Hessischer Kulturpreis 2009 als Staatsposse - Verleihung in Wiesbaden als Happy End?
Bei dem muslimischen Autor Navid Kermani hat sich der hessische Ministerpräsident Koch für die Irritationen um die zeitweilige Aberkennung des hessischen Kulturpreises entschuldigt. Den Streit ausgelöst hatte ein umstrittener Aufsatz Kermanis über christliche Kreuze. Nunmehr wurde der umstrittene Hessische Kulturpreis 2009 in Wiesbaden an die Träger des Hessischen Kulturpreises 2009 - Peter Steinacker, Kardinal Karl Lehmann, Navid Kermani und Salomon Korn – übergeben.
In den Medien tobte vor und um die Verleihung des Hessischen Staatspreises eine Meinungs-Schlacht: Was darf zwischen den Religionen diskutiert werden? Wie politisch ist der Kulturpreis? Und besonders brisant: Wie steht es mit der Toleranz der beteiligten Preisträger? Navid KERMANI selbst sprach von einer "willfährigen Reaktion" des hessischen Ministerpräsidenten Roland KOCH (CDU), die ein "problematisches Verhältnis von Staat und Kirche" in Hessen offenbare.
Roland KOCH hat sich nun in Wiesbaden bei Navid KERMANI entschuldigt. Die Entschuldigung, die der hessische Ministerpräsident bei der Verleihung des Hessischen Kulturpreises aussprach, bezog sich allerdings ausschließlich auf die Umstände, unter denen der Schriftsteller von der zwischenzeitlichen Aberkennung des Preises erfahren hatte, nicht auf die Tatsache der Aberkennung selbst.
Die Ungleichbehandlung der Preisträger, die, jenseits der theologischen Debatte um Kardinal Lehmanns Einwände gegen Kermanis Bildbetrachtung, der Grund für die politische Kritik am Handeln des Kuratoriumsvorsitzenden Koch war (siehe hierzu mehr in (1)), wurde von Herrn Koch in seiner einstündigen Rede ausdrücklich gerechtfertigt: und zwar denkbar grundsätzlich: mit Blick auf das Verhältnis von Religion und Kultur im Verfassungsstaat, auf das die Auswahl von vier (vermeintlichen) Repräsentanten ihrer Bekenntnisse für einen gewöhnlich an Künstler vergebenen Kulturpreis in diesem Jahr die Aufmerksamkeit lenken sollte. So Patrick BAHNERS, der in einem FAZ-Artikel.
Der Feuilletonist P.B. bemerkt indessen auch, dass sich Roland KOCH bei der Verleihung des Hessischen Kulturpreises nur für eine verpatzte Kommunikation bei Navid KERMANI entschuldigt hat, nicht aber für die schlechte Behandlung an sich. Und schlimmer noch: "Nach Benennung eines muslimischen Preisträgers diesem zu eröffnen, er müsse wegen der christlich-jüdischen Prägung des Landes seine Schlechterstellung hinnehmen, ist eine Verstiegenheit zur Tarnung der Taktlosigkeit." Die Reden von KOCH und KORN werden in der FAZ abgedruckt. BAHNERS: Preisabschlag für Kermani (FAZ 28.11.09).
KERMANIs Dankesrede: http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A...~E7563F9330B8D48CCA7E550F1B35F204A~ATpl~Ecommon~Sspezial.html
KERMANI äußerte in der Dankesrede: Auf ganz unerwartete Weise fühlte ich mich in meinem Eindruck bestätigt, dass Deutschland in den letzten Jahren weltoffener und kulturell vielfältiger geworden ist.
Und: Deshalb möchte ich mich heute auch bei denen bedanken, die dafür verantwortlich sind, dass ich den Hessischen Kulturpreis tatsächlich entgegennehmen darf: Das ist die deutsche Öffentlichkeit, das sind die Journalisten, die Wissenschaftler, Schriftsteller und Intellektuellen, die sich in Artikeln zu Wort gemeldet haben, das sind Politiker gerade auch aus der Partei des Ministerpräsidenten, das ist die Opposition im Hessischen Landtag. Besonders bewegt hat mich, wie solidarisch viele Christen und Vertreter der Kirchen auf die Vorwürfe gegen mich reagierten, in Briefen, in Stellungnahmen und sogar in Predigten. Das war eine sehr schöne, beinah zärtliche Erfahrung.
Literatur - Anmerkungen
(1) HAHN, Werner (30.08.09): http://www.myheimat.de/gladenbach/hessisches-traue...
An anderer Stelle schrieb ich:
POSSE um Hessischen KULTURPREIS bessere Kulturpolitik in Hessen gefordert
Die Entscheidung des Kuratoriums des Hessischen Kulturpreises, die Auszeichnung an Karl Kardinal Lehmann, Peter Steinacker und Salomon Korn, nicht aber an den ursprünglich als Mitpreisträger vorgesehenen Schriftsteller Navid Kermani zu verleihen, hat viel KRITIK hervorgerufen: Bundestagspräsident LAMMERT sprach von einer Staatsposse. In einer Debatte um die Aberkennung des hessischen Kulturpreises an den islamischen Schriftsteller Navid KERMANI hat die Opposition im Wiesbadener Landtag schwere Vorwürfe gegen Ministerpräsident Roland KOCH (CDU) erhoben. SPD, Grüne und Linke forderten KOCH auf, im Landtag Stellung zu nehmen und sich für die Herabwürdigung durch die Aberkennung bei Kermani zu entschuldigen. Koch trat jedoch trotz mehrmaliger Aufforderung nicht ans Rednerpult. Die Diskussion um den Kulturpreis war entbrannt, als das Kuratorium Kermani als Preisträger ausschloss: Das Kuratorium des Kulturpreises hatte Kermani als Preisträger ausgeschlossen, weil Lehmann und Steinacker es abgelehnt hatten, den Preis mit Kermani zu empfangen. Sie kritisierten einen Text des Schriftstellers, in dem dieser nach Auffassung beider die Kreuzestheologie als "Gotteslästerung" ablehnt. (Bitte mehr hierzu im WEB googeln.)