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Rente – Grundlagen einer allgemeinen Altersversorgung; Teil 8

8.5 Volksversicherung im Kapitaldeckungsverfahren?

Wir wissen, dass ein Einzelner seine Altersrente durch eine entsprechende Rentenversicherung bei einem privaten Versicherer, der nach dem Kapitaldeckungsverfahren arbeitet, versichern kann. Wir wissen auch, dass man den Barwert dieser Rente zu jedem beliebigen Zeitpunkt innerhalb der Versicherungslaufzeit bestimmen kann. Und wir wissen, dass die Höhe dieses Barwerts von der verwendeten Sterbetafel und dem rechnungsmäßigen Zinssatz abhängt. Dies gilt alles, wie gesagt, für einen Einzelnen. Unser Versicherer könnte eine derartige Versicherung aber nicht anbieten, wenn er nicht annehmen könnte, dass mehr als eine einzelne Person eine derartige Versicherung abschließen wird. Wie bestimmen wir nun den Barwert der Gesamtheit der Versicherungen einer Personengruppe? Sehr einfach: Wir errechnen den Barwert der Versicherung jedes Einzelnen und addieren. Nun lassen wir die Personengruppe wachsen, bis sie die gesamte Bevölkerung umfasst. Wie groß wäre der Barwert der Rentenansprüche der Gesamtbevölkerung? Auch hier können wir natürlich genauso vorgehen, wie bei einer begrenzten Personengruppe: Den Barwert der einzelnen Versicherung bestimmen und dann addieren.
Aber bevor wir mit dieser Arbeit beginnen, bedenken wir noch einmal: Der Barwert hängt von der Sterbetafel und dem Zinssatz ab. Wir wissen, dass auch nur sehr kleine Änderungen dieser beiden Größen zu erheblichen Änderungen des errechneten Barwerts führen. Welche Sterbetafel, welcher Zinssatz ist also richtig? Wir wissen es nicht, wir müssen Annahmen machen. Und wenn wir schon dabei sind, vereinfachende Annahmen zu machen, dann wollen wir auch gleich auf eine scheinbare Richtigkeit bis auf die letzte Kommastelle verzichten und uns mit der Ermittlung der Größenordnung begnügen.
Eine lebenslänglich zahlbare Rente zum Alter 65 hat einen Barwert - je nach den verwendeten Rechnungsgrundlagen - zwischen einer halben und ganzen Million. Wir wollen hier mit einer Million rechnen. Nach unseren Annahmen wird aus diesem Kapital die Rente gezahlt, das heißt, mit zunehmendem Alter wird dieses Kapital aufgebraucht, der Barwert wird mit zunehmendem Alter sinken. Andererseits nehmen wir an, dass die jüngeren dieses Kapital im Laufe ihres Arbeitslebens, nehmen wir also an, im Altersbereich zwischen 20 und 64 Jahren ansparen; in dieser Ansparzeit steigt das Kapital an, der Barwert der angesparten späteren Rente (der Barwert der Rentenanwartschaft) steigt. Nun machen wir eine kühne Annahme: wir tun so, als wären alle Rentner gerade 65 Jahre alt, das heißt, der Barwert ihrer Rente wäre nach unserer obigen Annahme gerade eine Million, zum Ausgleich vergessen wir die Barwerte der ansparenden. Nach diesen, zugegeben groben Vereinfachungen, können wir den Gesamtbarwert aller Renten durch die einfache Multiplikation: Anzahl Rentner * 1.000.000 bestimmen. Der Gesamtbarwert der Renten für eine Million Rentner ist also 1.000.000 * 1.000.000 = 1.000.000.000.000, eine Billion! Wir haben aber mehr als nur eine Million Rentner. Wir haben zur Zeit mehr als 20 Millionen und es werden in ein paar Jahren zwischen 20 und 25 Millionen sein (siehe Abschnitt Bevölkerungsentwicklung). Und daraus folgt, dass der Gesamtbarwert aller Renten von heute etwas über 20 auf um die 25 Billionen steigen wird. Soweit die Größenordnung, um die es hier geht. Schon damit ist also klar, dass eine Altersversorgung der Gesamtbevölkerung nach dem Prinzip des Kapitaldeckungsverfahrens nicht leicht aufgebaut werden kann.
Aus der Sicht unseres Superversicherers ist das Deckungskapital ein Topf, in den die Spar- (und Zins-)beträge hinein und die Rentenleistungen herausfließen. Wenn er Glück hat, gleichen sich diese beiden Ströme jeweils genau aus. Übersteigen die Zuflüsse die Abflüsse, dann hat der Versicherer das Problem der Kapitalanlage. Wenn Geldkapital zur Anlage drängt, dann fallen die Zinssätze, mit fallenden Zinssätzen kommt aber unser Versicherer in Schwierigkeiten: Seine Kalkulation stimmt nicht mehr, denn bei fallenden Zinssätzen steigen die erforderlichen Rücklagen, und damit auch das anlagesuchende Kapital, was die Zinssätze nun weiter sinken lässt - bis der Kapitalmarktzins auf 0 gefallen ist. Paradiesische Zustände?
Was aber geschieht, wenn die Abflüsse die Zuflüsse übersteigen? Dann muss unser Versicherer Kapitalanlagen auflösen, das kann er tun, indem er Anlagegüter verkauft. Selbst wenn es Käufer gibt, zu welchem Preis könnte er denn verkaufen? Je drängender ein Verkauf ist, je größer das Angebot ist, um so stärker fällt der Preis, der Erlös. Der Superversicherer kommt also auch bei dem Versuch seine Kapitalanlagen aufzulösen in erhebliche Schwierigkeiten.
Zusammenfassend muss also festgestellt werden: Der Einzelne und kleine Gruppen können durchaus durch Sparen reich werden, sie können auch durch Kapitalansammlung für ihr Alter vorsorgen. Die Volksgemeinschaft als Ganzes kann dies nicht. Eine Volksgemeinschaft kann nur soviel in einer Periode konsumieren, wie in dieser Periode auch an Gütern geschaffen wird. Es drängt also alles zu einem Umlagesystem.

