DER AUS DEM FLASCHENHALS KROCH...!
BUCHVORSTELLUNG UND LESUNG VON UND MIT WILLY WERNER/JEAN STEIN/AUGSBURG
Einer von Augsburgs hoffnungsvollsten Jungliteraten lud ein – ins JEAN STEIN – und die Anhängerschaft strömte trotz Biergartenwetters in die Katakomben am Schornstein.
WILLY WERNER, Wahlaugsburger mit Berliner Wurzeln, was seine Weltläufigkeit erklärt, präsentierte seinen ersten Erzählband „AUS DEM FLASCHENHALS“.
Mit seinem zusätzlich vorhandenen lapidaren Entertainment-Talent offerierte W. WERNER eine mehr als unterhaltsame und zeitweilig tiefsinnige Melange aus Eigenerlebtem und Fiktionen, die er in besonderem durch seine literarischen Assoziationsketten zu würzen wusste. Querverweise auf Inspirationen, Feindbilder, Literaten und Künstler, die Frau als Enigma und Sklavenhalterin zugleich, schlugen schlüssige Kapriolen auf seinem locker geknüpften Erzählteppich, was bisweilen zu wirklich heftigen Heiterkeitsausbrüchen im Publikum führte – wohlwollend und mitgenommen, von diesem "jungen Bukowski", der allerdings noch um seine Trinkfestigkeit ringt. Die Brücke zwischen Ästhetik und Anfällen von Gonzo-Literatur ist bei W. Werner brüchig und fließend zugleicht, sodass man manche spätpubertären Ich-Karikaturen durchaus als angestrengten Selbstfindungsprozess erkennen kann – authentisch, selbst erlebt und im Zweifel selbst durchdacht und erlitten - aber man wird mit humorigen Schwimmflügelchen ausgestattet in den Strudel von Werners ganz persönlichem "Wahnsinn" hineingezogen. Willy Werner wirft einem aber selbst den stilistischen Rettungsring zu, den er lebenstechnisch sucht und das (nämlich das Leben) er im Schmetterlingsstil durchschwimmt, was seine Lebenspersiflage auch glaubwürdig macht. Zwangsläufig säuft er dabei ab und an ab! Geht auf Tauchstation zur eigenen Existenz! - Auffällig ist die Passion zum Schriftsteller und der ewigliche Leidensweg als Autor und als dieser anerkannt zu sein und zu werden. Ein roter Faden, der eine pulsierende Ader in seiner Intention ist (aber zur Thrombose werden könnte), die Eckdaten von Leidenschaft und noch beherrschbarer Besessenheit. M. Reich-Ranicki würde es vielleicht so formulieren, ohne dem arroganten Großmeister zu nahe treten zu wollen: „Das Dissoziative befindet sich noch in einer Schablone von Kordanz“.
Ein besonderes Talent des Autors ist, Tragik, Humor und Slapstick bis zur mentalen Selbstvernichtung homogen aneinander zu reihen, ohne dabei ins Kitschige abzurutschen. Man bemerkt, diese Gratwanderung ist gewollt – spielerische Momente des Plagiats nur Stilmittel um das eigene Scheitern, meist im emotionalen Nirwana zwischen Anspruch, Geist und sexueller Begierde auf ein lebensfähig erträgliches Maß zu reduzieren. Dieses kleine Kabinett des Gefühlsschreckens jeden Tag erleben zu müssen, wäre auch für den Schöpfer dieser Literatur wahrscheinlich unmöglich und nur mit frühreifem Altershumor zu ertragen oder wirklich als Flaschengeist.
Alles in allem eine überaus gelungene Vorstellung – lesetechnisch wie literarisch, die den Erzählband „Aus dem Flaschenhals“ sehr empfehlenswert machen. Und da der Autor literarisch schon vorgelitten hat, benötigt der Konzipient keine Leidenfähigkeit, sondern wird des öfteren herzhaft lachen, unter dem Motto, „schön, dass das nicht mir passierte!“
Begleitet wurde Willy Werner mit Toncollagen von Stef Maldener an diversen Geräuschinstrumenten, der allerdings manchmal das Feingefühl für die adäquate Lautstärke vermissen ließ.
Ein guter Abend im JEAN STEIN mit und durch WILLY WERNER, der auch zum Grundcharakter dieses einmaligen Kulturschuppens passte, hippieesk, leicht anarchisch und menschlich – was einen wieder daran erinnert, dass es sehr schade ist, dass die Ära JEAN STEIN schon wieder zu Ende ist (oder vielleicht auch nicht – man wird sehen! Es gibt ja rührige junge Menschen in Augsburg!)
Neuerscheinung: AUS DEM FLASCHENHALS – co. Juli 2010 – Willy Werner
Bestellen können Sie das Buch unter folgender Mail-Adresse: lillitrilli@email.de
Michael G. Symolka