Kommunalfusionen in Südniedersachsen Teile 4 Kommunalfusion – organisatorisch und rechtlich
Kommunalfusion – organisatorisch und rechtlich.
Das am 17. Dezember 2010 verabschiedete NkomVG (Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz) regelt in „Dritter Teil: Gebiete“ mit den Paragraphen 23 bis 27 diesen Themenbereich, Paragraph 25 „Verfahren bei Gebietsänderungen“ regelt mit seinen fünf Absätzen dabei auf einer knappen Seite das Verfahren, auch eben die mögliche Fusion, freiwillig oder erzwungen.
Der Organisator muss bei einer Kommunalfusion, egal ob auf Kreis- oder Gemeindeebene vier Mitspieler betrachten:
Bürgermeister / Landrat
Gemeinderat / Kreistag
Mitarbeiter der jeweiligen Kommune
Bürger der jeweiligen Kommune.
Beginnen wir mit dem Bürger. Entgegen den Erwartungen und/oder Befürchtungen der Akteure verhalten sich die Bürger völlig neutral. Sie haben keine emotionale Bindung an ihre politische Gemeinde und noch viel weniger an ihren Landkreis. Zu einer im Fusionsverfahren relevanten Kraft – etwa durch eine Flut von Leserbriefen an Zeitungen, Protestschreiben oder gar Protestaktionen, Demonstrationen wird es nicht kommen, solange die Bürger nicht von irgendeiner interessierten Seite emotional aufgeladen werden. Dabei ist es egal, ob diese emotionale Bewegung durch Sachinformationen oder durch bewusste Demagogie erreicht wird. Der Bürgerprotest wird sich immer gegen die Veränderung, im Fall der Fusion also immer gegen die Fusion richten. Ein Protest gegen den bestehenden Zustand könnte jederzeit entstehen und bräuchte nicht die Fusion als Anlass.
Je weniger der Bürger von der Planung und Durchführung vor der endgültigen Entscheidung von der Fusion erfährt, um so weniger Widerstand ist vom Bürger zu erwarten. Auch eine Protestbewegung braucht eine Anlaufzeit, fehlt diese, wird der Bürger ohne Vorwarnung mit dem Vollzug und der Entscheidung überrascht, tut sich nicht mehr viel – es ist ja alles entschieden und nichts mehr zu ändern.
Daraus ergibt sich die aus den alten Gesetzen NGO und NLO ins NkomVG übernommene Vorschrift:
„Vor jeder Gebietsänderung von Gemeinden oder gemeindefreien Gebieten durch Vereinbarung oder Gesetz sind der Einwohnerinnen und Einwohner anzuhören.“ (Paragraph 25 Absatz 4 Satz 1 NKomVG)
Der Bürger ist an allen Fusionen der Landkreise nicht beteiligt, denn das Gesetz spricht ausdrücklich hier nur von „Gemeinden“ und nicht von „Kommunen“, im Begriff „Kommune“ sind sowohl Gemeinden als Landkreise inbegriffen.
Der Bürger ist bei Gemeindefusionen lediglich „anzuhören“, nicht aber zu unterrichten, zu informieren, er hat kein Votum abzugeben, es gibt keine Abstimmungen, keine Befragungen. Und „anhören“ bedeutet nach Auffassung der Juristen: Da wird jemand die Möglichkeit gegeben, irgendetwas daher zu schwätzen, aber niemand ist gezwungen, zuzuhören und schon gar nicht, sich in seinem Handeln danach zu richten. Wie das „Anhören“ in der Praxis aussieht, wurde gerade bei der Fusion Kreiensen mit Einbeck vorgeführt: In Kreiensen gab es verteilt über das Gemeindegebiet drei Bürgerversammlungen, das fast viermal größere Einbeck begnügte sich mit einer Versammlung.
Die Mitarbeiter haben ein dreifaches Interesse:
Wo ist örtlich der Arbeitsplatz?
Welche Arbeit soll verrichtet werden?
Bleibt der Arbeitsvertrag bestehen?
Die Mitarbeiter sind bezüglich des Ortes der Dienstleistung weisungsabhängig. Ein Verlegen des (Büro-)Arbeitsplatzes an eine beliebige Stelle der Gemeinde, gleich aus welchem Grund, hat der Mitarbeiter hinzunehmen. Und wenn dieser Ort außerhalb der (jetzigen) Gemeinde im Rathaus der Nachbargemeinde liegt, geht das auch noch.
Auch bezüglich der Arbeit (Aufgabe) an sich ist der Mitarbeiter weitgehend weisungsabhängig. Hier gibt es viel eher Probleme, je höher der Mitarbeiter in der Hierarchie gestellt ist, um so mehr. Mit etwas gutem Willen sind aber auch diese Probleme zu lösen.
Bleibt der Arbeitsvertrag. Im öffentlichen Dienst sind „betriebsbedingte Kündigungen“ nicht üblich – aber rechtlich möglich. Wer sich Ärger ersparen will, kommt erst gar nicht auf diese Idee. Die gewollten Stellenstreichungen als Synergieeffekt jeder Fusion werden durch die normale Fluktuation erreicht: Stellen ausscheidender Mitarbeiter werden nicht mehr besetzt. Auf diese Weise können jährlich zwei bis fünf Prozent der Stellen ohne Kündigungen und Arbeitsprozesse eingespart werden.
Bei halbwegs vernünftiger Handhabung gibt es also bei einer Kommunalfusion keine unlösbaren Probleme im Personalbereich.
Bürgermeister und Landräte werden direkt vom Bürger für die Dauer von acht Jahren gewählt, sie sind „Beamte auf Zeit“.Wer einen solchen nicht schlecht bezahlten Posten ergattert hat, gibt ihn nicht freiwillig wieder her. Bürgermeister und Landräte im Amt, die auch noch wiedergewählt werden wollen, sind ein erhebliches Hindernis bei allen Fusionsbemühungen. Auch im vorliegenden Fall der Fusion Kreiensen und Einbeck wurde dies erst möglich, als der Bürgermeister von Kreiensen in den vorzeitigen Ruhestand gehen und darum nicht mehr kandidieren wollte. Genauso ist es mit den Fusionsabsichten im Landkreis Northeim.
Die amtierenden und weiter amtieren-wollenden Bürgermeister und Landräte vermischen, verwechseln ihre eigenen persönlichen Vorteile mit dem Wohl ihrer Gemeinde, ihres Kreises und vor allem ihrer Bürger. So schreien und klagen sie gern und ausgiebig, wenn es an ihr Amt geht (und dumme Richter folgen ihnen). Da hat sich das Land Niedersachsen in dem neuen NkomVG in Paragraph 80 (rechtskräftig ab dem 24. Dezember 2010) etwas einfallen lassen: Man schenkt den amtierenden Personen noch zwei oder sogar drei Jahre ungewähltes Weiterwalten, wenn sie dafür eine Fusion durchführen oder doch mindestens vorbereiten. Und diese jede Demokratie aushebelnde Taktik hat in Kreiensen und im Landkreis Northeim gewirkt.
So weit sind wir also schon. Ein wesentliches Grundrecht der Demokratie, das Wahlrecht, wird geopfert, um ein paar Gemeindefusionen ohne Klagen und Gerichtsverfahren, scheinbar freiwillig, durchzuführen!
31.10.2011
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen