"Die Frage der Kundenansprache ist essentiell"
Ein Interview mit Michael Vogt (Wirtschaftsförderung der Stadt Königsbrunn)
myheimat: Herr Vogt, seit Anfang Juli 2024 sind Sie der neue Wirtschaftsförderer in der Königsbrunner Stadtverwaltung. Sie haben Politikwissenschaft und Geschichte studiert. Was hat Sie an der Königsbrunner Stellenausschreibung gereizt?
Vogt: Die Stelle verbindet Stadtmarketing und Citymanagement mit klassischer Wirtschaftsförderung, also der Bestandspflege von ortsansässigen Unternehmen, Gründungsförderung und Standortvermarktung. Genau darin liegt eine große Chance: Themenstellungen werden nicht einzeln und getrennt betrachtet, sondern können interdisziplinär angepackt werden. Spannend sind besonders die vielseitigen und branchenübergreifenden Kontakte zu den Gewerbetreibenden, vom Einzelhändler bis zum Betrieb mit 100 Mitarbeitenden. Die Möglichkeit, mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Verwaltung, mit dem Stadtrat sowie mit den Unternehmen den Standort weiterzuentwickeln ist eine äußerst reizvolle und verantwortungsvolle Aufgabe.
myheimat: Wie konnten Sie die ersten Wochen und Monate in Königsbrunn nutzen, um Kontakte mit Unternehmen, Gewerbetreibenden und Geschäftsleuten aufzubauen?
Vogt: Die Kontaktaufnahme und zunehmend die Kontaktpflege erfolgen auf mehreren Ebenen. Da sind zum einen die Gewerbetreibenden entlang der neu gestalteten Bgm.-Wohlfarth-Straße im Zentrum. Bei den allermeisten konnte ich mich initiativ persönlich vorstellen, indem ich das Ladengeschäft aufgesucht habe und so der erste Kontakt hergestellt wurde. Daneben ist es mir wichtig, im Rahmen von Firmenbesuchen die Unternehmen in den Gewerbegebieten Nord und Süd kennenzulernen. Auch hierfür plane ich regelmäßig Zeiten ein, um vor Ort ins Gespräch zu kommen. Darüber hinaus sind Netzwerkveranstaltungen wichtige Formate, um themen- oder anlassbezogen Unternehmerinnen und Unternehmer kennenzulernen. Hervorheben möchte ich hier das Herbstfeuer des BDS – Gewerbeverband Königsbrunn, bei dem ich mich den Mitgliedern vorstellen durfte, sowie den Auftakt von Deine Stadt! Dein Business!, einem neuen Veranstaltungsformat der Wirtschaftsförderung, welches sich gezielt an Gründungsinteressierte und frisch Gegründete richtet. Nicht zu unterschätzen sind konkrete Anfragen von Gewerbetreibenden an die Wirtschaftsförderung, worüber auch schon wertvolle Kontakte geknüpft werden konnten.
myheimat: Besteht schon ein Kontakt zum BDS Gewerbeverband Königsbrunn?
Vogt: Gemeinsam mit dem BDS-Gewerbeverband Königsbrunn haben wir im November eine Informationsveranstaltung zum Thema Existenzgründung durch Unternehmensnachfolge organisiert. Die gute Resonanz auf diese Veranstaltung zeigt, dass wir diese Form der Kooperation unbedingt weiterführen müssen. Der BDS ist ein starker Partner und wichtiger Impulsgeber für die Belange der Selbstständigen.
myheimat: Welche besonderen Potentiale birgt der Wirtschaftsstandort Königsbrunn aus Ihrer Sicht?
Vogt: Königsbrunn ist geprägt von einer gewachsenen Struktur mit vielen familiengeführten kleinen und mittleren Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen. Dies macht den Standort resilienter gegenüber wirtschaftlichen Krisen. Im Gespräch mit Unternehmerinnen und Unternehmern wird immer wieder spürbar, dass die Firmen eine hohe Bindung zum Standort haben. Hier geht es viel um Vertrauen, um Verlässlichkeit der Verwaltung und um eine gute Bestandspflege.
Daneben existieren vielversprechende Gründungen im Bereich der IT, der Logistik und der Robotik. Diese Startups benötigen gute Rahmenbedingungen, um vor Ort wachsen und Arbeitsplätze schaffen zu können.