8.6 Umlagefinanzierung

Die Finanzierung durch Umlage steht nicht dem Einzelnen, sondern nur einer Gruppe, einer Gemeinschaft als Instrument zur Verfügung. Typische Merkmale der Umlagefinanzierung sind:
Die Gruppe oder Gemeinschaft, auf die etwas umgelegt wird, ist eine Zwangsgemeinschaft, das heißt, der einzelne Angehörige dieser Gemeinschaft kann sich nicht ausschließen oder die Gemeinschaft verlassen.
Die Höhe des auf den Einzelnen entfallenden Umlagebetrages bestimmt sich nicht allein von seinem Verhalten.
Die Höhe der Umlage wird auf irgendwelche Bezugsgrößen bezogen. Die richtige Wahl der Bezugsgröße ist für den Grad der Gerechtigkeit der Umlage entscheidend.
Die Umlage wird für einen Zeitraum (zum Beispiel ein Jahr) erhoben.
Umlagefinanzierung fördert die Verschwendung und Unwirtschaftlichkeit.
Der Zahler einer Umlage ist nicht notwendig auch der, der die Last der Umlage zu tragen hat.
Die allgemeine Finanzierungsformel eines umlagefinanzierten Systems ist je Abrechnungsperiode (zum Beispiel ein Jahr):
Ausgaben = Einnahmen
Diese Formel kann man etwas weiter auflösen:
(Le*Ld)+V+Re+T+Zk+St = (Ue*Ud)+Ra+Zr+K+S

Le: Anzahl der Leistungsempfänger
Ld: durchschnittliche Leistung eines Leistungsempfängers
V: Verwaltungskosten
Re: Reserven-Erhöhungen (Bildung von Rückstellungen)
T: Tilgungen früher aufgenommener Kredite
Zk: Zinsen für früher aufgenommene Kredite
St: Steuern
Ue: Anzahl der Umlagezahlenden (Beitragszahler)
Ud: durchschnittlicher Umlagebetrag eines Umlagezahlenden
Ra: Reserven-Auszahlung (Auflösung von Rückstellungen)
Zr: Zinsen aus Kapitalanlagen (Reserve)
K: Kredite (Neuaufnahme eines Kredits)
S: Zuschüsse Dritter (zum Beispiel Bundeszuschuss)

