Lamas machen glücklich
Tiergestützte Aktionen stärken Jugendliche mit Behinderung
Niklas ist in seinem Element, wenn er Merlin, das dunkelbraune Lama mit der hellen Mähne durch den Parcour der Lamaranch führt. Er hält die Leine sicher mit der Rechten, um das Lama führen zu können und hat den Blick aufmerksam auf das Tier gerichtet. Merlin macht durchaus einen munteren Eindruck, scheint Niklas aber keineswegs zu überfordern: Für den 17-jährigen ist das selbständige Führen ein toller Erfolg, auf den er stolz ist. Das breite Lächeln in seinem Gesicht zeigt, dass er sich im Umgang mit dem Lama wohlfühlt: Respekt ja, Angst nein.
„Die Tiere spüren, was Menschen brauchen“, sagt Petra Kupke, Ergotherapeutin. Gemeinsam mit einigen Kolleginnen betreut sie die interdisziplinär tiergestützte Aktion der Heilpädagogischen Tagesstätte im Fritz-Felsenstein-Haus. Regelmäßig kommen sie mit fünf bis sechs Kindern und Jugendlichen auf die Lamaranch der Familie Kirchner in Langeringen. Der Kontakt mit den Tieren wirkt auf die Jugendlichen, die ihr Leben mit unterschiedlichen Körperbehinderungen meistern, ausgleichend. Niklas ist offen und unkompliziert, diese Eigenschaften haben sich durch den Umgang mit den Tieren auch im Alltag gestärkt. Nadine hingegen, eher schüchtern und zurückhaltend, ist stolz darauf, gezielt mit Lamas kommunizieren zu können: Mittlerweile befolgt Tarek ihre Kommandos – auch wenn sie sich das selbständige Führen noch nicht zutraut. Deshalb wird sie von ihrer Betreuerin begleitet, wenn es heißt, in der Karawane rund um den Lamahof zu wandern. Dass es den beiden Spaß macht, ist leicht zu erkennen.
Positive Erfahrungen
Die Schüler halten sich in einem naturbelassenen Gelände auf, der unterschiedliche Möglichkeiten bietet: Auf der Wiese, dem Futterplatz und im Unterstand für die Tiere haben sie Gelegenheit, die Lamas zu streicheln, zu pflegen, beim Füttern und Führen mit ihnen in Kontakt zu treten oder sie einfach nur zu beobachten. Das Gelände ist für Menschen mit Körperbehinderungen mitunter eine große Herausforderung und so kommt mancher Rollifahrer hier an seine Grenzen. Doch die Begegnung mit den Lamas soll, so gut es geht, in deren natürlichem Lebensraum stattfinden – allein das schon ist ein besonderes Erlebnis für die Kinder und Jugendlichen.
Lamas eignen sich besonders gut für die tiergestützte Arbeit mit behinderten Menschen. Sie stammen ursprünglich aus Südamerika und sind mit Kamelen und Dromedaren verwandt. Ihr ausgeglichener, genügsamer Charakter strahlt Ruhe aus und ihr sympathisches Aussehen ermuntert auch ängstliche Menschen zur Kontaktaufnahme. Spuckende Lamas gibt es übrigens nur sehr selten, meist richtet sich dieses Verhalten gegen Artgenossen.
Spendenfinanzierte Aktionen
Für die Heilpädagogische Tagesstätte gehört die tiergestützte Arbeit mit den Jugendlichen und Kindern seit 2013 zum Förderkonzept. Neben dem Lamaprojekt finden auch immer wieder Aktionen mit Hunden statt. „Der Umgang mit Tieren stärkt die Selbstsicherheit unserer Kinder und Jugendlichen, verbessert die Sensomotorik und Kommunikationsfähigkeit und setzt tolle Entwicklungsimpulse, deren positive Wirkung wir im täglichen Miteinander erleben“, erklärt Sylvia Reichart, die Leiterin der Tagesstätte. Zudem bewerten Tiere nicht, die Körperbehinderung der Schüler spielt keine Rolle – auch das ist eine sehr befreiende Erfahrung für die Schüler.
Das Fritz-Felsenstein-Haus finanziert diese Angebote aus seinem Spendentopf. Für einen Nachmittag auf der Lamaranch fallen rund 130,- € für Pflege und Futter der Tiere an. Fahrtkosten und erhöhter Personalaufwand nicht mitgerechnet. Demnächst findet das „Lamaprojekt intensiv“ statt: Innerhalb von drei Wochen wird eine HPT-Gruppe drei Nachmittage auf der Lamaranch verbringen, um den Kontakt zu den Tieren zu vertiefen. Im nächsten Jahr sollen weitere Projekte stattfinden – vorausgesetzt, es sind ausreichend Spendenmittel vorhanden.