Regional leben, regional wirtschaften – Königsbrunn startet Regionalgeldprojekt
„Regional leben in einer globalisierten Welt.“ Diese Formel taucht immer wieder auf, wenn man Zukunftsperspektiven für unsere Gesellschaft im fortschreitenden 21. Jahrhundert aufzeigen will, denn „Globalisierung“ steht zwar einerseits für Demokratisierung und Wohlstand für die gesamte Welt, Globalisierung steht aber gleichzeitig auch für Arbeitslosigkeit, Kapitalflucht und für Umweltzerstörung durch exzessive Ausbeutung der Natur.
Diesen negativen Aspekten der Globalisierung will man vielerorts durch die Idee einer Regionalwährung entgegen treten. Ob und wie ein lokal begrenztes Geldsystem die für die Region negativen Folgen der Globalisierung lindern kann, ist zunächst nicht so leicht zu verstehen und tatsächlich ist diese Frage unter Wirtschaftsexperten heiß umstritten. „Die Einführung von Regionalgeld in Königsbrunn ist deshalb eine unglaublich spannende Sache“, sagt der Vorsitzende des Economy Circle e.V. Peter Schwind, „die Idee findet weltweit mehr und mehr Anhänger und erntet viel Anerkennung, denn dieses Geldsystem zeichnet sich durch ein hohes soziales Potenzial und Nachhaltigkeit aus.“
Doch wie funktioniert ein solches System überhaupt? Gefragt sind zunächst die Einzelhändler vor Ort: Sie müssen sich darauf einigen, außer dem Euro auch noch speziell für Königsbrunn ausgegebene Gutscheine als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Ausgestellt werden diese Lechtaler von einem Verein vor Ort, der sie den Unternehmen, die sich zum Mitmachen bereit erklären, zur Verfügung stellt. Diese geben dann die Lechtaler an ihre Angestellten (Zum Beispiel als Bonuszahlung oder Weihnachtsgeld) und Kunden (zum Beispiel als Rabattgutschein) aus. So geraten die Scheine in den regionalen Wirtschaftskreislauf. Als Region wird das Geflecht zwischen tatsächlicher Anbieter- und Kundenbeziehung bezeichnet. Damit dieses „Geld“ im Kreislauf auch noch möglichst schnell zirkuliert, bekommt es ein Verfallsdatum eingebaut: Je länger man die Lechtaler im Geldbeutel behält, desto mehr verlieren sie an Wert. Für den regionalen Handel ist dies ideal, denn das Geld gewinnt auf diese Weise seine ursprüngliche Bedeutung als Tauschmittel für Waren zurück und kann nicht durch Sparen oder Anlegen dem Kreislauf entzogen werden. „Die Unternehmen der Stadt müssen von der Idee begeistert sein und ihr Potenzial sehen, denn nur wenn sich genügend Geschäfte finden, die mitmachen, entwickelt das Projekt die erwünschte Eigendynamik“, so Schwind weiter. „Sie haben nur geringe Kosten für den Druck und die Verwaltung der Scheine. Insofern entsteht für die Unternehmen praktisch kein Risiko.“
Die Einführung einer Regionalwährung nützt also vor allem lokalen Dienstleistern, Lebensmittelgeschäften und Mittelständlern, deren Kundenkreis in ihrem Umfeld liegt, die aber gegen nationale und multinationale Konkurrenz und den damit verbundenen Preisdruck ankämpfen müssen. Dem schleichenden Aussterben regionaler Vielfalt zugunsten von weltweiter Einheitsware kann mit einem Lechtaler bei entsprechender Akzeptanz der Einwohner tatsächlich Einhalt geboten werden. „Akzeptanz“ ist dabei ein Schlüsselwort, denn der Bürger vor Ort steht mit der Nutzung der Scheine zunächst am Anfang der Impulskette und muss die Gutscheine auch nutzen, um den Kreislauf in Bewegung zu setzen. Dies funktioniert beispielsweise so: Kunde Müller entscheidet sich beim Einkauf für den hiesigen Metzger Maier, weil er dort im Gegensatz zum Supermarkt ab 10 Euro Einkauf zusätzlich einen Lechtaler Rabatt bekommt. Wenn er als nächstes beim Bäcker vorbeigeht, der ebenfalls die Gutscheine akzeptiert, kann er diesen Taler einlösen, bezahlt also statt beispielsweise sechs nur fünf Euro.
Vielleicht muss er dafür etwas kompliziertere Zahlungsmodalitäten in Kauf nehmen und er wird auch auf eine Art und Weise „gezwungen“ seine Taler zügig wieder einzutauschen (nach neun Monaten verliert er 5% seines ursprünglichen Werts). Doch es lohnt sich: Neben dem direkten Einsparen von Euro (zunächst nur in kleineren Beträgen) erschafft er mittelfristig eine vielfältigere und qualitativ hochwertigere Angebotspalette und sichert langfristig Arbeitsplätze vor Ort. Und nicht minder wichtig: er kann sich über ein erstarktes Wir-Gefühl und die Dankbarkeit der Einzelhändler freuen, die seinem geänderten Kaufverhalten sicherlich sehr verbunden gegenüber stehen werden.
