Das einst wasserreiche Lechhausen
Der Archivar des Stadtarchivs Augsburg, Georg Feuerer, lud den Heimatverein Friedberg zu einem Rundgang besonderer Art durch Lechhausen ein. Bereits in der Jahreshauptversammlung im März hatte er über "das einst wasserreiche Lechhausen" referiert und wollte nun an Ort und Stelle darüber berichten. Zunächst machte das Thema auch aktuell seinem Namen alle Ehre: Es goss in Strömen.
Das Moos - nasser Boden
Vor mehr als 300 Jahren gab es nördlich des Dorfes Lechhausen nur feuchte Mooswiesen. Dieses sog. Moos erstreckte sich als flaches Land zwischen der heutigen Stadtgrenze bei Lechhausen und den Orten Mühlhausen, Derching, Stätzling hinaus bis über das heutige Stadtgebiet Friedberg am Fuße der Lechleite. Der Anbau von Feldfrüchten war bei diesem vor Nässe strotzenden Boden nicht möglich. Diese wären verfault. Das minderwertige Gras, das man dem Boden abringen konnte, wurde zwar abgemäht, diente aber nur als Streuunterlage für das Vieh. Dafür nutzten viele Schäfer das Moos als Weideflächen für ihre Schafherden. Schafwolle und Schaffleisch brachten Einkommen. Die Vergabe der Weiderechte stand dem bayerischen Kurfürsten zu, der er auch solche gegen Geld an 'Lechhauser' vergab. Schließlich gehörte Lechhausen einst zum Landgericht Friedberg. Die 'Lechhauser' wiederum betrieben mit diesen Rechten einen offenbar schwunghaften Handel. Rechtsstreitigkeiten blieben nicht aus. Ein Prozess zog sich noch im 19. Jahrhundert über 30 Jahre hin.
Um den nassen Boden zu entwässern, bohrte man im Ort Lechhausen Brunnenkästen. Dabei spritzte das Wasser nur so aus der Öffnung heraus. Es waren insgesamt sieben Brunnen. Das Wasser wurde kanalisiert und so entstand der Siebenbrunnenbach. Schon im 16. Jahrhundert nutzte man diesen um eine Mühle zu betreiben. So wurde dieser Bach auch Mühlbach genannt. Soweit er heute nicht zugeackert ist, kann man den einst mäandrierenden Bachlauf in der Wiesenlandschaft rechter Hand entlang der Stätzlinger Straße stadteinwärts mit bloßen Augen an den hohen Gräsern und dem niederen Buschwerk erkennen.
Eine nette Anekdote wusste Georg Feuerer über die Stätzlinger Straße zu erzählen. Sie war die erste Straße in Lechhausen, die betoniert wurde. Das geschah zu der Zeit, als man die St. Anton-Siedlung, die ursprünglich zu Stätzling gehörte, baute. Nach Feierabend kehrten die Arbeiter, über diese Straße von Augsburg kommend, noch in eine Wirtschaft ein. Auf dem Gepäckträger hatten sie ihren Zement für den Aufbau der Siedlung dabei. Nicht mehr ganz nüchtern machten sie sich dann endgültig auf den Heimweg Richtung Stätzling. Immer wieder krachten Zementsäcke von den Radln runter, die damit die Grundlage für die Betonierung der Stätzlinger Straße bildeten.
Donaustadt Augsburg - Plan gelangte nicht zur Ausführung
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts sprach sich der spätere bayerische König Ludwig III. für einen neuen Kanalbau zwischen Main und Donau in Bayern aus. Der aus Mering stammende Architekt Albert Gollwitzer, der sich auch mit der Infrastruktur Augsburgs auseinandersetzte, war der Überzeugung, auch für die aufstrebende Industriestadt Augsburg sei der An- und Abtransport von Gütern per Schiff von großem Nutzen. Eine für große Schiffe befahrbare Wasserstraße sollte seinen Plänen nach Augsburg mit der Donau und damit mit dem Schwarzen Meer verbinden. Als eine von mehreren Möglichkeiten plante er auch ein Hafenbecken an der Straße zwischen Lechhausen und Stätzling. Ausgrabungen hätten, bedingt durch den hohen Grundwasserspiegel, zu einem beachtlichen See geführt. Desweiteren sollten zum Hafenbecken in Lechhausen vom Bahnhof Hochzoll aus Eisbahngleise verlegt werden, um eine nahtlose Verbindung zwischen Schiene und Schiff zu ermöglichen. Der erste Weltkrieg verhinderte, dass "Augsburg eine Donaustadt" wurde, wie Gollwitzer es einst formuliert hatte. Schließlich wurde das Projekt ganz aufgegeben. Für den Güterverkehr aber wurden Gleise nach Lechhausen verlegt. Es handelt sich dabei um die Lokalbahn.
