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Münchner Lesebühnen-Autoren unterhalten im Wittelsbacher Schloss mit Texten über ein Frauenfußball-Länderspiel, einem Baby-Simulator und ein Möbel-Imperium

  • Münchner Lesebühnen-Autoren unterhielten im Wittelsbacher Schloss mit Texten. Hier: Fabian Siegismund.
  • Foto: Stadt Friedberg
  • hochgeladen von Joachim Meyer

Die Autoren der Münchner Lesebühne „Westend ist Kiez“ gaben am Freitag, 29. September 2010, im Wittelsbacher Schloss in Friedberg im Rahmen des „Literaturupdates Bayern“ eine Kostprobe ihrer Kurzgeschichten, Gedichte und Texte anderer Kategorien. „Jeder liest einen Text und dann können die, die Literatur erwartet haben...“, kündigte Volker Keidel an und hielt das Satzende bewusst offen.

Neben Buchhändler Keidel lasen Darm-Doktor Felix Bonke, BWL-Student Alex Burkhard, Gamestar-Redakteur Fabian Siegismund und Sascha Storz, der die Berufe seiner Kollegen in einen seiner Texte einbaute. Für das Publikum in Friedberg bedeuteten fünf Autoren, die je drei Texte vortrugen, vor allem zwei Dinge: Aus dem Leben gegriffene Geschichten, gewürzt durch Übertreibung und zahlreiche kritische Ansätze, die in Unterhaltung verpackt waren.

Felix Bonke eröffnete das Lesebühnen-Vergnügen mit dem Thema Herbstdepression, ehe er im zweiten Block mit „Klugscheißer“ Bastian Sick abrechnete und betonte, dass Sprache etwas Dynamisches sei. Im dritten Text setzte Bonke noch einen drauf, als er einen Münchner U-Bahn-Fahrer für seine „offen ausgelebte Aggression“ bewunderte und sogar zu einem Flirt im öffentlichen Nahverkehr kam, wenngleich der Text seine Wirkung auch mit ein paar weniger „Fuck!“-Ausrufen entfaltet hätte.

Sascha Storz las seine Texte mit Inbrunst. Egal ob es ein Jobbericht bei einer Pizza-Kette war, bei dem er zu dem Schluss kam, dass der Kunde nicht König sondern das Allerletzte sei, oder ob er sein eigenes Möbel-Imperium zumindest in Worten aufbaute, weil ihm der Montagabend durch das Fehlen von Billy-Regalen bei einem namhaften schwedischen Möbelhaus verhagelt wurde. Oder aber als Storz die mangelnde Wertschätzung von Dichtern in Deutschland anprangerte und deswegen die Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität Frankfurt in seinem Keller an ein Heizungsrohr gefesselt gefangen hält. Sein Markenzeichen an diesem Abend waren Hyperbeln.

Fabian Siegismund dagegen war als frisch gebackener Vater für den heiteren Baby-Teil des Abends zuständig. Erst gab er eine amüsante Anleitung in neun Schritten, wie werdende Eltern ein Leben mit Baby probehalber schon einmal simulieren können, sofern sie einen Kraken ergattern können. Dann erklärte er den Unterschied zwischen einer Nassrasur und dem Braten eines Steaks. Beim Steak kann man behaupten: „Ich mag das blutig.“ Und in der dritten Runde wurde Siegismund experimentell, als er bei einer Probefahrt mit dem Kinderwagen zum Einkaufen zwei Szenarien mit unterschiedlicher Musikuntermalung, passend zum jeweiligen Modell, entwickelte.

Alex Burkhard projezierte zunächst seine weit entfernte Freiheit in ein Wüstenauto. Womöglich war es aber auch nur die Sehnsucht des lyrischen Ichs, denn Autor und Protagonist sind nicht zwangsläufig dasselbe und selbst wenn ein Erzähler dazwischen geschaltet wird, muss daran noch nichts Autobiographisches sein. Sein zweiter Text handelte von – wie könnte es angesichts der vorangegangenen Erklärung anders sein – davon, wie ein Mensch sein Leben gestalten würde, wenn er wüsste, dass jemand über ihn eine Biographie schreibt. Anschließend trug Burkhard einen Slam-Text auswendig vor. Mit tiefsinnigen Überlegungen wie „Was nützt es, in den Himmel gelobt zu werden, wenn die Party auf der Erde stattfindet?“ und der Botschaft: „Du weißt doch nichts vom Leben der Anderen.“

Das Ende jedes Autorenzyklus bildete Volker Keidel, der Kunden des Sarrazin-Buches an Aussehen und Geruch erkennt und – zumindest in seinem ersten Text – Buchstapel in Hakenkreuzform für diese Kunden aufbaut. Lyrischer wurde er in „Abgedichtet“, einer Sammlung mehrerer kurzer Zwei-Minuten-Gedichte, – wobei sich die zwei Minuten auf die Entstehungszeit der Werke bezieht –, die er gerne mal Marcel Reich-Ranicki unterschieben würde. Mit seinem dritten Text war er dann endgültig in Friedberg angekommen. Die Lachmuskeln der Besucher im Wittelsbacher Schloss zuckten im Sekunden-Takt, als er von seinem Stadionerlebnis beim Frauenfußball-Länderspiel Deutschland gegen USA in Augsburg samt Anreise und Ticketerwerb berichtete. Die Karten für diese Partie hatte er natürlich nicht selbst gekauft, sondern sie wurden ihm von Freunden geschenkt, die sich selbst gleich „mitbestraften“ und mit ihm in die Impuls Arena fuhren. „Was will ein HSV-Fan in einem Zweitliga-Stadion?“ las Keidel vor und bemerkte, dann ohne Blick ins Buch: „Ich hätte mir den Text vorher durchlesen sollen.“ Sein Fazit: Das gepflegte Kurzpassspiel hat Bezirksliga-Niveau, aber sein vierjähriger Sohn schießt fester. Zum Abschluss habe er noch einen Bierbecher auf einen Ordner geworfen. Die – offenbar unerfahrenen – Aufpasser hätten sich aus der Fünfergruppe dann allerdings diejenigen herausgepickt, die noch volle Becher hatten.

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