Diese Formel ist auch dann noch gültig, wenn von dem gegenwärtigen vorwiegend beitragsfinanzierten System auf ein reines steuerfinanziertes System übergegangen wird; in diesem Fall wären lediglich die Werte Ue = Ud = 0.
Betrachten wir jetzt die Formelelemente genauer.
Verwaltungskosten (V).
Umlagesysteme wirken kosten- und ausgaben-steigernd. Für die Verwaltung eines umlagefinanzierten Systems gibt es keinen Anreiz, sparsam zu wirtschaften. Die vorgetragene Behauptung, dass "nur kostendeckende Gebühren/Beiträge" erhoben würden, ist genaugenommen nur ein Instrument des Volksbetruges, denn mit der Aussage, keine Gewinne erzielen zu wollen, ist über die Wirtschaftlichkeit des Betriebes nichts gesagt.
Für das System der gesetzlichen Rentenversicherung gilt: Bei einem derartigen Umverteilungssystem sind Verwaltungskosten unvermeidbar. Der Summand V (Verwaltungskosten) kann also nicht null werden, er kann aber ganz sicher durch Einsparungen und Rationalisierungen gemindert werden. Hier aber darf man die Größenordnungen nicht übersehen. Eine Einsparung von 1 Milliarde jährlich ist sicher eine erhebliche Summe, aber sie ist eben auch nur rund 0,5 Prozent einer Jahresausgabe oder rund 0,1 Beitragspunkt in unserer jetzigen gesetzlichen Rentenversicherung.
Kredite, Tilgungen, Kreditzinsen (K, T, Zk).
Aufgenommene Kredite ermöglichen - ohne dass die Umlagezahler es merken - im Zeitpunkt der Kreditaufnahme eine Erhöhung der Ausgaben. Erst in den folgenden Abrechnungsperioden treten als neue zusätzliche Ausgaben die Tilgungen und Kreditzinsen auf. Das bedeutet, dass in einem Umlagesystem Kredite auf Dauer umlageerhöhend wirken. Der Versuch, diese Wirkung durch erneute und weitere Kreditaufnahme zu verschleiern, führt unweigerlich zu nur noch größeren Problemen. Ein Beispiel für diese Entwicklung sind die öffentlichen Haushalte, in denen zum Teil bereits der Kapitaldienst die jährliche Netto-Neuverschuldung übersteigt, das heißt, um die alten Schulden bezahlen zu können, müssen immer neue Schulden aufgenommen werden.
Reservenerhöhung und -auflösung, Zinserträge (Re, Ra, Zr).
Ein Minimum an Reserven ist erforderlich, um stets liquide zu sein und kurze zeitliche Differenzen zwischen Einnahmen und Ausgaben aufzufangen. Reserven sind, auch wenn sie im normalen Umlagesystem nur von geringer Höhe sind, zinstragendes Vermögen.
Für das System der gesetzlichen Rentenversicherung gilt: Hält man die Reserve ("Schwankungsreserve") ungefähr konstant, dann gleichen sich die Summanden
Ra (Ausgaben aus der Reserve) und
Re (Einzahlungen in die Reserve)
aus und man kann sie in der Gleichung mit null ansetzen. Da die Schwankungsreserve derzeit bei rund einer Monatsausgabe liegt, sind größere Entnahmen ohnehin mangels Masse nicht möglich.
Da wir ein Umlagesystem haben, bei dem praktisch kein zinstragendes Vermögen vorhanden ist, sind die Zinseinnahmen nahezu null; (eine Monatsausgabe als Reserve bringt an Zinsen bei drei Prozent rund 0,0025 der Jahresausgaben): Zr = 0. Dieser Summand kann also in der oben genannten Finanzierungsformel entfallen.
Leistungsempfänger und durchschnittliche Leistung (Le, Ld).
Der Hauptteil der Ausgaben sollte für die Summe des Produkts aus Leistungsempfängern und der durchschnittlichen Leistung aufgewendet werden. Will man dieses Produkt senken, dann kann sowohl der eine wie auch der andere Faktor gesenkt werden.
Umlagezahler und durchschnittlicher Umlagebetrag (Ue, Ud).
Der Hauptteil der Einnahmen sollte aus der Summe des Produkts aus Umlagezahlern und durchschnittlichem Umlagebetrag aufgebracht werden. Will man dieses Produkt erhöhen, dann kann sowohl der eine wie auch der andere Faktor erhöht werden.
Zuschüsse Dritter (S).
Die Bundeszuschüsse aus allgemeinen Steuermitteln im heutigen Rentensystem sind recht erheblich. Die Behauptung, wir hätten heute ein beitragsfinanziertes Rentensystem, ist absolut falsch.
Das gegenwärtige Rentenfinanzierungssystem ist ein reines Umlagesystem. Daraus ergeben sich einige zwingende Folgerungen:
Für die Finanzierbarkeit von Ansprüchen der Versicherten ist es völlig gleichgültig, ob diese Versicherten irgendwann in der Vergangenheit (einem früheren als dem aktuellen Zeitraum) überhaupt irgendwelche, und wenn in welcher Höhe, Einzahlungen geleistet haben, denn von diesen Einzahlungen ist definitionsgemäß und tatsächlich im aktuellen Zeitraum nichts mehr vorhanden.
Die (auch von einem früheren Verfassungsrichter) vorgetragene Meinung, dass die Rentenanwartschaften einen "eigentumsähnlichen" Charakter hätten und darum nicht vom Gesetzgeber beliebig gesenkt werden könnten, stößt auf einige praktische Probleme:
Die Träger der Rentenversicherung haben praktisch kein Vermögen, ein "eigentumsähnlicher" Anspruch kann also allein deswegen, weil hier kein Vermögen vorhanden ist, unabhängig davon, ob er denn tatsächlich existiert, gar nicht realisiert werden. Hier gelten die gleichen Regeln wie im Konkursrecht: Wo nichts ist, kann auch nichts geholt werden.
Schuldrechtliche Ansprüche an die Beitragszahler werden selbst von den Verfechtern dieser These wohl nicht ernsthaft vorgetragen werden können.
Bleiben Ansprüche an den "Staat" als Garantieträger. Wenn man aber diese Variante ernsthaft bis zum Ende durchdenkt, dann geht damit das derzeitige beitragsfinanzierte Rentenversicherungssystem in ein reines steuerfinanziertes Rentenversicherungssystem über - und in dem gleichen Moment entfallen alle "eigentumsähnlichen" Ansprüche! Und der Ausdruck "Versicherung" ist spätestens dann auch falsch.
Die Stärken des Umlagesystems sind:
Unempfindlichkeit gegen Inflation, weil kein Vermögen vorhanden ist, das entwertet werden könnte.
Geringes Steuerrisiko.
Kein Verlust- und Enteignungsrisiko, weil nichts vorhanden ist, was enteignet werden könnte.
Ein Umlagesystem für die Altersvorsorge lebt von leeren Versprechungen, denn es verspricht den heutigen Zahlern in der Zukunft etwas zu leisten, ohne dass ein Gegenwert vorhanden ist: Die Last müssen die künftigen Generationen tragen.

