Wir sind Maske - wir werden Buch
Dieses Buch über Masken beginnt mit einem Fotoschooting mitten im März 2020 beim Ausbruch des pandemischen Coronavirus. Olga Michi, die bekannte Fotografin ist extra aus Moskau angereist, um hier in Diedorf bei Augsburg im privaten Maskenmuseum von Michael Stöhr Licht auf das Phänomen Maske zu werfen. Auf eigene Kosten will sie dem Maskenmuseum ein prachtvolles Buch widmen und mit russisch-englischen Texten für uns auf neuem Felde im Osten des Großkontinentes Eurasien für Werbung und Bekanntheit sorgen. Nach Ihrem Flug zurück nach Moskau wird auf sie wohl eine lange 14-tägige Quarantänezeit warten. Wurde sie vom noch unbeherrschten chinesisch-europäischen Virus infiltriert? Entsteht so ungewollt und aus reinem Zufall eine neue eiserne Mauer der Angst zwischen Ost und West in Zeiten der Globalisierung? Überall schließen Grenzen auch im Südosten Afrikas , wo wir eigentlich gerade hinfliegen wollten.
Die Vorräte an Atemschutzmasken sind hier in Europa längst bereits alle ausverkauft. Der Virus hat das Leben in Italien mittlerweile überall und voll kommen bestimmt. Gesamteuropa mit bisher nur ganz wenigen Toten infolge der Krankheit wird momentan noch mehr von der Angst als vom Virus selbst , von regelrechter Panik und Hamsterkäufen bestimmt. Vielerorts sieht man die Menschen hinter den weissen Atemschutzmasken mit deutlichem Abstand zueinander vor Geschäften und Apotheken in Reihe stehen.
Heißt es nicht, dieser Mundschutz würde für den Übertragungsweg der Tröpfcheninfektion für den Träger keinerlei Schutz bieten? Nur wenige würden, weil selbst vielleicht schon infiziert, die Maske tragen, um die Ansteckungsgefahr für Andere hierbei tatsächlich ein zu schränken. Wen soll die Maske schützen, wer versteckt sich vor wem? Was geht den Trägern durch den Kopf hinter dem verdeckenden Gesichtsschutz der Maske? Was löst das bei den anderen Menschen aus, die jetzt gerade so viele Maskenträger sehen?
Haben wir uns vor Jahren nicht selbst noch darüber lustig gemacht, wie in den Großstätten Japans und Chinas die Identität hinter den Schutzmasken der Menschenmenge verschwand, die Individuen zusammen gebacken wurden, zu einer geschäftig dahin strömenden Masse aus gelber Haut, Schlitzaugen und Mundschutz? Wie erbärmlich scheiterte der Versuch, uns alle als Weltenbürger zu sehen, an diesem das Schubladendenken, ja gar den Rassismus förderndem rein optischen Eindruck, der nur von unserem Wahrnehmungsapparat beherrschten Maske für unterschiedlichste Völkerscharen.
Was ist eine Maske? Was ist das für ein Phänomen mit der Maske? Wie hat sich das entwickelt?
Die Maske:
Sie versteckt einzelne Persönlichkeiten für den Blick des Betrachters hinter einem vereinheitlichenden meist auch vereinfachendem Rollenbild. Ist es vom Maskenträger gewollt, wird der zur Handlungsbestimmenden Figur, zum Schauspieler. Die alten Römer prägten dafür den Begriff für Persona, sowohl für den Spieler als auch die Maske selbst. Der Schauspieler tritt hinter die aussagekräftig vereinfachte Maske, um auch vor großem Publikum und auf die weite Distanz des Theaters gut erkennbar seine klar vorgeschriebene Rolle spielen zu können.
Wie zu erwarten ist, verliert der mit seinen spezifischen Eigenschaften ausgestattete Mensch hinter der Maske dabei aber völlig sein ganz eigenes Ich, wird als individueller Mensch dabei völlig vor den Augen der Zuschauer verborgen. Das was sich zwischen die wahrhafte Persönlichkeit und sein Gegenüber schiebt, hat Platon und die griechische Welt verächtlich: Prosopon (das was sich vor das Auge, vor das Gesicht schiebt) bezeichnet. Wenn er nicht sein wahres Gesicht zeigen muss, kann der Mensch sich hinter einer Maske verstecken. Natürlich kann er sich durch eine für unterschiedliche Zwecke gefertigte Maske oder einen spezifischen Schutzhelm damit auch meist wirkungsvoll schützen.