Floßlände in Lechhausen
Wenn auch kein Schiffshafen in Lechhausen entstehen konnte, so gab es doch einen Lechhauser Floßhafen. Er wurde auch als "Holzgarten" bezeichnet, weil dort zum Teil die Flöße auseinander genommen wurden, umgeschlagen und das Holz für den Weitertransport auf dem Landweg vorbereitet wurde. Zählte man einst jährlich 3000 bis 4000 Flöße, so schwammen um 1900 nur noch 200 Flöße jährlich den Lech hinunter. 1914 trafen in Augsburg-Lechhausen die letzten beiden Flöße ein. Der alte Lechhauser Holzgarten wurde abgebrochen und allmählich überbaut.
Torfabbau im Lechmoos im Osten von Lechhausen
Die wachsende Nachfrage nach Brennmaterial in der Stadt Augsburg führte zu steigenden Preisen und Rohstoffknappheit, vor allem bei Holz. Schon im 16. Jahrhundert begann man zwischen Stätzling und Mühlhausen im Moos Torf abzubauen. Erst im 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert wurde von amtlicher Seite auf die dringende Notwendigkeit des Torfs als Heizmittel hingewiesen. In der Lechebene wurde nun vermehrt Torf gestochen. Die Torfstücke in Form von Kohlebrikettes wurden aber nicht einzeln abgezählt, sondern gemessen. Es war bekannt, dass auf dem Augsburger Markt die Torfbauern aus Lechhausen gerne zu ihren Gunsten abzählten. Im Volksmund sagte man: "Der kann zählen wie ein Lechhauser Torfbauer".
Entwässerung und die Folgen für die Trinkwasserversorgung
Um im Moos Ackerbau betreiben zu können, bildeten sich, im Gegensatz zu Lechhausen, in den Orten Stätzling und Derching zu Beginn des 20. Jahrhunderts sog. Entwässerungsgenossenschaften. Das Wasser aus den Moosflächen wurde in Kanälen aufgefangen und in die Friedberger Ach geleitet.
Schließlich wurde auch der Boden nördlich von Lechhausen entwässert. Dies gelang auch hier durch Entwässerungskanäle, aber vor allem durch die Kanalisierung des Lechs ab dem Hochablass im Jahr 1850. Die Wasserversorgung der Bevölkerung erfolgte durch Pumpbrunnen in Lechhausen. Jedes Haus hatte einen solchen und es gab darüber hinaus 2 Gemeindebrunnen. Durch die Absenkung des Wasserstandes in der Nähe des Lechflusses vertrockneten jedoch viele Brunnen in den Häusern von Lechhausen. Die prekäre Trinkwassersituation und mangelndes Löschwasser im Fall eines Brandes dürften Lechhausen in die Arme Augsburgs getrieben haben. Es stand das Versprechen im Raum, bei einer Eingemeindung nach Augsburg hätte die Einrichtung eines Rohrleitungssystems, das die Bevölkerung mit Wasser versorgt, höchste Priorität. So geschah es auch. Letztlich sollten mit der Marienfigur des Marienbrunnens am Marienplatz diese Verdienste der Stadt für den neuen Stadtteil Lechhausen im öffentlichen Bewusstsein verankert werden.
Als man für den Unterbau der Reichsautobahn Kies ausbaggerte, drückte das Grundwasser um Lechhausen nach. So entstand der Autobahnsee. Dies trug ebenso, wie alle anderen Baggerseen in der Lechebene, zu einer Absenkung des Grundwasserspiegels bei.
Zweieinhalb Stunden hatte sich Georg Feuerer Zeit genommen. Der Heimatverein verdankt ihm einen besonderen, interessanten und informativen Nachmittag. Hatte zu Beginn noch der Regen dem Thema alle Ehre gemacht, so schien alsbald die Sonne über "das einst wasserreiche Lechhausen".
In Lechhausen habe ich auch schon mal (gerne) für ein paar Jahre gewohnt!