"Jeder kann sehen, wie sich die Stadt verändert hat": Ein Interview mit Bürgermeister Dr. Peter Bergmair
myheimat: Herr Dr. Bergmair, herzlich willkommen zum letzten myheimat-Jahrbuch-Interview. Starten wir mit Joschka Fischer und einer Frage, die wir Ihnen einige Monate nach Ihrem Amtsantritt im Jahr 2002 stellten. „Die Verwandlung des Amtes durch den Menschen dauert etwas länger als die Verwandlung des Menschen durch das Amt.“ Dieser Satz stammt vom ehemaligen Außenminister. Können Sie diese Feststellung nach fast 12-jähriger Amtszeit so unterschreiben?
Bergmair: Feststellen kann ich, dass dieses Bürgermeisteramt vieles beeinflusst hat, vor allem mein Verhalten. Ich gehe davon aus, dass dennoch der Kern und der Charakter des Menschen PB unverändert geblieben sind. Genauere Untersuchungen folgen ab dem 1. Mai.
myheimat: Inwieweit sind Sie „misstrauischer“ geworden?
Bergmair: Jedem von uns ist ein gewisser Grundvorrat an Vertrauen in die Welt und in das Leben in die Wiege gelegt worden. Der schmilzt dann mit den Jahren ab. Könnte sein, dass sich der Vorgang in diesem öffentlichen Amt beschleunigt.
myheimat: Wie denken Sie heute über den Begriff „politische Freundschaft“? Ist dieser überhaupt dazu geeignet, „Beziehungen“ zwischen Politikern adäquat zu beschreiben?
Bergmair: Man spricht ja oft von „politischen Freunden“. Jeder geht wohl mit diesem Begriff und dem, was er bezeichnet, in einer je eigenen Weise um. Was mich selbst angeht, sehe ich drei Kategorien: Da gibt es Personen, mit denen man zu tun hat, weil der politische Betrieb funktionieren muss. Da gibt es Personen, mit denen man sich in einer vermeintlich echten Freundschaft verbunden wähnt. Die hält nicht immer, das tut dann weh. Und da gibt es jene wenigen Freundschaften, die - wider Erwarten - neu wachsen. Sie tun mir gut.
myheimat: Wenn Sie auf Ihre Amtszeit zurückblicken und drei politische Projekte benennen müssten, die nachhaltig positive Effekte auf die Entwicklung der Stadt Friedberg haben werden, welche wären diese?
Bergmair: Jeder kann sehen, wie sich die Stadt verändert hat und dass es uns gut geht. Es gibt die Gewerbebiete mit erfolgreichen und attraktiven Firmen. Straßen wurden gebaut, viele Gebäude saniert und modernisiert. Aber vielleicht ist ja noch wichtiger, was man nicht sieht. Viele Bürger sagen mir: „Wir leben gern hier und fühlen uns wohl.“ Und das freut mich am meisten.
myheimat: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Goethe drückt es in seinem „Faust-Prolog“ noch eleganter aus: „Es irrt der Mensch, solang’ er strebt.“ Welche politischen Fehleinschätzungen und handwerklichen Fehler sind Ihnen in Ihrer Amtszeit unterlaufen?
Bergmair: Ich richte nicht so gern den Blick von außen auf mich - jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass man in einem öffentlichen Amt von seiner Umgebung beurteilt wird. Und das Urteil ändert sich mit der Zeit. Warten wir ab, was dabei schließlich herauskommt.
myheimat: Doch wir wollen nicht nur in nostalgischen Erinnerungen schwelgen, sondern auch über die jüngste Vergangenheit und das Jahr 2013 sprechen. Das Thema „Wittelsbacher Schloss“ war aus unterschiedlichen Gründen immer wieder in den Schlagzeilen. Es liegt keine rechtskräftige Baugenehmigung für den Umbau vor. Die vom Stadtrat mit deutlicher Mehrheit beschlossene Neukonzeption liegt somit vorerst auf Eis. Welchen Ausweg gibt es aus dieser verfahrenen Situation?