Bei Griechen und Römern soll, so die Forschung der nicht ganz so weit zurück liegenden Geschichte in Klassizismus und im 19. Jhdt., der Gebrauch der Masken erfunden worden sein. Besondere Bedeutung käme, so auch Goethe, den verschiedenen Festen zwischen Winterhalbjahr und Sommerbeginn zu, wie den Saturnalien, den Lypercalien und den Dionysien. An ersteren erhielten die Arbeiter und Sklaven Ihren Lohn und durften in den Kleidern der Herren die fremde Rolle mit wildem Feiern ausleben. Hier haben wohl die heutige Fastnacht und der Karneval Ihre frühen Wurzeln. Bei den Lypercalien, dem in blutige Urzeiten zurück reichenden Fest der exstatischen Frauen und Seherinnen, schlüpften diese in frisch abgezogene Ziegen- und Kuhhäute.
Bei den ebenfalls bis zur Exstase gesteigerterten Dionysien , dem Fest zu Ehren des Natur- und Weingottes Dionysos/Bacchus schliesslich traten bei den Umzügen, so die alte Geschichtsschreibung, Tier- und vor Allem Bocksmasken auf, die bei den wild überbordenden Umzügen für Spass und Abwechslung sorgten. Hinter den Bocksmasken durften die Teilnehmer Ihre alte beengende Rolle verlassen und bei Umzügen (komos: griech Umzug, odos : Gesang, Komödie: Gesang, Geschrei beim Umzug) zum triebhaften Tier werden. Johlen, Gröhlen und nachgeahmte Tierschreie, orgiastische und sexuelle Ausschweifungen bei diesen Auftritten lassen natürlich auch hier karnevaleske Ursprünge erahnen. Mit den klagenden Bocksgesängen (Tragos: griech. Ziegenbock) reiht sich die Tragödie mit dem Chor der Schauspieler jeweils unter fast identisch gleichen Masken in den griechisch-römischen Festreigen ein.
Die Urgeschichte der Maske
Was die Maske vor der Erfindung der Schrift für die Menschen der Altsteinzeit und des Neolithikums bedeutet hat, wissen wir auf Grund fehlender schriftlicher Quellen nicht ganz so sicher, können uns aber aus den materialbedingt wenigen Fundstücken dann doch ein wenngleich bruchstückhaftes Bild machen. Wie viele Höhlenzeichnungen des Mesolithikums vor Allem in Südfrankreich und Spanien belegen, scheinen Tiermasken aus übergestreifter Haut und Geweihaufsätze den Priestern gedient zu haben, sich in vermittelnder Rolle zwischen Jagdbeute und Mensch eingeschaltet zu haben. Rückschlüsse darauf will man gerne aus den Aktivitäten sibirischer und amerikanischer Schamanentänzer ableiten.
Nur 60 km von unserem Museum im Lohne- und Blautal wurde neben den mit fast 40.000 Jahren ältesten Zeugnissen künstlerischer Naturnachbildung ein aus Mammutzahn geschnitzter Mensch gefunden, der scheinbar fast zweifelsfrei in der Haut eines Höhlenlöwen auch eine Löwenfellmaske trägt. Gerne möchte auch hier auf die Erfahrungen mit noch lebenden Naturvölkern zurückgreifen und sich als Vorlage hierbei einen unter der abgezogenen Haut unbemerkt an die Beutetiere heranpirschenden Jäger oder einen vermittelnden Schamanen vorstellen. Ob man unter der Löwenhaut als Jäger aber ebenso unbemerkt geblieben ist wie die Mandaw-indianer in Milwaukee unter ihrer Verkleidung als Kojote oder die Buschmänner im Straussenkostüm bleibt sicher eher fraglich.
Betrachtet man eine Karte der heutigen Naturvölker in Hinsicht auf Ihren hauptsächlichen Nahrungserwerb, so wird klar, dass Nomadenvölker wie in Nordamerika die Sioux oder die Reitervölker der Mongolei, dass herumstreifende Jäger und Sammler, wie zum Beispiel die Aborigines Australiens, wirklich fast nie Masken erschaffen und diese dann mühevoll noch mit sich herumschleppen. Ausnahme sind vielleicht die ohne viel Aufwand übergezogene Haut der Jagdtiere oder wie bei den Tigerjägern Sibiriens der schnelle Schnitt über die Rinde der Birke, die dann als Schutzmaske als Versteck für den Jäger vor den Verfolgungen des Tigers oder Bären in den kommenden Träumen dient. Maskentragende Völker sind dagegen üblicherweise immer sesshafte Pflanzer.
