Gewalt gegen Kinder – Meldepflicht für Ärzte?
Am 12.06.2010 fand ich in meiner Lokalzeitung, aus Hannover übernommen, eine Notiz. Thorsten Wygold, Chefarzt im hannoverschen Kinderkrankenhaus auf der Bult, habe eine Meldepflicht für Ärzte gefordert, um Kinder besser vor Gewalt zu schützen. Gisbert Voigt, Vizepräsident der Ärztekammer Niedersachsen, habe gesagt: „Schweigepflicht ist ein hohes Gut, aber bei Gewalt gegen Kinder liegen die Dinge anders.“ Voigt habe weiter erklärt, denkbar wäre, dass ein Kinderarzt bei einem Verdachtsfall das Jugendamt anruft, skeptisch sei Voigt bei einer schriftlichen Meldepflicht.
Soweit diese, etwas gekürzte, Zeitungsmeldung.
Wie heißt es doch so schön: „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“ Fragen wir lieber den gesunden Menschenverstand. Wer Gewalt gegen Kinder ausübt, wird, wenn die Ärzte einer Meldepflicht unterliegen, verhindern, dass das Kind zum Arzt kommt, solange noch Gewalt-Spuren erkennbar sind. Diese Fälle werden dem Arzt also gar nicht vorgestellt. Er kann also nur zufällig darauf stoßen.
Dann ist die Frage, wie der Arzt den Sachverhalt „Gewalt gegen Kind“ überhaupt feststellen will, denn allein aus den von einem Mediziner feststellbaren Symptomen kann er das jedenfalls nicht.
Bleibt die Form der Meldung. Warum, wenn schon, dann nicht schriftlich? Es wäre der meldende Arzt erkennbar und zugleich könnten alle ärztlichen Feststellungen gleich dokumentiert weiter gegeben werden. In einem Telefongespräch geht das nicht. Und heimlich, anonym petzen kann der Arzt heute auch schon.
Das mag zu den denkbaren Folgen einer Meldepflicht einstweilen reichen.
Nun ein Beispiel. Ein Junge kommt zum Arzt, er will sich gegen Tetanus impfen lassen. Der Junge zeigt deutliche Verletzungen am ganzen Körper (Kripo sagt: „stumpfer Gegenstand“), etliche Stellen sind etwas ungeschickt mit Jodtinktur eingeschmiert, einige Heftpflaster decken die schlimmsten Stellen etwas ab. Typischer Fall von „Gewalt gegen Kind“!? Also, alles beschreiben, am besten mit ein paar Bildern, Mitteilung ans Jugendamt.
Jugendamtsvertreterin (ohne eigene Kinder) kommt, sicherheitshalber in Begleitung zweier uniformierter Polizisten, und besucht den offensichtlich gewalttätigen Vater. Der hat von unserer Justiz gehört: gestehe und du kriegst die Hälfte, bestreite und die kriegst das Doppelte! Der Vater fühlt sich ob diesem Besuch, nicht zu unrecht, angegriffen, er zeigt auf seinen Sohn und das Zimmer da hinten: „Nehmen Sie ihn gleich mit, und seine Sachen dahinten auch!“
Den Rest der Handlung erspare ich mir hier. Nur so viel: eine Woche später kommt ein Junge zum Arzt, übel zugerichtet, mit etlichen beginnenden eiternden Verletzungen. Er gibt an, sich vor einer Woche mit einem anderen Jungen geprügelt zu haben. Wem meldet der petzende Arzt jetzt was?
17.06.2010
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen
Sehr geehrter Herr Blume,
ich bestreite überhaupt nicht, dass ich das Problem verkürzt und etwas überzogen dargestellt habe.
Das Problem "Jugendamt" kenne ich sowohl aus der Sicht des Pflegevaters, als auch aus der anderen Sicht, wenn auch hier nicht als persönlich betroffener. Es geht also ganz gewiss nicht um ein Klischee, sondern um in Hameln erfahrene in den Akten auch des Familiengerichts Hameln nachlesbare Fakten.
Ich sehe auch, dass das Problem gelöst werden muss. Nur ist diese Methode sicher nicht die richtige.
Übrigens, wie ist es denn mit einer Meldepflicht für Lehrer? Warum, wenn ein Lehrer die Gewalt gegen Kinder feststellt, oder doch mindestens den Verdacht hat, kann er nicht selbst die wie immer zuständigen Behörden unterichten? Das mag das Jugendamt sein oder, bei einer Straftat, die Polizei. Und trifft hier den Lehrer, der nichts anzeigt, dann nicht auch der Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung? Wirklich immer nur die anderen?
Mit freundlichem Gruß
Hermann Müller