Friedberg, Frühlingstraße
Abriss der Baugenossenschaftshäuser
Elektrisches Lichte billiger als Petroleum!
Die Tage des Hauses in der Frühlingstraße 19 sind gezählt. Rechtzeitig hatten die bisherigen Wohnungsinhaber eine andere Bleibe gefunden. Günther Riebel, der Vorsitzende der Baugenossenschaft, dokumentierte mit seinem Fotoapparat die letzten Eindrücke, die das leere Haus beim Begehen bot. Und hier gab es eine Überraschung! Nach Abnahme des Dielenbodens in einem Zimmer im Erdgeschoss trat eine interessante Informationsquelle zu Tage. Zeitungsblätter kamen zum Vorschein, die man offenbar gegen den darunterliegenden kalten Keller als Dämm-Material unter dem Fußbodenbelag ausgebreitet hatte. Es sind Nachrichtenblätter aus dem Arbeitsgebiet der Lech-Elektrizitätswerke aus dem Jahr 1929. Darin wird geworben für Elektrizität: „Elektrizität in jedem Gerät – Elektrowärme im Haushalt“ oder „Mit Elektrizität Wärme erzeugen“. Ein krönender Satz: „Elektrisches Licht billiger als Petroleum!“
Hatten die Häuser in der Frühlingstraße von Anfang an elektrisches Licht?
Ein Blick zurück in die Geschichte zeigt, dass das Haus Nr. 19 im Jahr 1926 durch die Baugenossenschaft fertiggestellt wurde. Wie die Nachrichtenblätter aus dem Jahr 1929 zeigen, scheint der Fußbodenbelag frühestens drei Jahre später gelegt worden zu sein. Und die anderen Häuser?
Anfänge der Baugenossenschaft
Die ersten Wohnblöcke mit den Hausnummern 9, 11 und 12 wurden bereits im Jahr der Gründung der Baugenossenschaft in Angriff genommen. Diese geschah am 29. März 1919 im Saal der Wirtschaft „Hohes Glas“ auf Anregung des ehemaligen Arbeiterrates und Stadtrates Riedermeier. Mehr als hundert Anwesende, Arbeiter, Bürger, Beamte, Gewerbetreibende hatten sich eingefunden und einmütig beschlossen, der Wohnungsnot durch den Bau von neuen Häusern zu begegnen. Denn nicht nur in den großen Städten wie München, Nürnberg, Augsburg oder anderswo, sondern auch in den kleineren Städten, wie auch in dem 4000 Einwohner zählenden Städtchen Friedberg, war die Not groß. Zum Vorstand der noch am selben Abend gegründeten Genossenschaft wurde der Friedberger Kaufmann und Zweiter Bürgermeister Alois Sperrer gewählt. 103 Anwesende unterschrieben sofort und zeichneten sich als Genossen ein. Der Geschäftsanteil wurde auf 300 Mark festgesetzt. Um Bedürftige zu unterstützen, zeichneten auch nicht Wohnungsbedürftige aus der sog. feinen Friedberger Gesellschaft Anteile. Nach dem Erwerb des Baugrunds nördlich der Bahnlinie im Jahr 1919 begann die Genossenschaft noch im Oktober/November mit dem Bau der ersten drei Häuser.
Baubeginn 1919 in der Frühlingstraße
Es gab im Jahr 1919 nicht einmal eine ordentliche Zufahrt zur Baustelle in die Frühlingstraße. Mit Schubkarren musste das Material mühsam herbeigeschafft werden. Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war eine Zeit des Mangels. Die ständig anhaltenden Preissteigerungen hätten beinahe zur Einstellung der Baumaßnahmen geführt. Doch auch dieser Gefahr konnte mit einer Teuerungszulage an die ausführenden Handwerksbetriebe begegnet werden.
Nach einer Bauzeit von nur acht Monaten wurden im Juni 1920 die ersten 15 Wohnungen unter den Gründungsmitgliedern verlost. In den Jahren 1925 bis 1928 erfolgte die restliche Fertigstellung der Wohnsiedlung. In den dreizehn Wohngebäuden der Baugenossenschaft in der Frühlingstraße fanden damals 67 Familien und insgesamt 263 Personen eine Unterkunft.
Es war damals eine große Leistung der Stadtgemeinschaft, mit Gründung der Baugenossenschaft Wohnraum zu schaffen. Nach den Bauten in der Frühlingstraße ging es weiter mit der Errichtung weiterer Wohnanlagen in der Wiffertshauser Straße und in der Geistbeckstraße.
Die Baugenossenschaft war in den folgenden Jahren bis heute bestrebt, durch fortwährende Modernisierung ihrer Gebäude den Bewohnern adäquate Standards zu bieten. Deshalb entschied man sich vor einigen Jahren für den Abriss der meisten Häuser der Baugenossenschaft in der Frühlingstraße und für den anschließenden Wiederaufbau.
Anfangs kein Stromanschluss
Ob nun die ersten Häuser in der Frühlingstraße schon von Anfang an Stromanschluss hatten, beantwortet Günther Riebel mit einem „Nein“. Nach seiner Meinung war der damalige Standard ohne Elektrik. Als Beleg verweist er auf ein Bild einer Ballonbefliegung aus dem Jahr 1920. Oberleitungen sind auf den frisch fertiggestellten Häusern neun, elf und zwölf, sowie auf dem im Bau befindlichen Haus dreizehn in der Frühlingstraße nicht zu erkennen. Die Baugenossenschaft rüstete nach. Im Zug einer Modernisierung setzte sie nicht mehr auf Petroleum, sondern auf elektrischen Strom in allen Häusern.