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"Ich gebe den 15-Minuten-Takt noch nicht auf"
Ein Interview mit Bürgermeister Roland Eichmann

  • Sportlicher Rathauschef: Bürgermeister Roland Eichmann beim Friedberger Halbmarathon
  • Foto: Franz Scherer
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myheimat: Herr Eichmann, die Folgen des Ukraine-Krieges sind in vielen Bereichen spürbar. Dies gilt in besonderem Maße für die Kommunen. Menschen fliehen vor Bomben, Terror, Verfolgung und suchen bei uns Schutz. Als Bürgermeister werden Sie ganz konkret mit den Flüchtlingsströmen konfrontiert. Die Regierung von Schwaben weist die Flüchtlinge zu. Landräte und Rathauschefs müssen die Menschen dann unterbringen. Zu Beginn des Jahres kam es zu Diskussionen um eine Asylunterkunft in Derching. Wie nahe hat das Jahr 2023 eine Kommune wie Friedberg an die Belastungsgrenzen gebracht? Oder wurden diese bereits überschritten?

Eichmann: Der verbrecherische Angriff Russlands auf die Ukraine hat nicht nur eine Energie- und eine Energiepreiskrise hervorgerufen, sondern auch die Inflation angeheizt und eine deutliche Abkühlung der Konjunktur gebracht. Darunter leiden die Kommunen sehr. Die Unterbringung und Betreuung der mittlerweile 500 Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Teilen der Welt in unserer Stadt ist bisher eine anspruchsvolle, aber zu meisternde Aufgabe, die dank einer engagierten Arbeit des Landratsamtes, unserer städtischen Integrationsbeauftragten und vor allem immer noch vieler ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer gut gelingt.

myheimat: Der Ukraine-Krieg, Materialknappheit, Kostenexplosionen – Die genannten Rahmenbedingungen treffen auch die Städte und Gemeinden mit voller Wucht. Geplante Projekte werden teurer als ursprünglich geplant. Das trifft auch auf die Erweiterung der Grundschule in Friedberg-Süd zu. Bis zu 13,2 Millionen Euro Kosten werden nun prognostiziert. Schon der Baubeginn verzögerte sich, weil die Regierung von Schwaben nicht zum abgesprochenen Termin ihre Genehmigung erteilte. Wie sehr ärgern Sie sich über den Personalmangel in der öffentlichen Verwaltung und wann kann der Erweiterungsbau an der Grundschule Süd nun voraussichtlich abgeschlossen werden?

Eichmann:
Erstmal bin ich froh, dass wir vermutlich bis zu 1,5 Mio. Euro unter Plan bleiben werden bei dem Bau. Ja, die Verzögerungen waren ärgerlich, aber noch viel ärgerlicher war die fehlende Anerkennung des von uns bei der Regierung vorgebrachten Bedarfs. Wir mussten kleiner bauen, als wir wollten und jetzt stellt sich heraus, wie recht wir hatten und wie unrecht die Regierung, denn bereits jetzt ist klar, dass wir weiterhin Container brauchen. Wir haben den Bauablauf auch noch mal optimiert für den Schulbetrieb, alles soll zum Schuljahr 2025/26 fertig sein.

myheimat: Ein noch teureres und politisch umstritteneres Projekt ist der neue Bauhof. Auf über 30 Millionen Euro werden die Kosten inzwischen beziffert. Im Mai stoppte der Stadtrat das Projekt in seiner ursprünglich geplanten Version und anschließend wurde ein Sonderausschuss für den Bauhof eingerichtet. Wie geht es denn nun mit diesem Bauvorhaben weiter?

Eichmann: Die fehlende Zustimmung des Stadtrates kommt der Stadt teuer, auf bis zu 6 Mio. Euro beziffert sich der Verlust zusätzlich zur jahrelangen Arbeit, die damit wertlos wurde. Es gab zwar keine Mehrheit für einen Weiterbau, aber bis heute auch überhaupt keine Ideen, was stattdessen passieren soll. Das ist für mich ein anhaltendes Ärgernis, denn da verweigern die Stadträte, die gegen den Bauhof gestimmt haben, die Übernahme ihrer Verantwortung. Und ich werde ohne einen klaren Arbeitsauftrag der Politik an die Verwaltung nicht weiter planen lassen. Stattdessen werden wir jetzt hohe Summen in den Unterhalt des alten Standortes stecken müssen. Das beziffern wir gerade. Eine verfahrene Situation.

myheimat: Als sozialdemokratischem Politiker muss Ihnen der städtische Wohnungsbau ein besonderes Anliegen sein. An der Hermann-Löns-Straße und der Alois-Sperrer-Straße will die Stadt modernisieren und vergrößern. Was genau ist geplant und wie verändert sich dadurch der städtische Wohnungsbestand?