Die Thematik ist nicht unumstritten: Kritisch eingestellte Volkswirte fürchten in den erstarkenden Tendenzen zu lokalen Wirtschaftskreisläufen einen Rückschritt ins ökonomische Mittelalter und sehen das Wachstum der Volkswirtschaft bedroht. Ein auf regionale Abschottung abzielendes System behindere den überregionalen Handel, ohne den sich eine Region jedoch nicht weiterentwickeln könne. „Diese Argument bekommt man oft zu hören, aber die Regionalwährung soll ja den Euro keinesfalls ersetzen“, so Schwind. Vielmehr sprechen Volkswirte von einer Komplementärwährung, die die bestehende lediglich ergänzt und zwar aus dem einfachen Grund, weil das bestehende Geldsystem den Bedürfnissen und Anforderungen regionaler Gemeinschaften nicht mehr ausreichend genüge leisten kann. Königsbrunn wird mit diesem Projekt sicherlich überregionale Aufmerksamkeit und Publicity erzeugen. Schwind: „Die Zeit ist einfach reif für diese wundervolle Idee. Sie spannt einen schönen Bogen über zwei Extreme und steht für ein integrierendes sowohl-als-auch anstelle eines polarisierenden entweder-oders. So soll dem Geld seine ursprüngliche Funktion als Maßstab für den Tausch zwischen Ware und Geld wieder zurück gegeben werden. Toll, wenn die Königsbrunner gemeinschaftlich diesen Schritt wagen!“
> ... da habe ich dann sicher einiges nicht richtig verstanden:
> Da das Geld/EURO knapp wird, drucken Sie Lechtaler und
> geben diese dem Kunden - kostenlos oder ...!
Wir als Verein stellen den teilnehmenden Unternehmen praktisch nur eine einheitliche Infrastruktur zur Verfügung. Herausgegeben werden die LechTaler von den einzelnen Unternehmen als Gutscheine, die dann wiederum auch für deren Einlösung garantieren.
> Oder ist es so, dass ich die Lechtaler dann doch irgendwie mit
> meinen "Euro-Konto" begleichen muß?
Das LechTaler-System ist im Prinzip völlig unabhängig vom Euro. Nur werden wir einen Kurs von 1:1 verwenden, so dass die Preisauszeichnung in Euro mitverwendet werden kann.
> Es kann doch nicht sein, dass ich diese geschenkt
> bekomme?
> Sollte es jedoch so sein, dass ich meine "Lechtaler"
> irgendwie doch im Gegenwert mit EUROS von meinem Konto
> "bezahlen" muß, fehlt mir die Logik.
> Ich kann doch keinerlei Käufe tätigen, wenn mein Konto leer
> ist.
Geschenkt gibt es hier natürlich auch nichts. Um das System zu verstehen ist es hilfreich sich zunächst mal davon los zu machen immer vor allem das Geld zu betrachten. Man schiebe den „Schleier des Geldes“ beiseite und betrachte nur die „realen Dinge“ – die Herstellung und den Austausch von Waren und Dienstleistungen. Das ist nicht leicht, aber danach sieht man klarer.
Geld an sich ist nur ein Dokument, das das Recht verbrieft Güter und Dienstleistungen bei der Gesellschaft nachzufragen. Es hat praktisch keinen Materialwert. Geld ist auch nicht der Zweck des Wirtschaftens, sondern nur ein Hilfsmittel. Während man arbeitet, also Geld verdient, bringt man Leistungen in den Wirtschaftskreislauf ein. Dieses verdiente Geld kann man dann verwenden um wieder Leistungen aus dem Wirtschaftskreislauf zu entnehmen. Das ist als würde man tauschen, nur sind die beiden Richtungen des Tausches – geben und nehmen – zeitlich getrennt.
Genauso ist das beim LechTaler-Gutscheinsystem. Der Unternehmer bekommt die LechTaler-Gutscheine quasi zum Materialpreis zur Verfügung gestellt. In diesem Moment haben sie noch keinen Wert. Erst wenn der Unternehmer sie dann hergibt (z. B. für Arbeitsleistung an Mitarbeiter), verpflichtet er sich sie auch wieder anzunehmen, also Leistungen bei Vorlage zu erbringen. Dadurch erhalten sie ihren Wert.
Der Mitarbeiter hat Leistungen an den Unternehmer erbracht. Dafür erhält er Gutscheine, also Dokumente, die ihn berechtigen wieder Leistung abzufragen; in diesem Fall kann er dies tun bei jedem am LechTaler-System teilnehmenden Unternehmer.
Dies alles funktioniert ganz ohne Euros, also auch „wenn das Konto leer ist“.
> Zum Einkaufen brauche ich übrigens längst kein Bargeld
> mehr - falls dieses knapp wird (bisher eigentlich nur auf
> meinem Konto) - hier genügt fast überall eine gültige Scheck
> bzw. Kreditkarte.
Ein elektronisches Verrechnungssystem wird erst in einer weiteren Ausbaustufe dazukommen. Zunächst gibt es die LechTaler nur aus Papier.
(Bei Geldtransfer zwischen Banken fließt übrigens immer „echtes“ Zentralbankgeld, aber ich denke das führt an dieser Stelle zu weit.)
> Der "Wertschwund" dieser Taler im Laufe eines gewissen
> Zeitraums sind für mich auch etwas unklar! Hier wird man zum
> Ausgeben gezwungen - ich nenne das Kaufzwang!
> Lechtaler unter die "Matraze" ist also nicht?
Da haben Sie Recht. Solange sich keine Banken beteiligen wird es nicht möglich sein den LechTaler über längere Zeit zu sparen. Aber dazu gibt es ja weiterhin Euros. Im Moment soll der LechTaler nur dazu dienen den Austausch der Waren und Dienstleistungen in der Region zu verbessern, und das kann er nur wenn er regelmäßig umläuft.
Indem wir verhindern, dass der LechTaler für Jahre unter der Matratze verschwinden kann und dann plötzlich wieder auftaucht, können wir sicherstellen, dass wir immer zeitnah über die umlaufende Menge an LechTalern informiert sind und entsprechend reagieren können. Ansonsten würde eine unnötige Gefahr für die Stabilität des Systems entstehen können, was wir verhindern wollen.