„Wir haben eine breite mittelständische und erfolgreiche Unternehmensstruktur“: Ein Interview mit Robert Linse
Robert Linse ist bei der Stadt Königsbrunn für die Wirtschaftsförderung zuständig. In dieser Eigenschaft kümmert er sich um die Bereiche Gewerbeansiedlung, Standortberatung und Wirtschaftsförderwesen. myheimat unterhielt sich mit Robert Linse über die Glaubwürdigkeit aktueller Wachstumsprognosen, die Bedeutung des Gewerbegebietes Königsbrunn Nord für die Stadt und eine vorausschauende Gewerbepolitik.
myheimat: Herr Linse, nach Jahren der Krise scheint deutschlandweit ein stabiler Aufschwung in Sicht. Trauen Sie den optimistischen Wachstumsprognosen der Konjunkturforscher oder bleiben Sie skeptisch?
Robert Linse: Es war wohl für uns alle eine große und positive Überraschung, wie schnell diese Krise mit all ihren Extremen scheinbar bewältigt wurde. Ich glaube aber, zumal hier „nur“ eine Immobilien- und Finanzmarktblase geplatzt ist und vermutlich noch einige derartige Blasen weltweit existieren, dass das Ganze in seiner Komplexität noch nicht ausgestanden ist. Man kann nur hoffen, dass die Welt daraus gelernt hat, wachsamer wurde und nun rechtzeitiger die Weichen zur Vermeidung solcher Eskalationen stellt. Die Politik und die Unternehmen in Deutschland haben aus meiner Sicht das einzig Richtige getan und z.B. über die Kurzarbeiterregelung die Erfahrung in den Betrieben und die Menschen in Arbeit gelassen. Dies zahlt sich nun in vieler Hinsicht aus. Deutschland ist jetzt der Motor Europas. Durch die globalen Verflechtungen entstehen aber auch sehr viele Abhängigkeiten, die nur bedingt beeinflussbar sind. Insofern freuen wir uns, dass es wieder nach oben geht, auch wenn das Tempo etwas moderater werden wird.
myheimat: Die Gewerbesteuereinnahmen sind eine zentrale Einnahmequelle der Kommunen. Manche Politiker forderten ihre Abschaffung. Welche Rolle spielen die Gewerbesteuereinnahmen für die Stadt Königsbrunn?
Robert Linse: Die Gewerbesteuer ist für die Stadt Königsbrunn nach der Einkommensteuerbeteiligung die zweitwichtigste Einnahmenquelle. Hieraus wird der Großteil der Leistungen der Stadt finanziert, was unmittelbare Auswirkungen auf die Attraktivität und den Wohlfühlcharakter einer Kommune hat und wo Königsbrunn ein hohes Niveau erreicht hat. Eine Abschaffung oder einen vergleichbaren finanziellen Ausgleich sehe ich gerade für Königsbrunn als kritisch an. Wir haben eine breite mittelständische und erfolgreiche Unternehmensstruktur, bei der oftmals der Eigentümer der in der Firma sitzende Geschäftsführer ist. Dessen ureigenes Interesse ist die langfristige Stabilität und der Erfolg seines Betriebes. Dies wirkt entsprechend auf die Kommune und verleiht ihr eben diese Stabilität und Planungssicherheit. In Kommunen, die eine andere Struktur haben, mag es stark volatile oder geringe Einnahmen geben, was bei denen natürlich zu dem Ruf nach Veränderungen führt.
myheimat: Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang das Gewerbegebiet Königsbrunn Nord?
Robert Linse: Das Gebiet spielte eine zentrale Rolle bei der Entwicklung vom längsten Straßendorf zur größten Kommune des Landkreises Augsburg mit mittlerweile fast 28.000 Einwohnern. Es ist anfangs der 60er Jahre auf einer Fläche von rund 90 Hektar entstanden. Eine lange Reihe von Betrieben siedelte sich hier an und trug und trägt zum Wohlstand der Stadt bei. Wir haben hier einen Mix aus produzierenden Unternehmen, Handwerkern, Dienstleistern und am augenfälligsten natürlich die Vielzahl von Einzelhandelsbetrieben, die fast alles für den täglichen Bedarf anbieten; und zwar auf kurzen Wegen und bei tausenden kostenlosen Parkplätzen.
myheimat: Das Kennzeichen einer effektiven Standortpolitik ist eine vorausschauende Gewerbepolitik. Als Stichwörter seien hier eine vernünftige Flächenbevorratung, günstige Hebesätze für die Gewerbesteuer und eine gute Verkehrsinfrastruktur genannt. Wie schneidet Königsbrunn bei den genannten Faktoren ab?