Eichmann: Das ist tatsächlich ein Schwerpunkt meiner Arbeit. In den neun Jahren meiner Amtszeit hat sich der Wohnungsbestand von 225 auf 343 erhöht. Aktuell planen wir in Ottmaring eine Wohnanlage mit nochmal gut 25 Wohnungen. Und das von Ihnen angesprochene Areal an der Herrmann-Löns-Straße mit sechs Wohngebäuden mit 61 Wohnungen soll schrittweise modernisiert werden nach dem Vorbild der Baugenossenschaft in der Frühlingsstraße. Dort werden wir am Ende mehr als doppelt so viele Wohnungen haben, so eine Zahl sehe ich auch bei der Hermann-Löns-Straße als Ziel.

myheimat: Die Stadt Friedberg ist zwar nicht Eigentümerin des Areals, auf dem das Altgebäude der Vinzenz-Pallotti-Schule steht, dennoch war sie mit in die Planungen für dieses Neubaugebiet einbezogen. Wie viele Menschen können dort künftig ein neues Zuhause finden?

Eichmann: Der Landkreis will über seine Wohnungsbaugesellschaft das gesamte Gelände bebauen. Dazu benötigt er die Stadt, die einen entsprechenden Bebauungsplan aufstellen muss. Die Stadt teilt das grundsätzliche Ziel einer Bebauung mit Mehrfamilienhäusern und arbeitet eng mit dem Landkreis zusammen. Allerdings nehme ich die Bedenken der Anwohner sehr ernst, die eine zu dichte Bebauung befürchten. Wir stehen aktuell vor dem Planungswettbewerb, der uns hoffentlich gute Ideen bringen wird, wie wir günstigen Wohnraum verbinden können mit einer hohen Qualität der Bebauung. Dann können wir auch abschätzen, wie viele Menschen dort leben werden.

myheimat: Einen attraktiven öffentlichen Nahverkehr wünschen sich viele Friedberger Bürger und Bürgerinnen. Der 15-Minuten-Takt auf der Paartalbahn zwischen Friedberg und Augsburg ist zwar bis Mitte der 2030er Jahre noch gesichert, wird dann aber dauerhaft nicht zu halten sein. Wie ist die Perspektive für diese Zugstrecke?

Eichmann: Ich gebe den 15-Minuten-Takt noch nicht auf! Wir wären im Zuge des Deutschlandtaktes der einzige Fall deutschlandweit, bei dem der Nahverkehr eingeschränkt statt ausgebaut wird, das kann nicht sein. Bundesregierung, Landesregierung und Deutsche Bahn müssen den geplanten Anstieg des Güterverkehrs gerecht über Ost- und Westbayern verteilen, denn genau das wird für unsere Paartalbahn zum Problem.

myheimat: Ein weiteres zukunftsträchtiges Thema ist der Bau von Windkraftanlagen. Dazu fand ein Informationsabend im April in der Grund- und Mittelschule Friedberg statt. Noch hat die Stadt das Heft des Handels selbst in der Hand und kann entscheiden, welche Flächen sie als sinnvoll erachtet. Welche Standorte haben Sie ins Auge gefasst?

Eichmann: Wir wollen im Derchinger Forst mit den Nachbargemeinden Affing und Dasing ein großes Gebiet für Windenergie schaffen. Wir werden das auch festsetzen, soweit die Anflugszone des Augs-burger Flughafens das möglich macht. Allerdings kommt uns der Fliegerhorst Lagerlechfeld in die Quere, denn zur dortigen Mindestführungshöhe des Radars gibt es einen Sicherheitsabschlag von 82 Metern nach unten, so dass im gesamten Stadtgebiet keine Wirtschaftlichkeit für Windkraftanlagen mehr gegeben sein wird. Das betrifft auch die weiteren Standorte, die wir nördlich der bestehenden Anlagen im Erlauholz festgelegt haben.

myheimat: Welches Mitspracherecht haben Bürger und Bürgerinnen beim Thema Windkraft und wie partizipieren sie von diesen Anlagen?

