Lagertor von Buchenwald erstmals restauriert
Ein Tor mit einer Inschrift auf der mittigen Schlupftür: "Jedem das Seine". Was ohnehin zynisch wirkte, dürfte seit dem Sommer 1937 noch signalhafter und damit erniedrigender auf KZ-Häftlinge gewirkt haben. Erstmals nach sieben Jahrzehnten wurde das Lagertor von Buchenwald restauriert.
Es ist ein Zeugnis: Ein "Corpus Delicti" für die Verbrechen der Nationalsozialisten, weshalb zu erhalten ist, was noch vorhanden ist. Nicht allein der Rost hat dem schmiedeeisernen Tor in den vergangenen Jahrzehnten schwer zugesetzt. Was einst als Rolltor funktionierte, steht heute ohne Räder da und hat seine Statik verloren.
Der erfahrene Metallrestaurator, Professor Bernhard Mai, von der Fachhochschule Erfurt wurde mit der Aufarbeitung des Tores beauftragt. Das Tor wurde ausgebaut und nach Luisenthal (Kreis Gotha) gebracht, wo es von Schmiedemeister Ulf Gerlach sorgfältig restauriert werden soll.
Mit großen Überraschungen hatten die Restauratoren und die Historiker der Gedenkstätte nicht gerechnet, als Gerlach den Auftrag erhielt. Doch während der Arbeiten in der Schmiede wurden nicht nur Farbschichten freigelegt, sondern mit ihnen auch eine völlig vergessene Geschichte. Bevor Gerlach zu Hammer und Pinsel greifen durfte, untersuchte der Fachrestaurator Bernhard Mai mit seinen Studenten das Metall, die Korrosion und die Farbe. Das Ergebnis war nicht nur für Historiker verblüffend.
Denn der Schriftzug von Buchenwald, der im Gegensatz zu den "Arbeit macht frei" Inschriften von Auschwitz und Dachau ins Innere des Lagers gerichtet ist, wurde insgesamt achtmal neu gestrichen
- jedes Jahr einmal – und zwar in einem kräftigen Rot.
Die grundsätzliche Frage nach dem Ziel dieser Arbeiten und auch der künftigen Farbgebung ist dabei noch nicht beantwortet. Heute ist ein von Rost zerfressenes, dreckiges Grün zu sehen, was aus dem Jahr 1990 stammt.
Die SS interpretierte "Jedem das Seine" unmissverständlich als Recht der "Herrenmenschen" zur Erniedrigung und Vernichtung der Anderen. Das zynische Motto betonte sie zusätzlich, indem sie das Tor regelmäßig weiß streichen ließ, die in seiner Pforte eingelassenen Buchstaben rot.
"Letztlich gibt es zwei Wege: Farbschicht für Farbschicht abtragen, um dann das Tor in den ursprünglichen Zustand zu versetzen und diesen zu konservieren. Oder den jetzigen Zustand zu erhalten und vor Korrosion zu schützen", erklärte Mai.
Bis zum Abschluss der Arbeiten wird eine Replik der Schlupftüre zu sehen sein, die bereits 2009 ein gehangen wurde. Die von dem Hetschburger Kunstschmied Andreas Schwarz geschaffene Kopie ersetzte das Original, das 2009 seinen Platz in der Franz-Ehrlich-Ausstellung im Neuen Museum fand.
Über die Schrifttypen, die Ehrlich benutzte, staunt der Thüringer Schmiedemeister Ulf Gerlach. "Der hat den Nazis einfach sein Design untergejubelt!", sagt der 44-jährige Kunsthandwerker anerkennend. Dass Ehrlich die Buchstaben in Anlehnung an die Meister des Bauhauses und seine Lehrer schuf, ist hinlänglich bewiesen.
Seit dem 15. Juli 1937 ließ die SS auf dem Ettersberg bei Weimar das nationalsozialistische Konzentrationslager Buchenwald errichten. Auf ihren Befehl mussten Häftlinge im Jahr darauf auch das Lagertor installieren. Der Bauhäusler und Buchenwald-Häftling Franz Ehrlich, Designer, Architekt und ehemaliger Mitarbeiter von Walter Gropius, war gezwungen, die Inschrift zu entwerfen. Um an der tödlichen Grenze des Häftlingslagers den Ausschluss von angeblich "Minderwertigen" und politischen Gegnern aus der rassistisch definierten "deutschen Volksgemeinschaft" auf den Punkt zu bringen, hatte die SS dafür die Worte "Jedem das Seine" gewählt.
Die politischen Gefangenen, meist Kommunisten, waren sich darüber im Klaren, welche perverse Sinnumkehr die Nazis mit dem höhnischen Spruch bezweckten. Sie versuchten deshalb, den SS-Bauleiter davon zu überzeugen, den Spruch entweder zu verhindern oder zumindest auf Latein ins Lagertor zu schmieden. "Suum cuique"- das hätte mehr Distanz geschaffen als die deutsche Übersetzung.
Die Intervention der gefangenen Handwerker blieb zwar folgenlos. Franz Ehrlichs Bauhaus-Type aber blieb. Karl Otto Koch, der Kommandant von Buchenwald, hatte die ironische Brechung nicht verstanden. Mit dem bewussten Rückgriff auf gerade diese Typografie wandte Franz Ehrlich sich entschieden gegen die nationalsozialistische Weltanschauung und die Peiniger. Bauhaus-Typografie, eine subtile Intervention Ehrlichs gegen den Geist der Inschrift. Typografie als Widerstand?
In einem Beitrag für den Ausstellungskatalog zur Franz-Ehrlich-Ausstellung im Neuen Museum Weimar geht der Typograf Gerd Fleischmann sogar einen Schritt weiter: "Ob die Gefangenen, das Wachpersonal oder die Mitglieder der SS die elegant geschwungenen Bögen der beiden nebeneinander stehenden S in 'Jedem das Seine' als 'SS' erkannt haben", fragte er. Der Historiker Harry Stein sagte, dass es dafür keine Belege gebe. Aber es sei Ehrlich zuzutrauen. "Er war ein Schlitzohr." Ehrlich, der von 1927 bis 1930 Student und Mitarbeiter am Bauhaus in Dessau und später im Büro von Walter Gropius arbeitete, schob dem Lager so unbemerkt Ästhetik und Formensprache des aus Weimar vertriebenen Bauhauses unter.
Franz Ehrlich überlebte das Lager und den Krieg als Soldat des Strafbataillons 999. In der DDR gehörte er zu den einflussreichsten Architekten. Auch wenn Walter Ulbricht dem Bauhaus ebenso wenig abgewinnen konnte wie Adolf Hitler, blieb Ehrlich dem Weimarer und Dessauer Erbe treu.
Von ihm stammen u.a. die Entwürfe für das Ost-Berliner Funkhaus Nalepastraße und für das TV-Zentrum Adlershof.
Franz Ehrlich starb am 28. November 1984 in Bernburg/Saale.
250.000 Häftlinge aus ganz Europa liefen zwischen 1937 und 1945 durch das "monumentale Eingangstor", wie es der spanische Buchenwald-Gefangene Jorge Semprún Jahrzehnte später in einem seiner vielen Romane über seine KZ-Haft notierte. Im Dezember 1944 drängelten sich in Sichtweite der Inschrift über 40.000 Todgeweihte beim Morgenappell. Alle mussten hier antreten; auch die Toten. Wer in der Nacht zuvor an Typhus, Cholera oder wegen der sadistischen Behandlung durch SS oder kriminelle Kapos gestorben war, den mussten die Lebenden unterhaken und mit auf den Platz schleifen.
Ehrlichs Inschrift und das Lagertor sind nun wieder in Buchenwald eingesetzt. Das Duplikat, das mit seinem rot-weißen Anstrich in den vergangenen Monaten als Ersatztür diente, ist seit dem im Britischen Museum in London ausgestellt.
Der ursprüngliche Anstrich wurde nach den umfassenden Untersuchungen und folgender aufwändiger Restaurierungsarbeiten unter Verwendung zeitgenössischer Farbpigmente wiederhergestellt. Ulf Gerlach, der Schmiedemeister, der das Tor restaurierte und strich, hat nur an den alten Türgriffen nichts getan. Sie sind ganz glatt, von merkwürdig rostigem Glanz. Und Gerlach erklärt: "Man nennt das Streichelpatina".
> "Man kann sich auch der Geschichte Deutschlands nicht die Rosinen rauspicken und das was einem nicht gefällt einfach weg lassen."
Ging doch Tina nicht ums Weglassen, sondern um die Sache mit der "Buße", der "Schuld", usw.
Das sieht die Mehrheit ähnlich kritisch. Auch das mit der Betroffenheitspflicht, Aktionismen, usw.
Ich persönlich bin mehr daran interessiert, wie sowas passiert und wie man es verhindert in Zukunft - und dazu muss man sich damit sachlich auseinandersetzen, wie mit allen anderen historischen Ereignissen und Zusammenhängen auch - und besonders ähnlichen, denn Massen/Völkermord gab es ja nun auch oft in der Menschheitsgeschichte. Ebenso Diktaturen. Ideologische und religiöse Radikalisierungen usw. Und wenn auch immer eher auf die ideologischen Schweinereien geguckt wird, wie Mao, Castro, Kim, Stalin oder Adolf, so dürften die religiös motivierten Verfolgungen weitaus häufiger verbreitet sein.