Die räumliche Nähe zu den beiden Universitäten, dem Universitätsklinikum und dem Augsburg Innovationspark ist zudem eine wichtige Ressource was Fachkräfte, Vernetzung und Wissenstransfer anbelangt. Hier bietet sich Königsbrunn langfristig die Chance, von den Kompetenzfeldern Gesundheitsökonomie, Luft- und Raumfahrt sowie Mechatronik und Automation zu profitieren und gleichzeitig eigene Akzente zu setzen.
myheimat: Königsbrunn galt im 19. Jahrhundert als „längstes Straßendorf“ Bayerns. Die Bebauung vollzog sich über längere Zeit fast ausschließlich entlang der Hauptstraße. Nun wird diese zentrale Achse neu gestaltet und die Bürgermeister-Wohlfarth-Straße bekommt ein neues Gesicht. Inwieweit kann die Königsbrunner Geschäftswelt und der innerstädtische Einzelhandel von dieser Entwicklung profitieren?
Vogt: Die gelungene Neugestaltung der Bürgermeister-Wohlfarth-Straße ist mit ein zentraler Baustein hin zu einer frischen Urbanität im Herzen Königsbrunns. Dazu gehören auch das 2023 eingeweihte Bürgerservicezentrum und die Planungen für den Europaplatz mit dem Europahaus. Öffentliche Einrichtungen wie eine Stadtbücherei oder ein Bürgerservicezentrum sind als Frequenzbringer durch ein hohes Kundenaufkommen nicht zu unterschätzen. Perspektivisch wird das künftige Forum als Tagungs-, Begegnungs- und musealer Erlebnisort auch für die Gastronomie und die Hotellerie wichtige Umsätze generieren.
Wochenmärkte erfahren zudem seit Corona und das stärkere Bewusstsein der Menschen für Regionalität und Originalität eine neue Bedeutung in Innenstädten. In Summe kommt es auf eine gelungene Mischung aus baulichen Aspekten, städtischen Attraktionen und Veranstaltungen sowie einem breiten gastronomischen Mix an, um Menschen neugierig auf ihre Stadt zu machen. Mit dem Pop-up Königsbrunner Weihnachtsfenster und den weihnachtlichen Fotopoints an wechselnden Standorten im Zentrum starten wir in diesem Jahr erste Angebote zum Mitmachen. Wenn es gemeinsam gelingt, die 800m lange Straße zwischen den Kreisverkehren Nord und Süd als einen Ort zu verstehen, an dem sich das Leben abspielt, dann wird aus dem einstmals „längsten Straßendorf“ die Stadt mit der längsten Bühne Bayerns.
myheimat: Viele Wirtschaftsexperten raten lokalen Händlern schon seit Jahren dazu, auf ein sogenanntes Multichannel-System zu setzen – also die Verbindung von Online- und Offline-Verkaufskanälen. Dazu zählen unter anderem eine eigene Webseite, Social Media, E-Commerce durch einen eigenen Online-Shop, digitale Marktplätze sowie Versandlogistik. Was können Sie von Seiten der Wirtschaftsförderung tun, um den stationären Handel auf diesem Weg zu unterstützen und zu begleiten?
Vogt: Die Frage der Kundenansprache ist essentiell. Egal, ob ich einen kleinen inhabergeführten Laden habe oder Teil einer großen Kette bin. Ganz grundsätzlich gilt, bevor man analoge oder digitale Marketingaktivitäten startet, kenne deine Zielgruppen. Ich benötige zuerst einmal eine genaue Vorstellung davon, welche Ziele und Bedürfnisse meine Kunden haben. Erst dann kann ich mein Produktangebot werbetechnisch darauf anpassen. Als Teil einer Kette bzw. als Franchisenehmer tut man sich in der Regel hierbei leichter, da die Marke bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad besitzt und auf ein professionelles Markenmanagement des Unternehmens zurückgegriffen werden kann.
Für inhabergeführte Geschäfte liegt die Herausforderung oftmals in den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Schafft man es zeitlich, personell und finanziell, neben dem Beratungsgeschäft vor Ort noch einen Online-Shop aufzubauen und den Inhalt dann auch zu pflegen. Sicherlich gibt es dafür einen professionellen Dienstleistungsmarkt. Aber auch hierfür muss man investieren und darf die Logistik dahinter nicht unterschätzen.