8.7 Lasttragung

Wer trägt im Umlagesystem die Lasten? Zunächst einmal: Die Gesamtbevölkerung trägt auch alle Lasten. Das bringt uns nicht weiter. Teilen wir also die Gesamtbevölkerung in die drei Gruppen der Noch-Nicht-Erwerbsfähigen, der Erwerbsfähigen und der Nicht-Mehr-Erwerbsfähigen, wobei wir annehmen, dass dies eine reine Altersgliederung sei, die exakten Altersgrenzen sind für unsere Überlegungen hier zunächst ohne Bedeutung. In diesem Fall werden alle Lasten nun keineswegs allein von den Erwerbsfähigen getragen, denn es kommt sehr darauf an, wie diese Lasten definiert werden. Werden zur Lastentragung Beiträge erhoben, und diese Beiträge an das Erwerbseinkommen geknüpft, dann werden alle Lasten von den Erwerbsfähigen, genauer Erwerbstätigen getragen. Knüpft man aber die Mittelaufbringung an die Steuern, dann werden die Lasten von den Steuerzahlern getragen und das sind nicht einmal bei der Einkommensteuer nur die Erwerbstätigen und schon gar nicht bei den indirekten Steuern, vor allem der Mehrwertsteuer.
Betrachten wir einmal die Lastentragung beim Übergang von einer am Arbeitseinkommen anknüpfenden Beitragsfinanzierung auf eine Steuerfinanzierung, wobei wir gleich zwei Fälle unterscheiden wollen: die Anknüpfung an die Besteuerung des Arbeitseinkommens und die Anknüpfung an die Mehrwertsteuer. In beiden Fällen entlasten wir durch den Wegfall der Beiträge die Beitragszahler. Wenn nun aber die steuerfinanzierte Mittelaufbringung an den gleichen Bezugspunkt wie zuvor die Beitragserhebung, nämlich dem Arbeitseinkommen, anknüpft, dann sind die Arbeitseinkommensbezieher um nichts gebessert: Sie tragen nach wie vor die Last. Diese Variante bringt also bezüglich der Lasttragung keine Vorteile (sie hätte aber bereits andere Vorteile).
Knüpfen wir die Mittelaufbringung aber an die Mehrwertsteuer, dann müssen alle Mehrwertsteuerzahler - und das ist die gesamte Bevölkerung - sich an der Lasttragung beteiligen. Nehmen wir an, die zu tragende Last sei die Versorgung der Nicht-Mehr-Erwerbsfähigen, also der Rentner. Da die Rentner auch Mehrwertsteuer zahlen, beteiligen sie sich in diesem Umfang dann an der Finanzierung ihrer Renten: Die Rentner zahlen ihre Renten zum Teil selbst. Zurzeit liegt der Beitragssatz in der gesetzlichen Rente bei rund 20 Prozent. Da zurzeit ein Beitragspunkt ungefähr genauso viel bringt, wie ein Prozentpunkt der Mehrwertsteuer, müsste also die Mehrwertsteuer um gut 20 Prozent erhöht werden, um die Beiträge der Rentenversicherung abzuschaffen. Jede Mehrwertsteueränderung schlägt sofort auf die Preise durch, Mehrwertsteuererhöhungen sind preistreibend. Für die Rentner, die fast ihre ganze Rente in mit Mehrwertsteuer belastete Güter umsetzen, bedeutet eine Mehrwertsteuererhöhung um 20 Prozent mithin eine Minderung ihres Realeinkommens um eben diese 20 Prozent. Wie sieht die Sache nun bei den Erwerbsfähigen aus? Zunächst einmal, es werden alle im erwerbsfähigen Alter und nicht nur die Untermenge der Erwerbstätigen von der Last betroffen. Für die Erwerbstätigen selbst aber scheint es nur eine Änderung im Einzug der Finanzierungsmittel zur Last zu geben: Statt Beiträgen zahlen sie nun höhere Preise, in denen die höhere Mehrwertsteuer steckt. Hätten die Erwerbstätigen zuvor die Beiträge allein getragen, dann mag diese Annahme auch ungefähr stimmen. Zurzeit aber werden die Beiträge vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte getragen, so steht es jedenfalls im Gesetz. Für den Arbeitgeber sind die Beiträge Kosten, fallen sie weg, sinken seine Kosten; ob und wenn in welchem Umfang er diesen Kostenvorteil in niedrigeren Preisen an seine Abnehmer weitergibt, hängt allein von der Konkurrenz ab. Die gleichzeitige Erhöhung der Mehrwertsteuer bedrückt den Arbeitgeber sehr viel weniger, da für ihn als Unternehmer, die Mehrwertsteuer weitgehend ein durchlaufender Posten ist, den er an seine Kunden und letztendlich an die Endverbraucher weiter gibt.
