Rente – Grundlagen einer allgemeinen Altersversorgung; Teil 4
5. Lastquoten: Die Last der Erwerbstätigen
Bei den Lastquoten sind mindestens zu unterscheiden:
Lastquoten, berechnet allein aus den demographischen Werten, also allein der Anzahl der Menschen.
Lastquoten, die die Belastung in Geld betreffen.
5.1 Lastquoten, abgeleitet aus der Demographie
Um die sich aus der demographischen Entwicklung ergebende Last der Erwerbstätigen (genau: der im erwerbsfähigen Alter stehenden) zu berechnen, wird die Gesamtbevölkerung in die 3 Gruppen gegliedert:
Die Noch-nicht-Erwerbsfähigen (Kinder und Jugendliche)
Die Nicht-mehr-Erwerbsfähigen (Alte)
Die (dem Alter nach) Erwerbsfähigen (alle die, die nicht zu einer der beiden zuvor genannten Gruppen gehören).
Die Altersgrenzen für diese drei Gruppen werden für die verschiedenen Zeiträume/Zeitpunkte sowie von verschiedenen Autoren (Wissenschaftler, Statistiker und vor allem Politiker) unterschiedlich angegeben. Häufig - und falsch! - ist die Angabe:
0 - 15 oder 0 – 20 Noch-nicht-Erwerbsfähige
15 - 65 oder 20 – 60 Erwerbsfähige
65 oder 60 Nicht-mehr-Erwerbsfähige.
Bei dieser - falschen! - Definition (die auch in wissenschaftlichen Arbeiten zu finden ist!) sind die Schnittalter 15/20 und 60/65 den einzelnen Gruppen nicht eindeutig zugeordnet. Formal korrekt müssen die Grenzen also wie folgt angegeben werden:
0 - 15 oder 0 – 20 Noch-nicht-Erwerbsfähige
16 - 64 oder 21 – 59 Erwerbsfähige
>= 65 oder >= 60 Nicht-mehr-Erwerbsfähige.
Mit dieser formalen Korrektheit ist aber noch nichts über die sachliche Richtigkeit gesagt:
Sind die Altersgrenzen richtig?
Sind die Altersgrenzen sinnvoll?
Sind die Altersgrenzen erstrebenswert?
Und dann natürlich inhaltlich:
Ist der Begriff "erwerbsfähig“, allein über das Alter definiert, sinnvoll?
Aus dieser Alterseinteilung werden folgende Lastquoten gebildet:
Kinder- und Jugendlastquote = (Zahl der Noch-nicht-Erwerbsfähigen) / (Zahl der Erwerbsfähigen)
Altenlastquote = (Zahl der Nicht-mehr-Erwerbsfähigen) / (Zahl der Erwerbsfähigen)
Gesamtlastquote = Kinder- und Jugendlastquote + Altenlastquote
Statt „Altenlastquote“ findet man auch „Quote der Nicht-mehr-Erwerbsfähigen“ und statt „Kinder- und Jugendlastquote“ findet man „Quote der Noch-nicht-Erwerbsfähigen“.
Die Quoten sind dimensionslose Zahlen, die erst bei Kenntnis der Zähler und Nenner, aus denen sie als Quotient hervorgehen, beurteilt werden können. Die Größe einer Quote (Quotient)
Steigt, wenn der Zähler größer wird oder
Der Nenner kleiner wird,
Fällt, wenn der Zähler kleiner wird oder
Der Nenner größer wird.
Die Veränderung der Größe von Zähler und Nenner tritt aber sofort ein, wenn die Grenzen der Altersgruppen verschoben werden oder nicht sauber definiert sind. Dabei führen auch nur geringe Verschiebungen der Altersgrenzen zu deutlichen Änderungen des Quotienten, weil eine Verschiebung einer Altersgrenze stets gleichzeitig.
Zähler erhöhend und Nenner senkend oder
Zähler senkend und Nenner erhöhend
wirkt.