Bergmair: Es hilft, wenn man sich die entscheidenden Fakten vergegenwärtigt: Wir haben für mehrere Millionen Euro Planungen erstellt und erste Bauarbeiten finanziert. Für deren Verwirklichung konnten Fördergelder und Zuschüsse in erheblichem Umfang gesichert werden. Mit dem Ergänzungsbescheid zur Baugenehmigung streben wir einen fairen Ausgleich zwischen den Absichten der Stadt und den Nachbarn an. Jetzt brauchen wir die Geduld, um das Ergebnis der rechtlichen Auseinandersetzung vor Gericht abzuwarten. Ich habe den Klägern nochmals Gespräche angeboten und hoffe, dass es dadurch zu weiteren Kontakten kommt.
myheimat: Beim Thema „Museumsdepot“ gab es eine Kehrtwende. Die Stadt will jetzt doch selber einen Neubau erstellen. Wie kam es zu diesem Sinneswandel?
Bergmair: Es ist ein Sinneswandel des Stadtrats, den ich begrüße. Ich plädiere dafür, dass wir bei den weiteren Planungen und Entscheidungen gründlich arbeiten und nicht in nicht gebotene Hektik verfallen. Gut ist, dass uns der Vermieter der jetzigen Flächen noch bis zum Ende des Jahres 2014 Zeit einräumt.
myheimat: Gegenstand intensiver kommunalpolitischer Diskussionen in Friedberg sind auch die Stichwörter Baugrundstücke und Wohnungsmangel. Große Hoffnungen setzten die Kommunalpolitiker auf ein Neubaugebiet in Friedberg-West. Diese Euphorie wurde jedoch stark gedämpft, das Vorhaben gestoppt. Wie kann die Stadt dieses Dilemma in den nächsten Jahren auflösen?
Bergmair: Es gehört zur Definition des Begriffes „Dilemma“, dass sich dieser Sachverhalt nicht (auf-)lösen lässt und eine Zwangslage darstellt. Eine Konsequenz ziehen wir damit, dass wir weiterhin an alternativen Baumöglichkeiten arbeiten. Das ist nur teilweise ein Ersatz für Friedberg West, weil diese Flächen günstig liegen und optimal erschlossen sind.
myheimat: Ein anderes viel diskutiertes Thema war die Zukunft des Friedberger Bahnhofes. Nun hat ein Privatinvestor den Zuschlag bekommen. Die Friedberger SPD kritisierte diese Entwicklung. In Aichach ging man einen anderen Weg. Dort kauft die Stadt das Bahnhofsgebäude und 1500 Quadratmeter Grund. Sie sind über die „Friedberger Lösung“ aber gar nicht so unglücklich. Warum?
Bergmair: In der Tat hätten wir - falls uns die Bahn überhaupt eine ernsthafte Chance gegeben hätte - ein Gebäude erworben, das wohl sanierungsbedürftig wäre und für das wir als Stadt keine plausible Nutzung sehen. Deshalb ist gegen den Erwerb durch einen privaten Investor nichts einzuwenden. Zusätzlich gehen wir davon aus, dass die Interessen der Fahrgäste gewahrt werden und insgesamt die vormalige nicht sehr zufriedenstellende Situation im Bahnhofsgebäude verbessert wird.
myheimat: Mit einem hoch emotional besetzten Thema mussten Sie sich im Frühjahr auseinandersetzen. Die Unterbringung von Flüchtlingen in Friedberg sorgte für hitzige Diskussionen. Aufgrund der aktuellen politischen Entwicklungen ist anzunehmen, dass sich diese Problematik in den nächsten Jahren noch verschärfen wird. Wie können die Kommunen dieser Herausforderung begegnen?
Bergmair: Die Frage ist doch, wie der Staat uns vor Ort hilft, damit umzugehen? Wir sind als Kommune eher Betroffene und weniger Akteure. Ich selbst werbe dafür und setze mich ein, damit wir offen und human mit der Unterbringung von Flüchtlingen umgehen. Es ist eine Pflicht, welche uns die Menschlichkeit auferlegt.
myheimat: Kehren wir wieder zum Ausgangspunkt unseres Gespräches zurück. Sie werden ab Mai 2014 nicht mehr Erster Bürgermeister der Stadt Friedberg sein. Was wünschen Sie Ihrem Amtsnachfolger?
Bergmair: Viel Erfolg und eine glückliche Hand zum Wohle unserer Stadt.
myheimat: Und nun die „Mutter aller Fragen“, die Sie ganz exklusiv im myheimat-Interview beantworten werden. Was macht Peter Bergmair in den nächsten Jahren beruflich?
Bergmair: Wie sagt der unbekannte Dichter, den ich zitieren darf:
„In Minervens Augen schau ich tief
und frage sinnend: Was kommt, was wird?
Die Geister zu sehen, die ich rief,
dazu habe ich mich selbst verführt.“
Interview: Joachim Meyer, Bilder: Franz Scherer