Noch imprägnanter die Tatsache, dass in den neu gegründeten Pflanzersiedlungen zwar eine große Menge an Frauen –und Kinderskeletten gefunden wurden , die unter dem Herd , dem Bett oder vor der Haustüre im Inneraum selbst begraben waren. Männerskelette fehlen fast durchwegs. Für den Erhalt der Sippe waren Männer freilich begreiflicherweise dagegen notwendig. Viele ForscherInnen sehen darin und in der Auffindung einer überwältigender Menge kleiner weiblicher Fruchtbarkeitsidole, die oft sogar wie bei einer Versammlung im Fundkomplex ringförmig angeordnet waren, den Schluss: Dieses Matriarchat wurde von klugen älteren Frauen geleitet, die auch beim Feldanbau und Verteilung und Lagerung der Feldfrüchte die wichtigsten Aufgaben hatten.
Immer wieder fand man allerdings dabei auch Schädelkalotten von Pferd, Ziege, Schwein und vor Allem vom Auerochsen, angebohrt wie eine Maske zum Befestigen der Schnüre oder Riemen an den Seiten, dabei aber keine Männer weit und breit. Diese hatte man schon aus Sorge vor den erst unlängst gezähmten Auerochsen, denen keine Lehmmauer Wiederstand bot , zum Viehhüten in die Prärie geschickt. Es waren Nomaden, die mit dem Vieh im großen Kreis um das Dorf weiterzogen Und beim Jagen konnten sie da ja sowieso nicht auf einer Stelle bleiben. Das Vieh unbeaufsichtigt lassen, konnte man aber auch nicht. So mag wohl jeder Mann, alle Männer, die sich Richtung Dorf davon machten, als Fahnenflüchtiger angesehen und evtl. bestraft worden sein.
Nur zu bestimmten Festtagen vor Allem im beginnenden Frühjahr durften Gruppen eben als Weidetiere( die Tierschädelmasken) maskierter noch junger Männer in die Dörfer kommen und für den Nachwuchs sorgen. Diese Männer scheinen von der Männerhorde mit Mutproben und Geschicklichkeitsspielen vor Allem im Umgang mit den Stieren ermittelt worden zu sein. Eine deutliche Linie von den Stierkulten in Catal Hüük, über den Palast von Knossos bis zu den spanischen stierkämpfen zeichnet sich hier ab.
Haut, Geweih, Hörner und vor Allem aus Pflanzenmaterial wie Rinde oder Gewebe hergestellte und für Masken üblicherweise verwendete Materialien sind nur kurzfristig haltbar und so erweckt der sparsame Fundkomplex der vorgeschichtlichen Frühzeit einmal den völlig falschen Eindruck, es habe fast keine Masken gegeben. Die wenigen erhaltenen Masken sind überwiegend aus gebranntem Ton und in manchen Gebieten auch aus oft leichter zu bearbeitenden Gesteinssorten wie Sandstein und Kalktuff. Sicher waren diese vom Material her ja unangenehm schweren Masken nie zum Tragen bestimmt.
Sie dienten als Vorlage, vielleicht als prägender Untergrund zum Formen von ungegerbter feuchter Haut oder als Totenmaske, die das verwesenden Gesicht des Verstorbenen für die Ewigkeit vereinfacht und so auf das Wesentliche idealisiert erhalten sollte. Gerade in der Kultur der ersten Pflanzer im Neolithikum wurden in der Levante, im fruchtbaren Halbmond solcher hier aus härterem Stein gefertigte Masken gefunden, die sogar meist deutlich sogar als skelettierte Gesichter, als Totenschädel zu erkennen sind. Wurde das gemacht, um den unschönen Prozess der Verwesung zu überspringen, oder dient das Verbergen des Gesichtes dazu, mögliches Unheil aus dem Blick der toten Augen zu bannen?
Die Maske in Europa
Muss man das Beschweren des Gesichtes evtl. deuten, als den Versuch einen in böser Absicht wieder auferstehenden Toten, der nicht nur in den Träumen real scheint, so stärker ans Grab zu binden? So etwas kennt man ja auch aus dem geschichtlich erforschten Mittelalter Europas mit Steinbeschwerungen, Pfählungen oder Fesselungen/Umwicklungen des Toten. Letzterer Brauch bei den Langobarden lässt sich übrigens ja für etymologische Deutung, für den Begriff der Maske aus dem langobardischen Maska für Masche und Netz, heran ziehen.