Ein Multichannel-Ansatz passt auch nicht zu jedem Ladenkonzept. Viele kleinere Läden haben eine feste Stammkundschaft und leben von der klassischen Mund-zu-Mund-Empfehlung. Bei den größeren Geschäften, gerade im Modebereich geht der Trend seit einiger Zeit in Richtung stationären Verkaufsraum mit großen Bildschirmen, welche man im Laden interaktiv bedienen und sich die ausgewählten Produkte dann nach Hause liefern lassen kann. Dieses Konzept beabsichtigt, das reale Einkaufsgefühl mit einem niederschwelligen Online-Shopping-Angebot zu verknüpfen.
Was in der analogen Verkaufswelt gut funktioniert und für viele stationäre Einzelhändler eine Überlegung Wert sein sollte, ist die Aufteilung der Ladenfläche in verschiedene Nutzungsräume. Bedeutet, ich biete neben meinem klassischen Sortiment auf einer bestimmten Fläche zum Beispiel ein kleines gastronomisches Angebot an. Dadurch steigt die Verweildauer im Geschäft und die Kaufbereitschaft. Oder ich kooperiere mit einem Partner, der auf einem Teil der Ladenfläche seine Produkte anbietet, was wiederum ganz neue Kunden in mein Geschäft anzieht. Hier sind Kreativität und Mut zum Ausprobieren gefragt. Und die Ladenfläche muss das natürlich auch hergeben.
Was häufig unterschätzt wird und wo mit wenig Aufwand viel Wirkung erzielt werden kann, ist die ansprechende Gestaltung der Schaufensterfläche. Das eigene Schaufenster ist mit die wichtigste Werbefläche.
Die Rolle der Wirtschaftsförderung liegt vor allem in der Sensibilisierung für bestimmte Trends und Entwicklungen sowie in einem engen Austausch mit den Gewerbetreibenden und den Immobilieneigentümern.
myheimat: In den Gewerbegebieten Nord und Süd haben sich leistungsstarke Firmen und Unternehmen angesiedelt, die für die Wirtschaftskraft der Stadt Königsbrunn eine große Bedeutung haben. Im Süden Königsbrunns, auf dem Areal des Kieswerks an der Landsberger Straße, könnte ebenfalls ein Industrie- und Gewerbegebiet entstehen. Der Stadtrat stellte im Frühjahr die Weichen dafür. Was halten Sie von diesen Plänen?
Vogt: Der Stadtrat hat hierzu den Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan gefasst. Die Planungen stehen noch am Anfang. Die vorgesehenen Flächen befinden sich im Privatbesitz und werden derzeit vorwiegend zum Kiesabbau genutzt. Die Wirtschaftsförderung begrüßt dieses Vorhaben auf private Initiative hin. Flächen sind ein hohes und knappes Gut. Es muss allerdings perspektivisch möglich sein, neue Gewerbeflächen zu entwickeln, um Unternehmen im Bestand aber auch Neuansiedlungen ein Angebot machen zu können. Nachverdichtungen und Umbauten sind wichtig, reichen in bestimmten Fällen aber nicht immer aus.
myheimat: Welche thematischen Schwerpunkte wollen Sie in den nächsten Jahren setzen? Welche Bereiche haben für Sie oberste Priorität?
Vogt: Ein wichtiges Anliegen ist die Vernetzung der Gewerbetreibenden in den beiden Gewerbegebieten Nord und Süd. Häufig kennt man die eigene Nachbarschaft nicht so wirklich, obwohl einen dieselben Themen umtreiben so zum Beispiel zur Energieversorgung und Erzeugung. Das eigene Umfeld zu kennen kann hierbei erfolgreiche Synergien schaffen.
Ein weiterer Punkt ist die Stärkung der Nahversorgung im Innenstadtbereich. Hier gibt es aktuell zu wenig Angebot. Wenn uns ein Zusammenspiel aus geeigneter Fläche, Eigentümer und Einzelhandel gelingt, dann wäre das ein wichtiger Schritt. So etwas lässt sich aber meistens nicht von heute auf morgen realisieren.
Und nicht zuletzt geht es mir darum, langfristig das Standortprofil zu schärfen. Unter Beteiligung verschiedener Akteure sollen die Stärken und Schwächen herausgearbeitet werden, um auf dieser Grundlage eine Strukturanalyse für die lokale Wirtschaft aufzustellen. Welche Bedarfe haben Unternehmen und mit welchen Kompetenzen kann der Standort punkten? Dazu zählen auch weiche Faktoren wie der Freizeitwert, das Image oder die Qualität der Wohnverhältnisse.