Körbchengrößen gegen den Hunger: Bittere Wurzeln und harte Arbeit bei den Flathead- indianern in Montana (USA)
Karl May schreibt: „Indianer können hungern“.
Natürlich mußte bei vielen Indianervölkern durch Selbstdisziplin die Nahrungsaufnahme in schlechten Wintern in den Bergen auf ein Minimum reduziert werden. Nachdem den Stämmen im Flathead-reservat in Montana durch Zuzug vieler neuer Siedler im 20. Jhdt. das seit Urzeiten bewohnte und später als Reservat zugeteilte Land quasi wieder weg genommen worden war, war aber auch im 20. Jhdt. die Nutzung des Bodens nach altem Brauch kaum mehr möglich. Der Flathead-river, ein Zufluß zum Colorado-river wurde durch Staustufen energetisch nutzbar gemacht. Allerdings konnten die Lachse und Störe so nicht mehr im Stammesgebiet ablaichen. Überflutungsland wurde trockengelegt, so daß auch die Enten und Gänse nicht mehr in gleicher Zahl gejagt werden konnten. Von den Weisen eingeschleppte Krankheiten, dezimierten die indigene Bevölkerung drastisch. Die Ernährung im Winter wurde und wird fast ausschließlich durch das Glück bei der Jagd gewährleistet. In dünnen Streifen getrocknetes Fleisch (Jerkey) von Bison, Weisswedelhirsch, Elch und getrockneter Lachs wird für Notzeiten zurückgelegt.
Manche Frauen stellen aus Fleisch unter Zugabe von Beeren und Wurzeln durch Zerstampfen und Vermischen auch kleine getrocknete Kugeln für den allerschlimmsten Hunger her. Der Winter ist ,wie bei den europäischen Farmern auch, bestimmt durch wichtige Arbeiten im Haus. Die Frauen stellen Kleidung aus ungegerbten Häuten her, die sie durch Zusatz von gerbender Rinde, mit feuchtem Durchwalken und Kauen weich und geschmeidig machen. Auch der Zedernbaum liefert durch seine stabilen Rindenfasern, den Zedern-Bast, Rohmaterial für Kleidungsstücke. Aus den Wurzeln der Zedernbäume (Thujen -Lebensbäume) gewinnen die Frauen die dünnen Fäserchen, die zu dünnmaschigen kunstvollen Körbchen verflochten werden. Durch Verwendung unterschiedlich gefärbter Wurzeln werden herrlich kunstvolle Bildmuster an den Körbchen erzeugt. Die komplizierte und anstrengende Arbeit geht den Frauen in der fröhlichen Gemeinschaft im Erd-, Schilfmatten oder Rindenhaus leichter von der Hand. Auch bei uns gab es ja früher für die Erledigung solcher ermüdigenden Arbeiten wie Spinnen oder Weben oder Nähen solche Gemeinschaftshäuser.
Auch uns sind diese dünnen bartähnlichen Würzelchen sicher schon einmal beim Ausgraben von Thujenhecken aufgefallen. Trotz des gemeinsamen Zusammenhaltens des Clans ist die Winterzeit nur mit Glück zu überstehen und das Abtauen des Schnees, Auftauen des Bodens und Keimen der ersten Pflanzen wird mit tiefer Freude erwartet. Die kleineren Kinder werden in einer kunstvoll oft mit Perlen bestickten Babytrage auf dem Rücken zu jeder Arbeit mit genommen. Da die Kinder auch mit einem Stirnband fixiert werden, bildet sich eine sehr flache Stirn, die den Flathead-indianern den Namen gab.
Kaum ist der Erde weich genug, gehen die Frauen der Flathead ,Kootenay und Shoshone Indianer in der Flathead-Reservation im nördlichen Montana mit Ihren selbstgeflochtenen Körbchen und Grabstöcken zum Wurzelstechen nach den Bitter Roots (Lewisia). Diese von den First Nations seit Jahrtausenden genutzte Pflanze ,die wie eine Hauswurz sehr dicke fleischige Blätter hat, wurde nach Meriwether Lewis im vorletzten Jahrhundert bei der Lewis- und Clark-expedition entdeckt und benannt. Sie schmeckt unheimlich bitter. Die fingerlangen Wurzeln sind aber sehr nährstoffreich und verhelfen so dem Stamm zu dem im ersten Frühling notwendigen Nahrungsmittelschub. Auch Lilienknollen werden gerntet. Werden genug Wurzel gefunden, veranstalten die Kootenay und anderen Völker ein großes Frühlingsfest, bei dem aus den Wurzeln auch Bier hergestellt wird.
(Das sogenannte Rootbier der frühen europäischen Zuwanderer wird im Osten der Vereinigten Staaten jedoch aus den süssen Wurzeln des Sassafrasbaumes gewonnen, wurde aber möglicherweise durch die Bitterwurzel als Ersatz für Hopfen aromatisiert.)