10 Jahre Friedberger Tafel – gut, dass es sie gibt
Wie schnell doch die Zeit vergeht! Zehn Jahre sind seit der Eröffnung der Friedberger Tafel am 1. Juni 2005 bereits vergangen. Obwohl: Deutschlandweit wurde in der Bundeshauptstadt Berlin schon am 23. Februar 1993 die erste Tafel ins Leben gerufen. Aus der Statistik lässt sich lesen, dass es in ganz Deutschland inzwischen (Stand 2014) 900 Tafeln für 1,5 Millionen zu versorgende Bedürftige gibt. Die Tafel ist zwischenzeitlich auch in Friedberg nicht mehr wegzudenken. Überschüssige Lebensmittel an Bedürftige zu verteilen, gehört zum Alltag. Die Erkenntnis, dass selbst in Friedberg Armut herrscht, war und ist bestimmt auch heute noch für viele BürgerInnen der Stadt eine schmerzliche. Aus ihr resultiert für die hiesige Tafel sicherlich der vielseitige Zuspruch, sowie die großartige Unterstützung aus diesem Kreis. Die Schaffung der Einrichtung „Tafel“ war als Nothilfe für Menschen gedacht, die aus allen sozialen Netzen gefallen und damit in tiefe Armut gerutscht waren. Eine zündende Idee dazu war überaus simpel: Ehrenamtliche holen bei Supermärkten übrig gebliebene, aber noch essbare Lebensmittel ab und verteilen sie an Bedürftige. Der grandiose Nebeneffekt: Der Lebensmittel-Überschuss brauchte nicht mehr weggeworfen zu werden! Dieser Verschwendung und Fehlentwicklung konnte über die Jahre teilweise, aber nicht zur Gänze, Einhalt geboten werden.
Aichach war in der Versorgung Bedürftiger den Friedbergern voraus und richtete unter dem Dach des Caritasverbandes Aichach-Friedberg e.V. schon einige Zeit vor ihnen einen Tafelladen ein. Er wurde gut angenommen und hatte zur Folge, dass es bei der Geschäftsleitung des Verbandes vermehrt zu Nachfragen für eine Gründung auch in der an Einwohnern noch stärkeren Landkreis-Stadt kam. Um diesem offensichtlichen Bedarf nachzukommen, begab man sich auf die Suche nach einer geeigneten Räumlichkeit. Ein Kellerraum in der Hermann-Löns-Straße 6 bot sich dafür an und wurde zum Ausgaberaum für die Bedürftigen umfunktioniert. Geschäftsführer Andreas Reimann freut sich mit den Helfern der Friedberger Tafel über das Jubiläum: „Hilfe für Bedürftige wird durch das Engagement von 16 Ehrenamtlichen konkret. Seit 10 Jahren, Woche für Woche, sorgen sie für einen reibungslosen Ablauf. Denn alle wissen, dass sich am kommenden Mittwoch wieder eine lange Schlange vor unserer Tafel bilden wird. Wenn es auch vor Kurzem, aus gegebenem Anlass, ab und an kleinere Sprachschwierigkeiten und damit anfängliche Missverständnisse bei der Ausgabe an Asylanten gab, so sind die überwiegenden Besucher sehr dankbar für diese Möglichkeit und zeigen dies den Ehrenamtlichen. Durch die kleine Einsparung, die durch die Lebensmittelspende möglich wird, bleibt doch etwas Spielraum für andere Ausgaben. Aber nicht nur Lebensmittel erhalten die Tafelbesucher, sondern auch weitere Unterstützung, z. B. durch unsere Allgemeine Sozialberatung, der Suchtfachambulanz oder bei Überschuldung durch unsere Schuldnerberatung. Ich danke allen ehrenamtlich Tätigen, sicherlich auch im Namen der Tafelbesucher, für ihren treuen und unermüdlichen Einsatz. Ohne diesen wäre die Friedberger Tafel nicht möglich.“
Sabine Großmann war vom Beginn der Friedberger Tafel bis zu ihrem Ausscheiden im Jahr 2009 aus beruflichen Gründen, als ehrenamtliche Mitarbeiterin dabei (von Anfang 2007 bis Ende 2009 als Leiterin des Tafel-Teams). Sie erinnert sich: „Die Eröffnung der Tafel wurde in einem kurzen Zeitungsartikel der Friedberger Allgemeinen bekannt gegeben. Vier ehrenamtliche Mitarbeiterinnen nahmen erwartungsvoll ihre Arbeit auf. Sie hatten lediglich drei bedürftige Personen zu versorgen und am ersten Ausgabetag standen, sage und schreibe, tatsächlich 50 Liter Milch zur Vergabe bereit. In den darauf folgenden Monaten wurde, dank auch des erweiterten Angebotes an Lebensmittelspenden, die Tafel durch die wachsenden Anzahl Bedürftiger immer stärker angenommen. Sie verloren allmählich ihre Scheu und wagten den Gang zur Tafel. Auch die Zahl der ehrenamtlichen Helfer nahm, wenn auch anfänglich etwas zaghaft, zu. Damals stand ihnen noch kein Fahrzeug zur Verfügung und sie holten mit ihren Privatfahrzeugen frühmorgens die bespendeten Lebensmittel bei den Händlern ab. Man trug die Waren in den Ausgaberaum im Keller, sortierte sie vor und räumte sie in die Regale ein. Bereits nach einem halben Jahr hatte sich die Tafel fest etabliert und die Spendenbereitschaft des Einzelhandels sowie von Privatpersonen nahm stetig zu. Sieben Monate nach ihrer Eröffnung konnte die Tafel ein gesponsertes Lieferfahrzeug (das heute noch im Einsatz ist!) in Empfang nehmen, was die Arbeit um vieles erleichtert hat.“
