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Das Wulff-Interview

Das war es also nun, das Interview des Bundespräsidenten, indem er sich zur viel kritisierten privaten Kreditvergabe, Urlaubsreisen auf Kosten seiner Freunde und zu dem Versuch, in die Pressefreiheit eingreifen zu wollen, geäußert hat.

Nun, meine Meinung darüber ist zweigeteilt. Einerseits kann ich seine Anmerkungen nachvollziehen, anderseits bleibt aber trotzdem ein Nachgeschmack.

Die erste Frage, ob er zurücktreten wolle, hat er so beantwortet, wie ich es auch getan hätte. Er nimmt seine Verantwortung gerne wahr, übt sein Amt mit Freude aus, hat nichts Unrechtes getan und ist für fünf Jahre gewählt worden. Was soll er auch sonst dazu sagen? Und Unrecht im rechtlichen Sinne hat er ja auch nicht begangen, allerdings war sein Verhalten kritikwürdig.

Überzeugt hat mich sein Eingeständnis, dass der Anruf beim „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann ein schwerer Fehler gewesen sei. Es ist meiner Meinung nach auch zu akzeptieren und anzuerkennen, dass er sich dafür bei Herrn Diekmann persönlich entschuldigt hat, der die Entschuldigung ja auch angenommen hat, sich aber erfreulicherweise nicht davon abbringen ließ, den Artikel, den Herr Wulff verhindern wollte, trotzdem zu veröffentlichen.

Ich kann allerdings nachvollziehen, welchen Gefühlwallungen Herr Wulff unterworfen war. Wäre ich auf einer Auslandsreise gewesen, hätte innerhalb von vier Tagen fast fünfzig Termine absolviert und dann gehört, was in der Zeitung geschrieben werden soll, ohne dass mit mir Rücksprache genommen worden wäre, könnte ich nicht dafür garantieren, dass ich dann nicht auch ausgerastet wäre. Und ich glaube, davon kann sich niemand – wenn sie/er ehrlich zu sich ist – freisprechen. Wir sind alle Menschen und niemand macht immer alles richtig.

Er monierte auch vollkommen zu Recht, was im Internet über seine Frau und seine Freunde verbreitet wird. Auch ein Bundespräsident hat ein Privatleben und dass er besonders seine Familie schützen möchte, kann ich verstehen. Und um es einmal deutlich zu sagen: Das Privatleben anderer Menschen geht niemanden etwas an, außer es wird von diesen selbst verbreitet. Es ist ja nichts dagegen einzuwenden, wenn man alles, was einen dienstlichen Bezug hat oder haben könnte, aufdeckt und veröffentlicht, aber selbst privateste Dinge über die Familie auszuschnüffeln und zu veröffentlichen, geht mir auch zu weit.

Man sollte auch anerkennen, dass Herr Wulff heute seine seinerzeitigen Äußerungen über den damaligen Bundespräsidenten Rau anders bewertet - man wird halt tatsächlich lebensklüger und demütiger. Auch das sehe ich so, und diese Erfahrung haben wir doch wohl alle schon gemacht. Es wird wohl kaum einen Menschen geben, der nicht manche Dinge oder frühere Äußerungen von sich heute anders bewertet als seinerzeit.

Gut finde ich, dass ab Donnerstag, 5. Januar, durch die Veröffentlichung im Internet eine Transparenz über die bisher kritisierten Vorgänge ermöglicht wird.

Auch in einem weiteren Punkt nähere ich mich der Meinung des Bundespräsidenten an. Was wäre Deutschland für ein Land, wenn man sich von Freunden kein Geld leihen dürfte oder kostenlose oder zumindest sehr günstige Ferien in deren Immobilien verbringen dürfte. Und mal ganz ehrlich: Soll er sich, weil er ein hochrangiges politisches Amt besetzt, von seinen Freunden, die er schon seit Jahren, auch lange vor seiner Zeit als Ministerpräsident in Niedersachsen kennt, von denen distanzieren oder sein Verhalten ihnen gegenüber ändern? Wenn Politiker keine Freunde mehr haben dürfen oder sich Rechnungen für Übernachtungen in Gästezimmern ausstellen lassen müssen – welch ein grauenhafter Zustand.

Was den Inhalt des Interviews betrifft, findet Herr Wulff also meine Zustimmung. Auch, wenn er natürlich Zeit hatte, sich darauf vorzubereiten. Aber es bleibt ein Geschmäckle. Warum hat er das Interview nur exklusiv den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern gegeben? Es wäre besser gewesen, er hätte sich für dieses Interview der gesamten in der Bundeshauptstadt vertretenen Presse gestellt – in einer öffentlichen Pressekonferenz, bei der er live Rede und Antwort hätte stehen müssen und die im Fernsehen übertragen worden wäre. Das wäre wesentlich glaubhafter als ein Interview, das aufgezeichnet wurde und geschnitten werden kann.