Prüfen wir hier schnell die Frage, welche Lastenverteilung sich aus der Gesetzesbestimmung ergibt, dass die Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträge je zur Hälfte zu zahlen haben. Aus der Sicht des Arbeitgebers bestehen die Lohnkosten aus der Summe des dem Arbeitnehmer gegenüber abzurechnenden Bruttolohns zuzüglich der Lohnnebenkosten, die gesetzlich, tariflich, individualvertraglich oder auch gar nicht festgelegt sind. Eine Verschiebung dieser Kosten von einer Bezeichnung zur anderen verändert die Summe der Lohnkosten, das heißt die Belastung des Arbeitgebers nicht. Daraus folgt bereits, dass es für den Arbeitgeber kostenneutral ist, wenn er den Bruttolohn um einen Teil der Lohnnebenkosten, zum Beispiel die gesetzlichen Beitragsanteile an der Sozialversicherung, erhöht. Aus der Sicht des Arbeitnehmers ist nun ebenfalls gleichgültig, wie die Zwangsabgaben auf seinen Bruttolohn und direkte Zahlung des Arbeitgebers verteilt werden, das heißt sein Nettolohn verändert sich nicht, wenn bisher vom Arbeitgeber direkt gezahlte Zwangsabgaben seinem Bruttolohn zugeschlagen und dann sofort wieder eben als Zwangsabgabe abgezogen werden. Es wäre also durchaus denkbar, dass die Bruttolöhne um den bisherigen Arbeitgeberanteil an den Beiträgen zu den gesetzlichen Versicherungen erhöht werden und gleichzeitig die Beiträge in voller Höhe allein vom Arbeitnehmer zu zahlen wären. Sollte in Zukunft eine Senkung der Beiträge zur gesetzlichen Versicherung eintreten, dann hat der Arbeitnehmer sogar einen zusätzlichen Vorteil erlangt, denn sein einmal nach höheren Beiträgen berechneter Bruttolohn verändert sich durch die spätere Beitragssenkung ja nicht. Sollten sich aber die Beiträge in der Zukunft erhöhen, dann, und nur dann, hat der Arbeitnehmer einen schlechten Tausch gemacht. Wenn also bestimmte Kreise gegen das alleinige Tragen der Beiträge zur gesetzlichen Versicherung durch den Arbeitnehmer unter gleichzeitiger entsprechender Erhöhung der Bruttolöhne Frontmachen, dann hat ihr Verhalten wirtschaftlich nur einen Sinn, wenn sie für die Zukunft mit höheren Beiträgen rechnen - und das sollten sie dann auch ehrlich sagen.
Das derzeit bestehende System ist „Beitragsfinanziert“, diese Aussage stimmt aber nur bedingt, denn rund 20 Prozent der Ausgaben der Rentenversicherer werden durch Bundeszuschüsse, also aus Steuermitteln, aufgebracht. Die Beiträge werden auf einem eigenen Weg, der Beitragserhebung für das Sozialversicherungssystem, erhoben.
Denkbar wäre auch, dass die Beiträge als Zuschlag zur Einkommensteuer (vergleichbar dem Solidaritätszuschlag oder der Kirchensteuer) über die Finanzämter erhoben werden. Diese Änderung der Erhebungsart wäre noch keine sachliche Änderung am System. Die Erhebungsart ändert an der Tatsache „Beitrag“ noch nichts.
Einfacher wäre es allerdings, diesen Rentenfinanzierungszuschlag gleich als Teil des allgemeinen Steueraufkommens anzusehen. Was würde sich dadurch ändern? Zunächst würde das Erhebungsverfahren nahezu kostenlos sein, weil es für die Steuererhebung praktisch gleichgültig ist, ob ein Betrag von x oder x+y erhoben wird. Wichtiger und entscheidender ist allerdings etwas anderes:
Ein „Beitrag“ wird für eine bestimmte gewährte oder zu erwartende Leistung erhoben bzw. gezahlt. Mit der Beitragszahlung entstehen Ansprüche, mindestens formal - ob, und wenn wie weit, sie auch realisierbar sind, ist eine ganz andere Sache.
Eine „Steuer“ wird dagegen vom Staat zur allgemeinen Finanzierung seiner Ausgaben erhoben. Einer Steuer steht kein spezifischer Leistungsanspruch des Steuerzahlers gegenüber. Und genau um diesen feinen Rechtsunterschied in den eventuell entstehenden Ansprüchen geht es bei der Frage, ob die Rente aus Beiträgen oder aber über die Steuer finanziert werden soll. Alle anderen Argumente für die eine oder die andere Finanzierungsart mögen mehr oder minder richtig sein, sie vertuschen aber nur diesen einen entscheidenden Unterschied.