Soweit der Formalismus. Für den einfachen Bürger, der dieses Zahlenspiel nicht kennt, der aber die Auswirkungen um so deutlicher an seinem schrumpfenden verfügbaren Einkommen spürt, ist die Sache sehr viel einfacher und direkter: Wenn ihm durch unser Zwangs-Sozialsystem ein immer größerer Teil seines Einkommens für die Versorgung der Alten abgenommen wird (die Altenlastquote steigt) dann beginnt er an den bisher noch freiwilligen Ausgaben für die Folgegeneration zu sparen (die Kinder- und Jugendlastquote sinkt) und dies tut er vor allem, indem er weniger Kinder hat. Der Bürger versucht also, einem Ansteigen seiner Gesamtlastquote wegen steigender Altenlastquote durch Senken der Kinder- und Jugendlastquote entgegenzuwirken. Dieses Verhalten führt zu einem Absenken der Geburten, und als Folge zwei Jahrzehnte später zu einem erneuten Ansteigen der Gesamtlastquote (denn die Zahl der im erwerbsfähigen Alter stehenden fällt wegen der Geburtenausfälle mit dieser Zeitverzögerung von rund zwei Jahrzehnten) und setzt dadurch dieses Sparspiel erneut in Gang. Das Ergebnis ist einfach: Eine hohe zwangsweise durchgesetzte Altenlastquote führt zu einer Senkung der Geburtenzahlen!
Will man also dieser letzten Endes zum Aussterben einer Bevölkerung führenden Entwicklung gegensteuern, dann muss die Altenlastquote gesenkt werden. Man kann dies erreichen, wie oben gezeigt wurde, indem man den Zähler (die Zahl der Alten) verkleinert. Dazu einige Anmerkungen.
Die Zahl der Alten steigt an und ist so hoch, weil die Sterblichkeit auch und gerade in dieser Altersgruppe gesunken ist. Die einjährigen Sterbewahrscheinlichkeiten sind gesunken (und sinken weiter), weil die Leistungen der Medizin, die medizinische Versorgung sich verbessert hat. Wenn man nun die Leistungen der medizinischen Versorgung absenkt, dann werden die einjährigen Sterbewahrscheinlichkeiten wieder ansteigen, es werden mehr Alte sterben (genauer: die Alten werden früher sterben), es wird daher weniger Alte geben, die Altenlastquote sinkt. Selbstverständlich gibt niemand dies als Ziel seines politischen Handelns an, aber seit Jahren wird das Niveau der medizinischen Versorgung, der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung, abgesenkt, zwar langsam aber kontinuierlich. Die zur Volksberuhigung ausgegebene Behauptung, dass trotzdem „alles medizinisch notwendige“ getan werde, ist wenig überzeugend, denn was ist „medizinisch notwendig“? Mehr als genau dies durften die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nie erbringen, trotzdem aber werden die Leistungen abgesenkt.
Eine andere nicht so makabre und zudem sofort wirkende Maßnahme ist eine einfache Verschiebung der Altersgrenze von 60 oder 65 Jahren auf zum Beispiel 70 Jahre: dann ist die Zahl der Alten (Zähler) um 5 oder 10 Altersjahrgänge kleiner und die Zahl der Erwerbsfähigen (Nenner) um die gleichen 5 oder 10 Altersjahrgänge größer und die Altenlastquote - und mit ihr die Gesamtlastquote - schrumpft deutlich, damit wird dann auch wieder Geld frei, um die Kinder- und Jugendlastquote, das heißt die Zahl der Geburten, zu erhöhen. So ergibt sich langfristig eine bessere Bevölkerungsstruktur, und das Problem entschärft sich weiter.
Betrachten wir die Lastquoten jetzt in Abhängigkeit von der Sterbetafel. Dazu gehen wir von einer Stationären Bevölkerung aus, weil deren Altersstruktur allein von den einjährigen Sterbewahrscheinlichkeiten abhängt. Um der Realität etwas näher zu sein, wird die höhere Wahrscheinlichkeit eines männlichen Geborenen mit dem Faktor 0,515 eingebaut. Die untere Altersgrenze setzen wir auf 20/21 Jahre, für die Obere nehmen wir drei Alternativen an: 59/60, 64/65 und 69/70.