Aber trotz dieser Bedenken bin ich der Meinung, man sollte es jetzt gut sein lassen und dem Bundespräsidenten Gelegenheit geben, sein Amt wieder in Ruhe ausüben zu können.

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3 Kommentare

Hiermit muss ich einen Teil meines Artikels, besonders den letzten Absatz, revidieren – die aktuellen Ereignisse zwingen mich dazu.

Herr Wulff hatte in seinem gestrigen TV-Interview unter anderem behauptet, er habe durch das Telefonat mit dem „Bild“-Chefredakteur den „Bild“-Artikel zu seinem Privatkredit nicht verhindern wollen, sondern lediglich darum gebeten, diesen um einen Tag zu verschieben. Die „Bild“ dementierte dies und blieb bei der Aussage, Wulff hätte mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht und den Artikel sehr wohl verhindern wollen. Um diese Unstimmigkeiten aus der Welt zu räumen, wollte das Blatt eine Abschrift der auf der Mailbox hinterlassenen Nachricht veröffentlichen und fragte deshalb den Bundespräsidenten um Erlaubnis.

Dieser lehnte nun ab – und damit hat er wohl mehr als deutlich gemacht, dass er etwas zu verbergen hat. Mit anderen Worten: er wird wohl doch versucht haben, die Veröffentlichung des Artikels zu verhindern. Denn auch, wenn Herr Wulff die von ihm gesprochenen Worte als vertraulich betrachtet und er sich persönlich dafür entschuldigt hat, wird nun niemand mehr den Verdacht loswerden, dass er in dem Fernsehinterview eben doch nicht die Wahrheit gesagt. Denn die Erlaubnis zur Veröffentlichung seiner Mail-Box-Nachricht wäre eine glänzende Gelegenheit gewesen, die Unstimmigkeiten zwischen ihm und der Zeitung zurecht zu rücken. Er wird wissen, warum er dies nicht zulassen möchte.

Deshalb nehme ich hiermit meine Aussage im letzten Absatz des Artikels zurück und bin jetzt dafür, dass er sofort zurücktritt. Er hat endgültig jegliche Glaubwürdigkeit verspielt. Außerdem hoffe ich, dass die „Bild“ den Wortlaut des Telefonats trotzdem veröffentlicht.

Danke für Deinen Kommentar!
Ich sehe es auch so, dass Wulff etwas zu verbergen hat und deswegen der Veröffentlichung des Telefonats mit dem BILD-Chefredakteur nicht zustimmt. Wulff wollte die Veröffentlichung des BILD-Artikels verhindern. Die Pressefreiheit ist jedoch eines der höchsten Güter, das müsste der BuPrä wissen.
Er muss in meinen Augen zurücktreten.
In einer Sachfrage - weniger wichtig - zugegeben, liegt er auch falsch: ein Kreditvertrag wird nicht per Handschlag geschlossen.

Das eigentlich Tragische an der ganzen Geschichte ist doch, dass sich manche Leute (auch und gerade die in politischer Verantwortung) nicht mehr erinnern können, was sie selbst zu Verfehlungen anderer öffentlich sagten, dachten und welche Maßstäbe sie an andere anlegen, solange sie sich in Opposition befinden!
Als Niedersachsens MP G. Glokowski (SPD) 1999 wegen eines zu spät gezahlten Urlaubsfluges zurücktreten mußte, wetterte der Oppositionschef Chr. Wulff: "Schon der Schein von Abhängigkeiten sei ein Problem..."

Dann, als im Jahre 2000 der damalige Bundespräsident J. Rau (SPD) wegen der Flugaffaire mit der WestLB im Kreuzfeuer stand, forderte der damalige CDU-Partei-Vize Chr. Wulff vehement dessen Rücktritt und meinte: " Es ist tragisch, dass Deutschland in diesen schweren Zeiten keinen unbefangenen Bundespräsidenten hat, der seine Stimme mit Autorität erheben kann."

Und nun präsentiert sich dieser Chr. Wulff als einen Mann, der als moralische Instanz (die er eigentlich sein sollte) komplett versagt. Zeigt sich als jemand, der täuscht und trickst, um an seinem Amt festzuhalten.
Wulff hat nicht nur ein Charakterproblem, sondern auch ein intellektuelles, sonst hätte er die Tragweite seines Handelns vorher begriffen und ganz anders agiert - zumindest aber danach anders reagiert,

Nicht seine vielfältigen Kritiker und Berichterstatter beschädigen das Amt -
Nein - das tut Wulff ganz alleine mit der Art, wie er es ausfüllt!

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