Seit ihren Anfängen hat sich das Gesicht der Tafel sehr verändert: Erfreuliches tat sich im Ausgaberaum. In einer Gemeinschaftsaktion (unterstützt vom Aktiv-Ring Friedberg) wurde er im November 2009 von Friedberger Handwerkern kostenlos innerhalb kürzester Zeit generalrenoviert. Im Frühjahr 2012 kam es zur Gründung der Friedberger Kulturtafel, ein ergänzendes Angebot an die Bedürftigen. Diese Einrichtung wurde von Friedberger und Augsburger Veranstaltern von Beginn an großzügig mit Freikarten bedacht. Sie sind der Kultur-Tafel bis zum heutigen Tag verbunden geblieben und sorgen dafür, dass die Bedürftigen hin und wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Eine absolute Bereicherung für die Betroffenen. Zu einer weitern Initiative für die Bedürftigen zählten die beiden Kochkurse im Februar und März 2014.
In letzter Zeit, bedingt durch die ganz Europa treffende Flüchtlingswelle, stellt die Aufnahme der zahlreichen Asylanten in Friedberg eine zusätzliche Herausforderung in der Versorgung dar. Dazu Bernhard Ziegler, amtierender Leiter der Friedberger Tafel: „Wie alles, was mit Menschen zu tun hat, hat auch die Friedberger Tafel kein konstantes Gesicht. Menschen kommen, weil ihr Geld nicht für das tägliche Leben ausreicht, und sie tauchen oft auch nicht wieder auf weil es ihnen besser geht (?), so hoffen wir Ehrenamtlichen jedenfalls für die Betroffenen. Wir sehen immer wieder neue Gesichter, hinter denen sich die verschiedensten Schicksale verbergen. Aber es gibt auch Bedürftige, die seit der ersten Stunde jede Woche bei uns vorbeikommen, weil sich ihre Lebenssituation nicht mehr verändert. Vom Jahr 2009 an habe ich die Anzahl der Bedürftigen, für die wir Lebensmittel besorgen und ausgeben, statistisch erfasst. Sie schwankte bis 2013 um 145 Personen einschließlich aller Familienmitglieder. Die Lebensmittel, die wir einsammelten oder von Spendengeldern auch zukauften, haben immer ausgereicht, die Haushaltskassen ein wenig zu entlasten. Seit 2014 suchen uns in steigendem Maße auch Asylsuchende auf, die Friedberg in seine Obhut genommen hat, so dass die Zahl der Bedürftigen auf über 200 angestiegen ist. Aber wir können, dank großzügiger Spender, die Unterstützung der Haushalte immer noch in gleichem Umfang gewährleisten. Dazu bedarf es, dass wir in verstärktem Maße Lebensmittel hinzukaufen. Das hat unter anderem aber auch damit zu tun, dass die Hilfesuchenden aus ganz anderen Kultur- und Religionskreisen zu uns gekommen sind, von Afghanistan über Syrien bis an die Westküste Afrikas. Sie haben teils andere Essgewohnheiten und dürfen als Muslime (95%) keine Lebensmittel, die einen Anteil an Schweinefleisch beinhalten, zu sich nehmen. Wenn wir ein „Dankeschön“ auf Deutsch hören, wissen wir, dass wir an der richtigen Stelle sind. Ja, es gibt auch noch die Menschen auf der anderen Seite - die ehrenamtlichen Helfer. Vor 10 Jahren fingen sie an, Lebensmittel, die zum Wegwerfen bestimmt waren, einzusammeln und noch in ihren privaten Pkw zu transportieren. 2006 waren es 11 Helfer, heute sind es 16, die mit Leib und Seele dabei sind, auch wenn es hier und da schon mal zwickt. Sie fahren, sammeln, sortieren, stapeln, packen ab, entsorgen, geben aus und treffen sich alle paar Wochen zum gemeinsamen Frühstück oder Abendessen. Das hält die Gemeinschaft zusammen und trägt zu regen Diskussionen über das Erlebte bei.“