[Tabelle auf dieser Seite nicht darstellbar]
Es ist selbstverständlich, dass die Gesamtlastquote und die Altenlastquote im Besonderen um so kleiner sind, je höher die obere Altersgrenze angesetzt wird. Es ist auch erkennbar, dass die Altenlastquote und in ihrer Folge die Gesamtlastquote zu den jüngeren Sterbetafeln hin ansteigt: Die gesunkene Sterblichkeit auch und gerade in den oberen Altersgruppen ist die Ursache.
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Für das Jahr 1992 sind es die realen Zahlen. Für das Jahr 2012 beruhen die Werte, aus denen sich die Altenlast errechnet noch immer auf den bereits Geborenen, das heißt die größte Fehlerursache aller Prognosen, die Geburtenschätzung, wirkt sich hier noch nicht aus. Die Zahlen für die weiteren Jahre werden zunehmend von der Geburtenschätzung beeinflusst.
Vergleicht man nun die Zahlen für die reale Bevölkerung und ihre Prognose mit den Werten des künstlichen Modells einer Stationären Bevölkerung, dann fällt einmal auf, dass die Gesamtlast der realen Bevölkerung die Werte der Modellbevölkerung nie erreicht, dass aber die Altenlast irgendwann nach 2010 die Altenlast der Modellbevölkerung übersteigen wird. Nicht die Last an sich ist zu hoch, zumal sie durch Änderung der oberen Altersgrenze sofort und deutlich gesenkt werden könnte, sondern die Verteilung der Last ist falsch. Solange die Last der Alten durch Einsparungen bei der Reproduktion finanziert wird, gibt es für die Bevölkerung keine Rettung.
Anmerkung. Hier wurde bisher zwar von der "Last der Erwerbstätigen" gesprochen, es wurden aber einfach die Zahlen der Bevölkerungsstatistik benutzt, es hätte also genauer von der "Last, der im erwerbsfähigen Alter stehenden" gesprochen werden müssen, denn nicht jeder, im wie auch immer definierten "Alter der Erwerbsfähigen", ist auch erwerbstätig.
Wenn wir also wieder von der "Last der Erwerbstätigen" sprechen wollen, dann müssen wir deren Zahl erst ermitteln oder doch wenigstens abschätzen. Sicher ist eins: Die Zahl der tatsächlich Erwerbstätigen ist geringer als die Zahl der im erwerbsfähigen Alter stehenden.
Von der Zahl der im erwerbsfähigen Alter stehenden müssen wir also mindestens abziehen:
Die Zahl der offiziell Arbeitslosen (z.Z. um drei Millionen)
Die Zahl der heimlich Arbeitslosen; dies sind die Arbeitslosen, die durch irgendwelche Maßnahmen der Arbeitsämter (zum Beispiel Fortbildung) aus der offiziellen Statistik herausfallen aber vor allem die, die zwar gerne arbeiten würden, sich aber aus irgendeinem Grund nicht beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet haben (und deren Zahl wird noch einmal auf ein bis zwei Millionen geschätzt)
Die Zahl der zeitweilig Kranken
Die Zahl derer, die, egal warum, nicht arbeiten können oder wollen.
Als Folge dieser notwendigen Korrekturen erhöht sich die Lastquote erheblich.
Diese Korrekturen sind um so notwendiger, je enger die Finanzierung der Renten an die Erwerbstätigkeit gebunden ist, so wie es bei uns derzeit durch den Rentenversicherungsbeitrag, berechnet auf das Einkommen der nichtselbständigen Erwerbstätigen geschieht. Eine andere Art der Finanzierung, zum Beispiel ein Zuschlag auf die Mehrwertsteuer, würde diese Korrekturen nicht erforderlich machen.