Da nicht für alle Zukunft Ansprüche entstehen dürfen, die immer nur die folgende Generation belasten, muss auf die steuerfinanzierte Rente übergegangen werden. Den heutigen Zahlungen darf auch nicht der Anschein anhängen, dass sie künftige Leistungsansprüche begründen könnten.

8.8 Die Last der Kinder

Wir hatten weiter oben die Bevölkerung dreigeteilt in die Gruppen der Noch-Nicht-Erwerbsfähigen, der Erwerbsfähigen und der Nicht-Mehr-Erwerbsfähigen, und wir stellten fest, dass die Last der Nicht-Mehr-Erwerbsfähigen, von den Erwerbsfähigen zu tragen ist. Dies ist sicher auch gerecht, denn es geht ja schließlich um die Last der eigenen Eltern dieser Generation - und Eltern hat jeder. Wer aber trägt die Last der Noch-Nicht-Erwerbsfähigen, also der Nachfolgegeneration? Selbstverständlich die Eltern dieser Nachfolgegeneration, und wenn die Menge der Kinder ausreichend ist und sich über alle Erwerbsfähigen gleichmäßig verteilt, dann gibt es auch keine Belastungsprobleme.
Um die Elterngeneration zu ersetzen, müssen die Eltern (mindestens) zwei Kinder haben (genau 2,1 bei der für uns zurzeit geltenden Sterbetafel). Diese erforderliche Kinderzahl ist über die zur Reproduktion fähigen Generation bei uns sehr ungleich verteilt:
Gut ein Drittel hat lebenslang keine Nachkommen, beteiligt sich an der Reproduktion also gar nicht,
Ein weiterer erheblicher Teil begnügt sich mit einem Kind, trägt also an der Reproduktion zu wenig bei,
Der restliche Bevölkerungsteil hat zwei oder mehr Kinder, allerdings bei Weitem nicht so viele, dass die zum Bestandserhalt erforderliche Kinderzahl auch nur annähernd erreicht wird.
Die Lasten für die Kinder liegen praktisch vollständig bei ihren jeweiligen Eltern, sind also individuell zu tragen. Die Last für ein Kind beträgt rund 500 EURO pro Monat.
Die einzelnen Personen im erwerbsfähigen und zugleich reproduktionsfähigen Alter sind also recht unterschiedlich belastet: Alle tragen die Last der Alten, denn diese Last ist durch die Zwangsabgaben kollektiviert. Die Last der Folgegeneration wird aber nur von einigen wenigen getragen. Das Problem tritt einige Jahre später auf: Jetzt sind die eben noch Erwerbsfähigen in das Rentneralter gekommen; wer trägt jetzt deren Rentenlasten? Natürlich die frühere Kindergeneration, denn die ist ja jetzt im erwerbsfähigen Alter. Großgezogen hat diese Kinder nur ein kleiner Teil der Rentner, unterhalten sollen diese Kinder nun aber alle Rentner, auch die, die in ihrem Erwerbsleben nichts für die Reproduktion beigetragen haben. Die Kinderlosen schmarotzen also auf Kosten der Kinder-habenden.
Die Last eines Kindes setzt sich aus den drei Teilen zusammen:
Direkte Ausgaben
Einkommensverzicht und Einkommensminderung
Wegen Geburt und Kindererziehung (Verzicht auf Einkommen in dieser Zeit)
Wegen Bruch in der Karriere in der Zukunft ein gemindertes Einkommen
Zeit- und Arbeitsaufwand.
Daraus ergibt sich folgende Kinder-Lastverteilung, die Altenlast ist für alle wegen der Zwangsabgabe gleich hoch:

[Tabelle auf dieser Seite nicht darstellbar]

Da zur Reproduktion zwei Personen als Eltern erforderlich sind und für den Bestandserhalt (mindestens) zwei Kinder notwendig sind, ergibt sich, dass bei gleichmäßiger Lastverteilung jeder die Last eines Kindes zu tragen hat. Daraus folgt nun aber, dass bei gerechter Lastverteilung, die einen diese Last durch die Aufzucht eines Kindes in Naturalleistung erbringen, die anderen müssten diese Last durch Geldabgabe aufbringen. Der Gedanke läuft letztendlich auf eine Kopfsteuer hinaus:
500 EURO im Monat für Personen ohne Kinder
250 EURO im Monat für Personen mit 1 Kind
0 EURO im Monat für Personen mit 2 oder mehr Kindern.
Diese Kopfsteuer kann genutzt werden, um die Last der Alten zu decken.
Historisch: Dieser Gedanke führte in der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts zur Einführung der „Junggesellensteuer“, aus der inzwischen die „Steuerklasse 1“ bei der Einkommensteuer geworden ist.

8.9 Kombinierte gesetzliche und private Altersvorsorge

Liegt eine Kombination der gesetzlichen mit einer privaten Altersvorsorge vor, dann gilt grundsätzlich Folgendes:
1. Die gesetzliche Altersversorgung ist immer eine (sofort-beginnende/aufgeschobene) lebenslängliche Leibrente.
2. Die private Vorsorge kann grundsätzlich so aufgebaut sein, dass das angesparte/eingesetzte Kapital
Exakt mit dem Tod des Bezugsberechtigten aufgebraucht ist;
Zu einem anderen Zeitpunkt aufgebraucht ist. Dieser Fall gliedert sich grundsätzlich wiederum in:
Aufbrauch des Kapitals vor dem Tod des Bezugsberechtigten;
Vom Kapital ist bei Tod des Bezugsberechtigten mindestens noch ein Teil vorhanden.
Betrachten wir diese einzelnen Varianten nun etwas genauer. Ist das eingesetzte/angesparte Kapital exakt mit dem Tod des Bezugsberechtigten aufgebraucht, dann liegt, wie immer diese Sache auch bezeichnet wird, immer eine lebenslängliche Leibrente vor, und dies bedeutet immer, dass hier das Sterberisiko in die Berechnung eingeht. Diese Variante ist einfach gelöst und von den (Lebens-)Versicherern angeboten. Normal ist das Angebot hier, dass eine festgesetzte Summe als vereinbarter Zahlbetrag (garantierte Summe, eventuell durch Gewinnanteile erhöht) ausgezahlt wird. Varianten, die letztlich auf einen variablen Zahlbetrag hinauslaufen, sind denkbar, ändern aber am Grundprinzip nichts.
Ist das Kapital aber mindestens teilweise nach dem Tod des Bezugsberechtigten noch vorhanden, dann kann dieser übriggebliebene Kapitalbetrag prinzipiell anders verwendet, zum Beispiel Teil der Erbmasse, werden, wodurch die Hinterbliebenen, die ja wohl auch meist die Erben sind, einen Vorteil haben. Diese Variante führt also zum sparsamen Umgang mit dem eingesetzten Kapital.
Ist jedoch das Kapital vor dem Tod des Bezugsberechtigten aufgebraucht, dann kann nach diesem Zeitpunkt keine weitere Leistung daraus erbracht werden. Praktisch bedeutet dies, das ab diesem Zeitpunkt eine Versorgungslücke auftritt.
Hier allerdings setzt eine ganz andere Lösungsidee an. Die nach dem Aufzehren des Kapitals entstehende Versorgungslücke könnte durch eine Erhöhung der gesetzlichen Altersversorgung ausgeglichen werden. Verfolgt man diese Idee weiter, dann kann man natürlich auch statt einer parallelen Zahlung der beiden Leistungen (gesetzliche und private) auch eine zeitlich aufeinanderfolgende Zahlung sich vorstellen und zwar in der Art, dass zunächst für eine bestimmte Zeit allein aus der privaten Versorgung und anschließend allein aus der gesetzlichen Versorgung die Zahlungen geleistet werden. Im Sinne der Versicherungsmathematik liegen hier also in zeitlicher Folge die private als aufgeschobene/sofort-beginnende zeitlich begrenzte Leibrente und die gesetzliche als aufgeschobene lebenslängliche Leibrente vor.
