SoVD-OV-Blumenhagen/Mödesse-Chef Welge: Eine starke Lobby für die Schwachen in unserer Gesellschaft
Der SoVD Blumenhagen/Mödesse feiert in diesem Jahr sein 60-jähriges Bestehen. Wolfgang Welge, Vorsitzender des Ortsverbands, steht im myheimat-Interview Rede und Antwort und berichtet von einer spannenden Edemisser Begebenheit, die SPD-Bürgermeister Franz Lange 1933 erlebt hat.
Seit wann sind Sie Vorsitzender des SoVD-Ortsverbands Blumenhagen/Mödesse?
Ich wurde in der Jahreshauptversammlung am 12. März 2006 im DGH in Blumenhagen gewählt. Mein Vorgänger war Heinrich Jarisch, der dieses Amt acht Jahre bekleidet hat.
Was gehört zum Aufgabengebiet des Ortsverbands?
Der SoVD-Ortsverband Blumenhagen/Mödesse ist eine aktive Gemeinschaft. Wir haben jederzeit ein offenes Ohr für unsere mehr als 150 Mitglieder. Auch Freunden und Bekannten stehen wir mit Rat und Tat zur Seite.
Wir sind als Verein in die örtliche Gemeinschaft eingebunden, wenn es um die Beteiligung an dörflichen Veranstaltungen wie Volks- oder Schützenfest, Maibaumaufstellen, Pokalschießen oder auch die Gestaltung des Volkstrauertages geht.
Wir bieten regelmäßige Info-Veranstaltungen zu den unterschiedlichsten Bereichen an, z. B. der Warnung vor den sog. Enkeltricks oder der zum Thema Wie schütze ich mein Eigentum oder auch den Möglichkeiten der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) an.
Daneben führen wir als feste Veranstaltungen abwechselnd in Blumenhagen bzw. Mödesse einen Grillnachmittag sowie eine Weihnachtsfeier durch. Seit einigen Jahren besuchen wir mit etwas 45 bis 50 Personen in der Adventszeit einen Weihnachtsmarkt. So waren wir zum Beispiel in Wernigerode bzw. auf Schloss Oelber am weißen Wege. In diesem Jahr geht es nach Münster in Westfalen, wo insgesamt fünf Märkte im Stadtzentrum besucht werden können. Großer Beliebtheit erfreuen sich seit einigen Jahren unsere Ein- bzw. Zwei-Tagesfahrten, die uns zuletzt u.a. zur Bundesgartenschau nach Schwerin, nach Lüneburg und nach Potsdam mit seinen vielen Sehenswürdigkeiten geführt haben.
Wenn Sie an die Geschichte Ihrer Ortsgruppe denken: Welches waren die Meilensteine in der Entwicklung?
Bereits 1919 waren Personen aus Blumenhagen und Mödesse dabei, als in der Fitznerschen Gastwirtschaft in Edemissen die erste Reichsbund-Ortsgruppe Edemissen gegründet wurde, um sich der Not und dem Elend der Kriegsversehrten des Ersten Weltkrieges und der Kriegerwitwen anzunehmen.
1945/46 kamen die Geschädigten bzw. Witwen des Zweiten Weltkriegs hinzu. Das führte u.a. dazu, dass die 1947 wiedergegründete Reichsbund-Ortsgruppe Edemissen Ende der vierziger Jahre mehr als 150 Mitglieder außerhalb des Zentralortes Edemissen betreut werden musste, was organisatorisch kaum zu bewältigen war. So gab es dann im Jahre 1950 die ersten Überlegungen, in den umliegenden Ortschaften eigene Ortsverbände einzurichten. Dazu ist es dann auch gekommen.
Mit Wirkung vom 1. Dezember 1951 wurde der Beschluss gefasst, die Reichsbund-Ortsgruppe Blumenhagen zu gründen, in der von Anfang an auch die Mitglieder aus Mödesse ihr Zuhause gefunden haben. Vorsitzender wurde der Kriegsversehrte Otto Nordmeyer aus Blumenhagen, der dieses Amt mehr als vier Jahrzehnte mit Eifer und Elan bis zu seinem Tod im Januar 1995 ausgeübt hat. Aufgrund seiner Verdienste wurde Otto Nordmeyer auf Vorschlag der Ortsgruppe im Januar 1993 das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Seit 1987 besteht eine Partnerschaft mit der Ortsgruppe Kressbronn-Lindau. Wie kam es dazu?
Auch die Begründung der Partnerschaft mit Kressbronn/Lindau ist ein Verdienst von Otto Nordmeyer. Wie kam es nun zu dieser Partnerschaft?
Wieder einmal (1986) war Otto Nordmeyer mit einer Reisegruppe unterwegs und man landete im schönen Bodenseeort Kressbronn. „Rein zufällig“ lernte er Alois Reutter kennen, damals Vorsitzender der Ortsgruppe Kressbronn/Lindau. Man verstand sich von Anfang an, die Chemie stimmte. Schon bald wurde der Entschluss gefasst, das lose Band der Freundschaft fester zu knüpfen und eine Partnerschaft zu begründen.
Am 21. August 1987 wurde dann in der Aula des Edemisser Schulzentrums die Partnerschaft zwischen dem Gemeindeverband Edemissen und der Ortsgruppe Kressbronn/Lindau geschlossen. Diese Partnerschaft fand bundesweite Beachtung.
Wenn Sie an die Mitgliederentwicklung denken: Was haben Sie sich bei Ihrem Amtsantritt auf die Fahnen geschrieben, dass die Mitgliederzahl sich seit Ihrem “Amtsantritt” so gesteigert hat? Verraten Sie uns das Geheimnis Ihres Erfolgs?
Zu Beginn meiner Amtszeit hatte der Ortsverband genau 93 Mitglieder. Das wir diese Zahl jetzt auf mehr als 150 Mitglieder steigern konnten, hat sicherlich mehrere Gründe. Zunächst einmal gab es einen gewissen Nachholbedarf, denn nach dem Tod von Otto Nordmeyer hatte sich in dieser Beziehung nicht allzu viel getan, um es mal vorsichtig zu beschreiben. Zum anderen sehe ich in dem enormen Zuspruch auch eine Art Anerkennung für die zahlreichen Aktivitäten, die gut angenommen werden und sich von den üblichen „Kaffeefahrten“ doch deutlich unterscheiden. Ein Geheimnis für diesen Erfolg gibt es nicht. Es ist auch nicht ausschließlich mein Erfolg, sondern der des gesamten Vorstands.
Sozialverbände sprechen traditionell eher ältere Menschen an. Warum ist der SoVD auch für junge Menschen interessant?
Dieses hat natürlich auch etwas mit der Geschichte des Reichsbundes bzw. des jetzigen Sozialverbands zu tun. Denken Sie daran, um welche Teile der Bevölkerung wir uns als einzige Organisation in Deutschland insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg gekümmert haben. Heute sind es insbesondere Behinderte, Sozialrentner und Hinterbliebene, denen unsere Aufmerksamkeit gilt, aber auch unsere Jugendorganisation dürfte für viele jüngere Menschen interessant sein.
Die Mitgliedschaft im SoVD ist doch keine Frage des Alters. Viele ganz junge Leute haben als Teilnehmer am Straßenverkehr Unfälle mit Folgeschäden. Auch Herzinfarkte und Bandscheibenvorfälle sind oft keine Frage des Alters.
Sie haben im Laufe Ihrer Zeit beim SoVD bestimmt viel erlebt. Gibt es eine bestimmte Geschichte, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind?
Eine Geschichte ist spannend und auch wichtig für den Sozialverband. Sie hat sich 1933 in Edemissen abgespielt:
Bürgermeister Franz Lange war ein schlauer Mann, ein aufrechter Sozialdemokrat. Bei den Kommunalwahlen im März 1933 war es ihm gelungen, der nationalsozialistischen Konkurrenz die Stirn zu bieten und einen Patt zu erreichen. Nach altem Brauch musste um den Posten nun geknobelt werden. Lange hatte Glück und wurde Bürgermeister. Eine große Provokation für die braunen Machthaber. „Nur weg mit den wichtigen Papieren, bevor sie die Nazis in die Hände bekommen“, sagte er sich im August 1933. Wohin aber mit den Unterlagen, den Namen und Adressen von SPD und Reichsbund? Am Kuhstall auf seinem Gehöft in der später nach ihm benannten „Langen Straße“ fiel dann der Groschen: Einmauern und Putz darüber. Hinter Schwalbennestern und Kuhfladenspritzern würde kein brauner Scherge das Gesuchte vermuten. Und richtig, im Oktober 1933 umstellten die Nazis sein Haus und Lange kam in Untersuchungshaft. Sein Haus wurde auf den Kopf gestellt, gefunden wurde nichts. Er überlebte den Krieg. Doch erst nach seinem Tod kamen die wichtigen Dokumente nach Hinweisen von seiner Tochter wieder ans Tageslicht, darunter auch ein Protokollbuch aus der Gründerzeit des Edemisser Reichsbundes.
Im Oktober stehen die Geburtstagsfeierlichkeiten an. Welches ist denn aus Ihrer Sicht der Höhepunkt des Festwochenendes?
Höhepunkt wird zweifellos der Festkommers am Sonnabend, 15. Oktober, sein, den wir in der Aula des Edemisser Schulzentrums durchführen wollen.
Dazu haben wir alle Mitglieder unseres Ortsverbandes, die Vertreter der Politik, die Vorstände der Edemisser SoVD Ortsverbände, die Vertreter der Örtlichen Vereine und Verbände sowie den Vorstand unseres Partnerverbandes aus Kressbronn eingeladen. Auch die aufgelegte Festschrift soll an diesem Tage verteilt werden. Es ist uns gelungen, den Ehrenvorsitzenden des SoVD-Kreises Peine, Dr. Peter Schroer, als Festredner zu gewinnen.
Mir ist aber auch wichtig, auf unsere Dokumentation „Vom Reichsbund zum Sozialverband“ hinzuweisen, die wir mit Unterstützung des Landesverbandes vorbereitet haben und aufstellen werden. Historische Fotos und Schriften belegen mehr als 90 Jahre Geschichte.
Wo sehen Sie Ihren Ortsverband in zehn Jahren?
Das ist eine interessante Frage. Ältere Mitglieder werden sterben, jüngere Mitglieder müssen gewonnen werden. Ich wünsche mir, dass wir auch weiterhin genügend Personen finden, die zu ehrenamtlicher Vorstandstätigkeit bereit sind, und dass wir auch in zehn Jahren noch von uns sagen können, eine starke Lobby für die Schwachen in unserer Gesellschaft zu sein.
Mal abgesehen vom SoVD: Was macht Edemissen lebenswert? Und was sollte besser werden?
Das örtliche Leben ist in Ordnung. In den insgesamt 14 Ortschaften der Wohlfühlgemeinde Edemissen besteht ein reges Treiben. Das muss auch unter dem Eindruck und den Auswirkungen des demografischen Wandels so bleiben. Dazu müssen wir aber alle beitragen.
Für den Sozialverband wünsche ich mir, dass die Zusammenarbeit der Ortsverbandsvorstände innerhalb der Gemeinde Edemissen wieder aktiviert wird.