5.2 Lastquote in Geld
Die Lastquote bezieht sich allein auf die Anzahl der Personen. Die Last in Geld ausgedrückt ist aber das Produkt aus der Anzahl der Personen einer Gruppe und dem durchschnittlichen Geldaufwand für eine dieser Personen. Ein solches Produkt kann nun auch anwachsen, wenn der eine Faktor konstant bleibt oder sogar fällt, wenn nur der andere Faktor entsprechend stärker steigt. Praktisch bedeutet dies: Werden die Ausgaben für den einzelnen Rentner gesenkt, dann sinkt auch bei konstanter Rentnerzahl die Altenlast, jetzt aber in Währungseinheiten ausgedrückt. Man kann also die Gesamtlast, jedenfalls so weit es um Geld geht, auch dadurch senken, dass die durchschnittlichen Ausgaben je Lastverursacher (Alter, Kind) gesenkt werden. Die heutigen Bemühungen, die Renten zu senken, laufen auf diese Art der Entlastung hin.
Der einzelne Bürger kann seine individuelle Belastung in Geld sehr entscheidend beeinflussen. Dazu folgende Überlegung: Die Zwangsabgaben durch Steuer und Beiträge, die zum Teil zur Deckung der Kosten für Alte sowie Kinder und Jugendliche verwendet werden, treffen ihn weitgehend unabhängig von seinen individuellen persönlichen Verhältnissen.
Jeder hat Eltern, ob diese Eltern auch zu einer besonderen Belastung werden, hängt von vielen Dingen ab, zum Beispiel:
Deren Tod (mit dem Tod endet auch jede mögliche Belastung),
Pflegebedürftigkeit (die Pflegeversicherung gibt bestenfalls Geld; die durch persönliche Pflege, früher die Norm, entstehende Belastung bleibt),
Allgemeiner Unterhalt: reichen die Renteneinkünfte der Eltern, um davon leben zu können oder muss der Unterhaltsverpflichtete (jetzt das Kind!) zuzahlen? Um so größer und umfangreicher die Leistungen der Gemeinschaft in Form von Rente, Pflegegeld, Altersheim usw. werden, um so mehr kann sich der einzelne Bürger seiner individuellen Unterhaltspflicht entziehen.
Am anderen Ende, der Last der Folgegeneration, sind die Freiheiten des einzelnen Bürgers viel größer. Wer keine Kinder hat, oder sich den Unterhaltsverpflichtungen erfolgreich entzieht (zum Beispiel durch erfolgreiche Abwehr einer Vaterschaftsklage) der hat hierfür auch keine Lasten zu tragen. Die aber, die für Nachkommen sorgen und diese auch aufziehen, sind neben den allgemeinen Belastungen auch noch mit den individuellen Lasten eines Kindes beladen. Diese Lasten werden keineswegs durch die vom Staat gewährten Zahlungen ausgeglichen, denn einmal ist dies eben nur Geld, und zwar auch nicht annähernd in der Höhe der Kosten, und zum anderen ist dieser Aufwand eine persönliche Dienstleistung am Kind und an diesem Teil der Last beteiligt sich die Gemeinschaft gar nicht. Die Kinderlosen sind hier also eindeutig im Vorteil, jedenfalls so lange, wie sie sich, ohne an der Last für die Folgegeneration selbst beteiligen zu müssen, später den Vorteil von eben dieser Folgegeneration unterhalten zu werden, nutzen können. Genaugenommen findet hier ein Schmarotzerleben der Kinderlosen auf Kosten der Kinder-habenden statt.
5.3 Zusammenfassung
Bei gegebener Bevölkerungsstruktur bestimmt das Renteneintrittsalter die Altenlastquote oder umgekehrt: Die als erträglich angesehene Altenlastquote bestimmt das früheste Renteneintrittsalter.
01.10.2012
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen
Hinweis: Tabellen sowie Hoch- und Tiefstellungen sind in dieser Seite nicht (korrekt) darstellbar.
Unter Verwendung des Buches von Hermann Müller: „Rente – Grundlagen einer allgemeinen Altersversorgung“. Das Manuskript ist bei www.querkopp-mue.de abrufbar.