
Organspende ist eigentlich ein Spiel für zwei Personen: Der eine gibt, der andere nimmt. Und damit alles seine Richtigkeit hat, mischen sich die Juristen ein und bestimmen (bei uns), dass der Nehmende nichts zahlen darf und der Gebende sich nicht bezahlen lassen darf, also rein formal juristisch geht es um eine Schenkung oder eine Erbschaft - was freilich so nicht gesagt werden darf.
Damit das ganze Spiel gespielt werden kann, bedarf es noch einer Anzahl von Mitspielern, Helfern, Vermittlern – die dürfen sich alle bezahlen lassen. Da sind die, die ein Organ entnehmen, die sind Handwerker, die als Krankenschwester, Pfleger, Arzt an der Organentnahme beteiligt sind. Dann folgen weitere Dienstleistungen, die für den Transport der entnommenen Organe zuständig sind – und die dürfen sich alle dafür bezahlen lassen. Dann kommen die, die den Nehmenden vor, bei und nach der Organverpflanzung pflegen – auch die dürfen sich dafür bezahlen lassen. Und dann gibt es den hervorgehobenen Leiter der Verpflanzung, er darf sich ebenfalls bezahlen lassen – aber er allein nicht nur mit schnödem Geld, sondern auch mit dem Ruhm schon wieder eine Organverpflanzung durchgeführt zu haben. Außerdem gibt es noch Helfer, die im Hintergrund wirken, und die ich hier vergessen habe einzeln aufzuführen, wie die vielen Laborkräfte für die vielen Untersuchungen oder die Verwaltung der Datenbanken, um den richtigen Spender zur richtigen Zeit mit dem richtigen Empfänger zusammenzubringen. Und selbstverständlich gibt es da noch einige Unternehmen, vom Krankenhaus bis zum Roten Kreuz (als Blutbank), die für ihre erforderlichen Dienstleistungen ebenso selbstverständlich auch bezahlt werden. - Ob der Empfänger von all dem einen Vorteil hat, hängt von vielem ab, wer noch während der Operation auf dem Operationstisch stirbt wohl eher weniger, wer das Spenderorgan schnell abstößt, hat auch nicht viel davon, und wer es dann endlich überstanden hat, redet nicht gern über die Probleme.
Jetzt wissen wir doch wenigstens, wer an einer Organverpflanzung so alles verdient – und ich habe ja noch lange nicht alle aufgezählt. Und all die, die hier bezahlt werden oder sonst noch weitere Vorteile haben, die werden für die Organspende sein – aus welchem Grund wohl?
Nur einer, ohne den das Ganze nicht funktioniert, der Spender, der darf nichts für seine Spende bekommen, kein Geld, keinen Ruhm und auch sonst rein gar nichts. So will es das Gesetz (bei uns).
Da ist der, der gern ein Spenderorgan haben möchte und auf das richtige, zu ihm passende wartet. Habe ich eben gesagt, der möchte? Möchte er wirklich, oder möchten nicht mehr seine Angehörigen, oder seine ihn behandelnden Ärzte (an Toten verdienen die Ärzte nicht mehr viel), oder möchte vielleicht die Klinik, das Krankenhaus, in dem er gepflegt wird? Also, wer möchte hier wirklich? Wie war das doch eben mit dem Geld und Verdienen? Also, der potenzielle Empfänger möchte und wenn nicht, dann hat er zu möchten.
Wie ist das mit dem Spender? Bleiben wir zunächst bei der Spende unter Lebenden. Zum Beispiel die so häufige Blutspende. „Blutspende kann Leben retten!“ Der Spender erleidet keinen schweren Eingriff in sein Leben und seine Gesundheit, das mag angehen. Wie ist es mit einer Niere? Der Spender hat von Natur aus zwei, die Natur wird wissen, warum, aber er lebt, auch mit nur einer weiter, aber wie gut? Was wollen wir ihm noch nehmen? Ein Auge? Auch Einäugige leben weiter. Und ein Herz? Viele Menschen sind zwar „herzlos“ aber leben nicht ohne Herz. Welch ein Lebender spendet freiwillig sein Herz, um dann tot zu sein?
Aber man kann ja das Spenderorgan auch einem Toten entnehmen – nur darf er noch nicht allzu lange tot sein. Und wenn man einen Spender aber keinen passenden Empfänger zur rechten Zeit hat? Dann muss der Tod eben ein wenig warten – moderne Medizintechnik macht es möglich. Damit stellt sich die berühmte Frage nach dem Leben oder hier die Umkehrung dem Tode. Wann ist ein Mensch „tot“? Früher: wenn das Herz nicht mehr schlägt, lässt sich relativ leicht feststellen. Oder wenn nicht mehr geatmet wird, lässt sich noch einfacher feststellen. Neuerdings aber so definiert: wenn der „Hirntod“ eingetreten ist, das lässt sich nur mit komplizierten Geräten messen. Ob das so ganz richtig ist, ist zwar strittig, aber „wer tot ist, bestimme ich“ - oder so ähnlich. Und wenn nun der Spender auf einen passenden Empfänger warten soll – dann wird der Körper des Spenders einfach an unsere so schöne Krankenhaustechnik gehängt, und trotz Hirntod schön am „Leben“ erhalten, der Körper ist warm, das Blut fließt, Sauerstoff wird zugeführt. - Fast wie im richtigen Leben.
Alles ganz einfach, wenn nur die Juristen nicht wären. Da wird doch behauptet, dass zum Spenden die Zustimmung des Spenders – oder seiner Angehörigen – erforderlich sei. Also ohne – Vorherige! - Zustimmung, auch keine Spende und ohne Spende keine Spenderorgane und ohne Spenderorgane keine Organverpflanzung und ohne die keine Gewinne.
Wir haben angeblich (und sicher ist das wahr) mehr gewollte Empfänger als Spender. Und wie schrecklich, wer als möglicher Empfänger nicht rechtzeitig ein Spenderorgan bekommt, stirbt eben vorher ein bisschen – ob der nun wohl seinerseits sich als Spender seiner Organe gemeldet hat?
Also wir haben zu wenige Organspenden im Land. Und das nur, weil es nicht genügt viele Leute gibt, die hingehen und sich einen Wisch holen, auf dem sie erklären, dass sie nach dem Tode ihre Organe spenden. Aber diesem Willen kann man doch sicher etwas nachhelfen. Na klar, durch Aufklärung, durch Werbung. Einmal im Leben zugestimmt gilt lebenslänglich. Und wenn das immer noch nicht reicht, weil nämlich die Bevölkerung einfach zu faul ist, um sich den Organspenderausweis zu holen, dann drehen wir – Juristen sind darin groß (das nennt man „Beweisumkehr“) - die Vorschriften um: Jetzt muss der, der nicht spenden will, dies ausdrücklich erklären, schweigen gilt als Zustimmung.
Man kann das natürlich auch Leichenfledderei nennen.
05.12.2011
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen