Wie ist es, wenn man den DFB-Pokal in Lüfte hebt, Herr Kretzschmar?
Jörg Kretzschmar ist seit 2000 Trainer beim verrückten Dorfverein und Bezirksoberligisten MTV Ilten. In seiner aktiven Zeit war er unter anderem Profi bei Borussia Mönchengladbach und Hannover 96. 1992 gewann er mit 96 den DFB-Pokal - Ein Interview:
Waren Sie als Kind immer auf den Sportplatz zu finden?
Ich hab einen drei Jahre älteren Bruder und da bin ich zum Fußball spielen immer mitgekommen. Zunächst war ich, weil ich ja der Kleinste der ganzen Sippe war, immer der Ballholer. So bin ich eigentlich zum Fußball gekommen. Als Mitbringsel, immer mit den Älteren mitgespielt zu haben, ist, und das hat mich glaube ich auch geprägt, sich immer gegenüber Älteren durchzusetzen. Das war vielleicht auch die Basis für meine Karriere.
Wann wurden sie entdeckt?
Ich wurde zweimal entdeckt. Einmal in der damaligen DDR, wo ich zu Dynamo Dresden gewechselt bin und natürlich hier wo ich in Braunschweig in Hondelage gespielt habe und dann von Hondelage, das war eine Bezirksklassemannschaft, zum VFL Wolfsburg gegangen bin. Da fing eigentlich auch hier im Westen meine Karriere an.
Mit 24 Jahren gingen Sie dann zu Borussia Mönchengladbach.
Wie war das Berufsleben in der ersten Liga?
Es war ein schönes, interessantes und aufregendes Leben und für mich auch etwas Faszinierendes, dass ich bei meinem Lieblingsverein, den ich früher hatte und das war Borussia Mönchengladbach spielen konnte. Am Bökelberg ist mein Jugendtraum in Erfüllung gegangen.
Sie spielten mit einem gewissen Stefan Effenberg zusammen. Was war er für ein Typ?
Damals war er 18 oder 19 Jahre alt. Er war ein lockerer Vogel, den ich jetzt auch noch unwahrscheinlich sympathisch finde auch wenn die Meinungen da auseinander gehen. Ich kenne ihn persönlich etwas besser.
1988/89 gingen sie zum SV Meppen, wieso?
Dadurch, dass es im Moment in der ersten Liga in Gladbach nicht reichte, bin ich dann in die zweite Liga gegangen. Ich kannte A den Trainer und auch zehn Spieler von der Niedersachsenauswahl, mit denen ich 1987 Länderpokalsieger geworden bin. Dort versuchte ich meine Chance in der zweiten Liga Fuß zu fassen.
1990/91 ging es dann zu 96. Was hat sie dazu getrieben?
Die Herausforderung! Natürlich hat man andere Ambitionen bei so einem großen Verein wie Hannover 96 mit der Stadt, mit dem Umfeld. Im Gegensatz zum SV Meppen, der ja doch so ein bisschen ein ländlicher Verein ist. Ganz einfach die Herausforderung vielleicht Großes zu erreichen und deshalb bin ich von Hannover nach Meppen gewechselt.
In diesem Jahr schlug Hannover Braunschweig mit 1:0 und 3:0. Wie waren die Spiele gegen den Erzrivalen?
Emotionen Pur – das ist klar, das ist ein Derbycharakter, das kann man auch nicht beschreiben. Das sind Spiele wo unwahrscheinlich viel Feuer dabei ist. Wir sind Gott sei Dank immer auf der glücklichen Seite gewesen.
Das Finale um den DFB-Pokal 1991/92 fand in Berlin vor einer Kulisse von 76.000 Zuschauern statt. Wie fühlt man sich da unten auf dem Spielfeld?
Es ist natürlich das Größte, wenn man im deutschen Pokalendspiel steht und dann noch gegen meinen Ex-Verein und Lieblingsverein Borussia Mönchengladbach spielt. Für mich war das natürlich ein Traumendspiel mit einer unwahrscheinlich geilen Kulisse und wenn man dann noch als Sieger vom Platz geht, rundet das natürlich alles noch ab.
Im Elfmeterschießen mussten Sie gegen Ihren früheren Teamkollegen Uwe Kamps treffen. Wie froh waren Sie als der Ball im Tor lag?
Es war ja nicht nur ein Teamkollege, sondern auch ein guter Freund, mit dem ich viel unternommen habe in Gladbach. In dem Moment, war ich froh, dass der Ball im Tor war. Das ist ganz klar. Die Anspannung ist schon sehr groß im Finale. Ich habe mich natürlich sehr konzentriert, das Tor zu machen und uns auf die Siegerstraße zu bringen.
Wie fühlt man sich, wenn man den DFB-Pokal in die Lüfte hebt?
Geil! Wie im siebten Himmel. Das ist eine schöne Sache. Nicht nur für einen selber, sondern auch für die ganze Mannschaft, für die Leute, die hinter der Mannschaft stehen und natürlich auch die Fans, die Stadt Hannover. Es war einfach genial!
1992/93 war es dann zu Ende mit 96, wieso?
Wie das Leben manchmal so ist. Das Karriereende naht – ich war Ende Zwanzig. Der Trainer steht nicht mehr auf einen, dann muss man in die Zukunft schauen und für mich war es wichtig, mich beruflich weiterzuentwickeln und somit habe ich mich reamateurisieren lassen.
Von 1996-2000 spielten Sie dann in Magdeburg. Wie war die Zeit dort?
Es war eine Erfahrung, etwas völlig Neues. Ich bin nach Magdeburg gekommen, da war eigentlich Land unter. Es war sehr dunkel in Magdeburg und wir haben mit einer fantastischen Rückserie den fast unmöglichen Aufstieg in die Regionalliga geschafft und somit hat sich natürlich dieses erste halbe Jahr für mich sehr gut entwickelt.
Wann und wieso gingen Sie zum MTV Ilten?
Ich wohne schon seit 1990 hier. Ich habe meine Frau kennengelernt, wo ich Profi bei 96 war und seitdem wohne ich hier in Ilten. Sicherlich die Anfänge waren, dass mein Sohn hier begonnen hat Fußball zu spielen und so bin ich eigentlich mehr oder weniger über das Vaterdasein zu dem MTV Ilten gekommen und habe öfter mal hier zugeschaut.
2000 fingen Sie hier an. Wo spielte Ilten damals?
In der Kreisliga!
Und wann ging es so richtig aufwärts?
Erst einmal ging es bergab. Ich bin hierher gekommen im Winter als Feuerwehrmann. Dann sind wir leider abgestiegen in die 1. Kreisklasse, wo sicherlich viel Neues investiert wurde. Mit diesem Schritt zurück ist hier eigentlich etwas zusammengewachsen, was uns in den letzten Jahren sehr weit nach vorne gebracht hat.
Wie bewerten Sie die letzte Saison in der Bezirksliga?
Für uns lief sie optimal, wenn man sieht wie wir in der Liga gespielt haben mit den Ergebnissen, die keiner von uns erwartet hatte. Überdimensional gut!
Schafft das Team den Klassenerhalt in der Bezirksoberliga?
Das ist eine schwierige Frage zum jetzigen Zeitpunkt. Wir hoffen natürlich, dass wir alles daran setzen werden, den Klassenerhalt zu schaffen, aber ob wir es letztendlich auch realisieren können, wird sich sicherlich zeigen. Das ist ein Abenteuer für uns und ist verdammt schwer.
Was macht den Fußball oder besser gesagt machen die beiden ersten Herrenmannschaften in Ilten aus?
Ich glaube ganz einfach, dass es im Moment zwischen dem Trainerstab und der Mannschaft passt. Vor allen Dingen haben wir eine riesen Kameradschaft und das ist im Moment der Matchwinner und auch der Schlüssel zum Erfolg in den letzten Jahren.
Ist Ilten ein verrücktes Dorf?
Ja, wenn man sieht, was hier in den letzten zwei, drei Jahren zwischen der Mannschaft und den Fans gewachsen ist. Und das sieht man natürlich auch bei den Heimspielen, dass die Zuschauerzahlen sich stetig erhöhen. Ich glaube, das ist eine gute Basis. Auch der Erfolg der Jungs, weil sie eben ehrlichen Fußball spielen und immer versuchen alles zu geben und das hat sich mittlerweile im Dorf rumgesprochen. Deshalb kann man ein verrücktes Dorf uns alle nennen.
Nächstes Jahr spielt Ilten gegen Arminia Hannover. Freuen Sie sich schon auf die Spiele und wie werden sie ausgehen?
Wir gegen Arminia Hannover. Das ist schwierig! Wenn man mal die Vergangenheit, die Tradition nimmt und wo Arminia mal gespielt hat und wo wir herkommen, ist es sicherlich für uns eine unwahrscheinliche Herausforderung, auch wenn die Zeiten sich geändert haben. Wir sind sicherlich der kleine Hecht im Karpfenteich und wollen natürlich die großen Mannschaften wie Arminia, Ricklingen und so weiter ein bisschen ärgern – das ist ganz klar.
In der Bundesliga gibt es einen Dorfverein namens Hoffenheim. Ist so etwas auch mit Ilten möglich?
Nein, da muss man realistisch denken. Es wäre schön, wenn wir einen Herrn Hopp hätten, aber wir sollten die Kirche im Dorf lassen und da wo wir im Moment sind, das ist das allerhöchste der Gefühle mit den Voraussetzungen, die wir momentan hier haben.
Ein tolles Interview, mit vielen Infos.