Eichmann: Windkraft ist vom Bundesgesetzgeber privilegiert, da sind die Mitspracherechte nicht nur der Bürgerschaft, sondern auch der Stadt Friedberg sehr begrenzt. Unsere Festsetzungen halten auch nur wenige Jahre, danach wird es noch weniger Möglichkeiten geben, auf die Entwicklung Einfluss zu nehmen. Ein wenig allerdings haben sich die Rahmenbedingungen verbessert, damit wir vor Ort von solchen Anlagen profitieren können. Das betrifft kleinere Beteiligungen der Gemeinden, aber vor allem auch ein breites Angebot von Projektentwicklern, die der Bürgerschaft eine finanzielle Beteiligung anbieten. Die in diesem Sinne beste Lösung ist natürlich eine Bürgerenergiegenossenschaft.

myheimat: Mit welchen Belastungen haben die Anwohner von Windkraftanlagen zu rechnen?

Eichmann: Der Stadtrat hat erhebliche Abstände zwischen Gebäuden und Windkraftanlagen beschlossen. Auch bei der Auswahl der Konzentrationsflächen haben wir sehr darauf geachtet, dass es zu keinen Belastungen kommen sollte.

myheimat: Lassen Sie uns noch ein wenig über den innerstädtischen Einzelhandel sprechen. Ein Einzelhandelskonzept wurde auf den Weg gebracht – ein wichtiger Meilenstein, um dann Zuschüsse aus der Städtebauförderung zu bekommen. Auch die Citymanagerin war in dieses Projekt involviert. Sie kündigte dann aber. Es stellt sich seitdem die Frage: Braucht Friedberg nicht weiterhin dauerhaft einen Kümmerer bzw. eine Kümmererin, der/die sich für die Belange des Einzelhandels einsetzt?

Eichmann: Die Erstellung des Einzelhandelskonzepts ist noch nicht abgeschlossen, aber ich erhoffe mir dann gute Vorschläge und Strategien, um unsere Innenstadt weiter zu stärken. Allerdings sehe ich das Experiment eines städtischen Citymanagers neben dem Aktiv Ring und seiner Geschäftsführung als gescheitert an, die Reibungsverluste sind zu hoch gewesen. Anfang des kommenden Jahres werde ich dem Stadtrat einen Vorschlag machen, wie wir zukünftig die Wirtschaftsförderung aufstellen können.

myheimat: Sie erlebten ein stürmisches Altstadtfest. Es war wettertechnisch fast alles geboten: Hitze, heftige Gewitter und starke Windböen. Sogar eine vorübergehende Evakuierung wurde notwendig. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz der „Friedberger Zeit 2023“ aus?

Eichmann: Es war wunderbar! Diese zehn Tage waren wieder etwas ganz Besonderes, die friedliche Atmosphäre, das historische Ambiente, die Fröhlichkeit der Besucher – das ist einzigartig. Meine Bilanz fällt eindeutig positiv aus. Auch bei dem Sturm am Dienstagabend waren die Abläufe wirksam, um unsere Gäste zu schützen. Es gab praktisch keine Sicherheitsprobleme, nicht mal ein Fahrrad wurde gestohlen und das bei insgesamt 170.000 Besuchern! Aber wir spüren auch, wie wir gemeinsam den Generationenwechsel unter den Aktiven gestalten müssen. Die Begeisterung der Besucher kann sich nur einstellen, wenn wir begeisterte Handwerker, Wirte, Fieranten und aktive Gruppen aus dem Vereinsleben haben. Diese Begeisterung müssen wir weitergeben!

myheimat: Nach all den politischen Gesprächsgegenständen noch eine persönliche Frage zum Abschluss: Welche Begegnung hat Sie im abgelaufenen Jahr am meisten beeindruckt?

Eichmann: Die Begegnung mit meinem Sohn Moritz, als er am 4. Juni hier in Friedberg auf die Welt kam. Nach drei Töchtern eine ganz neue Erfahrung für mich und seitdem bereichert er unser Familienleben als tiefenentspannter Sonnenschein.

myheimat: Herr Eichmann, vielen Dank für dieses Gespräch.

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