Robert Linse: Königsbrunn ist nach Einwohnern die größte Stadt im Landkreis, nach Fläche gesehen aber eher eine der kleineren. Dies führt dazu, dass der Flächenverbrauch mittlerweile restriktiv gehandhabt werden muss. Dennoch erfolgt natürlich eine gewisse Bevorratung und zwar durch die städtische Gesellschaft für Wohnungsbau und Gewerbeansiedlung, die GWG.
Der Hebesatz wurde vor einigen Jahren durch die Stadt gegen den Trend sogar um 15 Punkte gesenkt und ist jetzt bei 350. Damit liegen wir gut im Bereich von vergleichbaren Städten. Erstklassig ist Königsbrunn insbesondere bei den weichen Standortfaktoren wie Schulen, Erholung, Freizeit und anderen, aber eben auch bei der Infrastruktur. Klare und gut ausgebaute Straßen innerhalb der Stadt und auch die direkte Lage and der B 17 neu führen hierzu. Überregional ist man innerhalb kürzester Zeit an den Autobahnen A8 und A96, bzw. den Flughäfen München, Augsburg oder Memmingen.
myheimat: Was macht das Gewerbegebiet Königsbrunn Nord aus Ihrer Sicht so attraktiv?
Robert Linse: Eine Vielzahl von Punkten, wobei die wichtigsten sicherlich der breite Branchenmix, die gute Erreichbarkeit, die kurzen Wege und die vielen kostenlosen Parkplätze sind. Für die Firmen sehe ich zusätzlich das große Kundenpotential auch durch die Lage neben Haunstetten, die Synergieeffekte mit anderen ansässigen Betrieben und die günstigen Flächen- und Ressourcenpreise.
myheimat: Jüngst haben eine neue LIDL- und eine FRISTO-Filiale im Gewerbegebiet Nord neu eröffnet. Inwieweit ergänzen diese Unternehmen das bestehende Angebot sinnvoll?
Robert Linse: Bei beiden Unternehmen handelt es sich nicht um Neuansiedlungen, sondern um reine Neubauten. Die Waren werden in einem noch attraktiveren Umfeld noch besser präsentiert und dabei das Angebot etwas ausgeweitet. Die Entscheidung hier weiterhin präsent zu bleiben und zu investieren ist ein positives Zeichen für die Attraktivität des Standortes Königsbrunn Nord.
myheimat: Deutschlandweit lässt sich ein Trend beobachten. Die Tendenz geht zur Verlagerung großflächiger Einzelhandelsbetriebe auf die „grüne Wiese“. Was kann die Politik bzw. Stadtverwaltung tun, damit sich attraktive Gewerbegebiete am Stadtrand und vitale wirtschaftlich starke Stadtzentren sinnvoll ergänzen und nicht in Konkurrenz zueinander stehen?
Robert Linse: Auslöser für diesen Trend ist das Kaufverhalten der Kunden. Die meisten von uns erledigen doch ihren Wocheneinkauf mit dem Auto und wollen gute Qualität günstig. Ein breiteres Sortiment lässt sich bei geringeren Fixkosten günstiger anbieten. Große Flächen sind im Kern der Städte beschränkt und erheblich teurer, was ebenfalls zwangsläufig zu höheren Preisen führt. Dennoch ist es schade zu beobachten, wie die Angebote in den Innenstädten ausgedünnt werden. Ein gesunder Ausgleich wäre hier wichtig. Es ist deshalb ein Ansatz, die großen Lebensmittel- und Baumärkte mit hoher Verkehrsfrequenz etwas außerhalb, aber nicht auf einer entfernten grünen Wiese, anzusiedeln, wobei die innerstädtische Ergänzung mit kleinen bis mittleren Nahversorgern essentiell ist. Gleichzeitig könnten alle weiteren Einzelhandelsbetriebe, bei denen nicht unbedingt ein PKW zum Abtransport der gekauften Waren nötig ist, sich dann im Zentrum arrangieren. Die Politik kann Rahmenbedingungen vorgeben, regeln wird das letztendlich aber nur das Kaufverhalten der Kunden.
myheimat: Herr Linse, vielen Dank für dieses Gespräch.