Es lohnt sich, das Thema „Tafel“ auch aus der Sicht eines Bedürftigen der Friedberger Tafel zu sehen: „Wer einmal am eigenen Leib gespürt hat, wie demütigend es ist, diesen Staat um Hilfe bitten zu müssen, kann sich vorstellen, wie grausam es ist, wenn man auf die Almosen einer Überflussgesellschaft zurückgeworfen wird. Hochachtung an die Menschen, die in guter Absicht sich dem hingeben, als Ehrenamtliche, als Spender von Lebensmittel oder finanziell, die Tafel zu unterstützen. Der Verweis der Arbeitsagenturen auf die Tafeln und der Vorschlag, die Pferde-Lasagne an diese zu verteilen, macht deutlich, was die Politik von Menschen hält, die in Hartz-IV rutschen. Tafeln sind ein Armutszeugnis für die Politik und für die Gesellschaft, die sich aus der sozialen Verantwortung stiehlt. Kein Mensch sollte aus finanziellen Gründen um Grundnahrungsmittel zum Bettler werden. Mindestlöhne (nicht nur 8,50 €), Steuergerechtigkeit sind meiner Meinung nach die richtigen Schritte aus dieser Krise.“
Obwohl also „10 Jahre Tafel“ im eigentlichen Sinne keinen Anlass zum Feiern darstellt, sind die ehrenamtlichen Mitarbeiter stolz auf das Erreichte und vor allem darauf, Menschen in Not helfen zu können. Auf ihr „10-Jähriges“ können aber auch Marianne Häusler, Elfriede Hollmann und Ingrid Rossnagel zurückblicken. Ihnen gebührt der Dank dafür, dass sie dem Tafel-Team vom ersten Tag bis heute die Treue gehalten haben. Sie und alle übrigen HelferInnen werden unerschütterlich mit großem Engagement und großer Freude ihre Aufgabe wahrnehmen. Die Friedberger Tafel kann aber nur betrieben werden, weil sie seit ihrem Bestehen überaus großzügige Unterstützung durch Supermärkte, Bäcker, Metzger erfuhr und immer wieder Geld-, Lebensmittel- und Sachspenden aus der Geschäftswelt und von Privatpersonen erhielt. Sie alle zogen für eine gute Sache mit ihr an einem Strang.
Eine Bedürftige schreibt zum Thema „10 Jahre Friedberger Tafel“: „Aus gesundheitlichen Gründen bin ich in die Lage gekommen die Friedberger Tafel in Anspruch zu nehmen. Vorher habe ich auch in einem 'helfendem Beruf' gearbeitet, und trotzdem bezweifle ich, dass ich jemals so selbstlos und bedingungslos, wie die Helfer bei der Fdb-Tafel, gegeben habe und es tun kann. Es gab schon ganz viele Tage, an denen ich sehr gestresst wartete, um an der Reihe zu sein und mir dachte, ich komme nicht mehr her, weil es mir einfach zu viel Kraft kostete, oft sehr laut und unruhig ist durch die vielen Menschen und jedes Mal, wenn ich „dran war“, ging ich mit einem Glücksgefühl nach Hause. Ja, ich hatte sogar schon so manches Mal Tränchen in den Augen vor Rührung. So viel Herzlichkeit, Freundlichkeit, und vor allem Augenhöhe, die die Helfer entgegenbringen, ist mindestens ein genauso großes Geschenk wie die Lebensmittel selbst. Ich habe mich NOCH NIE abgefertigt gefühlt, so wie in manchem Supermarkt, wo man bezahlt, und genervte Blicke einfängt, weil das Geldabzählen zu lange dauert. Die Bemühung der Mitarbeiter, einem so gut wie möglich das zu geben, was man essen darf und mag, bewegt mich jedes Mal aufs Neue. Sie merken sich die Menschen und ihre Geschichten und gehen unaufgefordert, so weit wie möglich, darauf ein. Und das in ihrer Freizeit, Woche für Woche. Ich kann mich erinnern, dass wir im 1. Jahr, als ich zur Tafel ging, Weihnachtspäckchen, bunt eingepackt, von einer Grundschule bekommen haben. Schüler hatten Päckchen gebastelt und eine selbst geschriebene Weihnachtskarte dazu gelegt. Ich konnte gar nicht glauben, dass es so etwas gibt. Ich fing jedes Mal zum Heulen an, wenn ich das Päckchen ansah, vor lauter Rührung. In meinem harten Berufsleben habe ich auch sehr viele Geschenke bekommen, aber immer ging ein 'Geben' voraus, eine 'gute Arbeit', für die man belohnt wurde. Und die Tafel schenkt aus tiefstem Herzen, einfach so, in einem Augenblick, wo man vermeintlich selbst nicht mehr in der Lage ist, wirklich viel zu geben. Ich hoffe natürlich, irgendwann wieder für mich selbst sorgen zu können, ich habe gerade keine einfache Zeit. Und dennoch möchte ich sie nicht missen: Die Erfahrung über so viel geballte Nächstenliebe, Herzenswärme und Menschlichkeit ist unbezahlbar und goldwert.“
Text: Lieselotte Grund, Bild: privat