Führen wir diesen Gedanken weiter, kann die private Rente natürlich auch statt als Leibrente als reine Zeitrente ausgestattet werden, denn der Zeitraum, für den die Rente zu zahlen ist, ist ja durch ein Kalenderdatum begrenzt. Liegt der Tod des Bezugsberechtigten vor diesem Zeitpunkt, dann bleibt einfach etwas von dem eingesetzten Kapital übrig, das dann an die Erben zurückgegeben werden kann. Damit haben wir jetzt in zeitlicher Folge zunächst eine private Zeitrente und anschließend die gesetzliche lebenslängliche Leibrente. Eine Versorgungslücke tritt nicht mehr auf.
Man kann jetzt den Beginn und das Ende der privaten Zeitrente beliebig festsetzen, zum Beispiel nach dem Alter des Bezugsberechtigten: 60 bis 69 Jahre: Private Zeitrente, ab 70 Jahre: Gesetzliche Leibrente.
Diese Variante hat den entscheidenden Vorteil, dass in der Zeitrente das Todesfallrisiko keine Rolle spielt. Es handelt sich technisch gesehen um das gleiche Prinzip eines Annuitätendarlehens, wie zum Beispiel bei Hypotheken oder Kleinkrediten. Wegen der kurzen Laufzeit kann für Überschlagsrechnungen sogar auf die Einrechnung des Zinses verzichtet werden, was für die Mehrzahl der Bezugsberechtigten, die ja der Finanzmathematik unkundig sind, den weiteren Vorteil hat, dass sie mit der vereinfachten Überschlagsrechnung sogar auf der sicheren Seite liegen.

[Tabelle auf dieser Seite nicht darstellbar]

Man erkennt, dass die exakten Werte mit zunehmender Laufzeit und höherem Zins immer stärker von dem Überschlagswert (= 0% Zinssatz) abweichen, aber eben auch immer darunter liegen. Der so entstehende Sicherheitsfaktor kann natürlich auch als Inflationsausgleich während der Rentenbezugszeit gedacht werden. Diese Werte sind völlig unabhängig von dem Alter des Rentenbeziehers, denn hier handelt es sich, wie gesagt, um eine reine Zeitrente, bei der die Sterbewahrscheinlichkeiten keine Rolle spielen.
Es soll nicht verheimlicht werden, um welche Beträge es hier geht. Eine monatliche Zeitrente über 10 Jahre in Höhe von 1.000 EURO bedeutet eine Jahresrente von 12.000 EURO (=12*1.000) und dies entspricht einem Kapital von 93.620 EURO (= 7,80169 * 12.000 bei 6 Prozent Zins) bis 120.000 EURO (bei 0 Prozent Zins). Ein derartiges Kapital muss nicht nur angesammelt, sondern - was noch wichtiger ist - vor allem über all die Jahre vor der Inflation sowie dem allgemeinen staatlichen und besonders dem Zugriff der Steuerbehörde geschützt werden - und das ist vielleicht noch schwieriger als das einfache Kapitalansammeln. Übrigens: Das hier eben genannte Kapital entspricht ungefähr dem Wert eines Hauses auf dem Land oder den Kosten der Aufzucht eines Kindes (vielleicht sollte man doch lieber in Kinder, die später die Altersversorgung übernehmen, investieren!?)

01.10.2012
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen

Hinweis: Tabellen sowie Hoch- und Tiefstellungen sind in dieser Seite nicht (korrekt) darstellbar.
Unter Verwendung des Buches von Hermann Müller: „Rente – Grundlagen einer allgemeinen Altersversorgung“. Das Manuskript ist bei www.querkopp-mue.de abrufbar.

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