Ausstieg der Hausärzte
Aufgeschreckt wurde ich durch eine Veröffentlichung des "Königsbrunner Hausärzteverbundes" in unserem städtischen Mitteilungsblatt vom April.
Darin heißt es:
[...] Was bedeutet das nun für Sie?
Bis das sogenannte "Systemversagen" nach Rückgabe von mindestens 70% der Kassenzulassungen eingetreten ist, werden wir Sie vorübergehend für monatlich 25,- €/Person versorgen. Dabei entfällt dann die Kassengebühr von 10,- €. Dies trifft aber nur zu, wenn bis zum definitiven Systemausstieg zum 01.10. keine Einigung zwischen Hausärzteverband und Krankenkassen zustande gekommen ist. Wir alle hoffen, dass es so weit nicht kommen wird, aber nicht zuletzt in Ihrem Sinne bitten wir Sie um Verständnis und Unterstützung.
Ihr Königsbrunner Hausärzteverbund
Was ist passiert, dass es überhaupt so weit kommen konnte? Die Hausärzte befürchten durch die Honorarreform Umsatzeinbußen bis zu 30%. Sie rechnen damit, dass in Zukunft vermehrt Medizinische Versorgungszentren entstehen, in denen angestellte Ärzte die ambulante Versorgung übernehmen bis hin zur Regelung der Gesundheitsversorgung durch Konzerne. Dabei bliebe die patientennahe Hausarztpraxis auf der Strecke.
Welche Ziele verfolgen die bayerischen Hausärzte nun? Sie streben eine bessere Versorgung der Patienten und für sich selbst bessere Arbeitsbedingungen an. Bisher sind alle Kassenärzte in das Zwangssystem der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eingebunden. Diese vertritt die Rechte und Interessen der zugelassenen Ärzte gegenüber den Krankenkassen und der Politik. Mit dem Geld der Krankenkassen stellen sie die ärztliche Versorgung sicher und verteilen es nach eigenen Maßstäben an die Ärzte für deren Leistungen für Kassenpatienten. Erst seit der letzten Gesundheitsreform, die am 01. April 2007 in Kraft trat, können auch Direktverträge zwischen Ärzten und Krankenkassen unter Ausschluss der KV abgeschlossen werden.
Durch den Abschluss solcher Verträge und dem Ausstieg aus dem System der Kassenärztlichen Vereinigungen durch die Rückgabe der Kassenzulassungen möchten die bayerischen Hausärzte Voraussetzungen schaffen, von denen Ärzte und Patienten profitieren.
Ja, da kommt einiges auf uns zu! Nun haben auch schon die Ärzte die Solidarität entdeckt und versuchen ihre Interessen mit Streiks durchzusetzen. Wie war das nochmal? Interessensverbände wie Gewerkschaften sind nur was für das Proletariat?
Aber Spaß beiseite! Manchmal kann es einem Angst und Bange werden, wenn man sieht, wohin unser Sozialsystem abrutscht. Und das alles ohne Grund. Warum zahlen Selbständige, Beamte und Besserverdienende (auch Ärzte) nicht auch ihre vollen Beiträge in dieses System ein. Wenn natürlich Derjenige, der gesund, jung und gut verdienend "in der schönen Welt des Guido Westerwelle" leben kann und sich dem Solidargedanken mit einer Privatversicherung entziehen kann, dann bleibt hat nicht viel von einem System zurück, in dem Arbeitslose, Kranke, Alte und Normalverdiener bleiben müssen. Das sollte man unserer lieben Bundesregierung vielleicht mal mit einem Massenprotest oder einem Generalstreik (obwohl Bundeskanzler Kohl das politische Streikrecht abgeschafft hat) verdeutlichen. In anderen europäischen Ländern lassen die Menschen nicht so lange an der Nase rumführen.
Übrigens: Ich sehe nach wie vor ständig große, sehr teure Werbeannoncen der Pharmaindustrie und der Krankenkassen und deren Prunkbauten; wer finanziert das eigentlich? Auch der Beitragszahler - also Arbeitnehmer und -geber!
Es gibt da einiges was im Argen liegt - gute Ärzte sollen auch gut verdienen. Aber muss es immer die eigene Praxis mit allen Geräten sein? Oder kann es nicht eine Praxisgemeinschaft sein in der mehrere Ärzte die Geräte benutzen und damit auch der zwanghafte Drang zur Belegung der Maschinen (zwecks Finanzierung der Leasingrate) nicht so latent ist?