Breitere Zustimmung findet ja die Herleitung vom italienischen mascheres, das wiederum vom arabischen Begriff für aus Nordafrika eingewanderte Gaukler , maskierte Schauspieler und Possenreiser mascarones abstammen soll. Diese Personengruppe hatten ja die griechischen Charaktere der Komödien und Tragödien ebenso in Ihrem Repertoire verankert und damit gegen die christliche Ablehnung bewahrt, wie auch die islamischen Gelehrten die Erkenntnisse griechischer Medizin und Naturwissenschaft für spätere „unchristlichere“ Zeiten aufbewahren halfen. Die Maskentypen des griechisch-römischen Theaters lebten über fahrende Gaukler und Schauspieler auf den Jahrmärkten bis zur Comedia dell Arte an den barocken Fürstenhöfen und vielen Maskenfiguren der heutigen Fasnacht und des Karnevals fort.
War die Maske im frühmittelalterlichen Europa eher von der Kirche verbannt und geächtet, so erkannte die katholische Kirche spätestens seit der Gegenreformation, dass für die zum Wohle von Adel und Kirche schwer schuftende untere Bevölkerungsschicht, einmal kurz vor der Fastenzeit ein Fest der Befreiung von Zwängen und Einschränkungen durchaus sehr nützlich war. Unzufriedenen Tagelöhner und Leibeigenen gab man so ja die Möglichkeit ihren ganzen unterdrückte Impetus und die verbannte Lust nach dieser von oben nicht nur geduldeten, sondern sogar gesteuerten eruptiven Entladung, dem Abschöpfen des gärenden Überdrucks, wieder für ein weiteres Jahr mundtot und einfügsam in jede kommende Arbeit und Entbehrung zu stecken. Der protestantische Weg der Belehrung zum Verzicht auf alles Ausufernde hat natürlich überall … außer zu hehrem Schutz… auch die Maskierung verboten.
Zur Theatralik des barocken Kirchenraumes mit all den Übergängen zwischen Realität und erhöhter Vorstellung passen freilich dagegen auch die teils maskierten, zumindest kostümierten Spielgruppen, die Weihnachts- oder Passionsablauf für die der Kirchensprache nicht mächtigen Bauern in Szene setzen. Herodes, Pilatus und die heiligen drei Könige hatten, ebensowenig wie die römischen Soldaten , ja ein auch für die ungebildete Bevölkerung völlig anderes Aussehen und eine andere Kleidung als die zur Verfügung stehenden Laienspieler. Selbst geschneiderte Adelskostüme und geliehene Rüstungen konnten, wenngleich sehr europäisch anmutend, helfen. Sollte nun der Teufel Herodes für den Kindermord und Judas für den Verrat bestrafen , sollte der Tod mit der Sense den Reigen in der Kirche anführen, brauchte man allerdings zumindest zwei deutlich drastische Masken, die beim Tod mit Holz ganz einfach geschnitzt , beim Teufel dann mit Blech und Leder für Ohren oder Zunge dramatisch verziert wurden .
Während der Wintermonate war die ärmere Bevölkerung, vor Allem Tagelöhner und Kinder, auf Betteln angewiesen. Neben dem täglichen Schleimbrei aus billigem Getreide wie Hafer und Gerste konnte man ja auch den harten Winter ohne Zugabe von Vitaminen und Eiweiss reicher Nahrung kaum überstehen. So zogen zu jedmöglicher Gelegenheit Gruppen mit Kindern und Erwachsenen von Haus zu Haus zum Glöggeln/Klöpfeln (Anklopfen).Beim Nikolausumzug, durften Drohfiguren, die dem geizigen Bauern, Schrecken einjagen sollten, nicht fehlen. Die Weihnachstspiele der Kinder waren einfach und drastisch gehalten. Am Tag der unschuldigen Kinder und beim uralten Perchtenumzug waren teuflische Masken gefragt. Waren viele dieser Masken einfach selbst gestaltet, so zeichnen sich andere durch eine eher geübtere Schnitztechnik aus: Sie waren Leihgaben der Kirche. Bei der Fastnacht vor Beginn des Fastens mußten auch bei den Reichen die Vorräte aufgebraucht sein. Hier lohnten sich die Heischegänge besonders. Die Verkleidungen entstanden aber ebenso wie beim Vorläufer der römischen Saturnalien zunächst immer einfach als Kleidertausch.
In reicheren Gebieten wurde Fastnacht und Karneval ein kommunales Ereignis. Bei der Fastnet in Baden Würthemberg ziehen uniform gekleidete Vereine mit identisch gefrästen und bemalten Masken durch das Dorf, die sich von Ortschaft zu Ortschaft regional abgrenzend unterscheiden. Die Teilnahme an einem dieser Vereine ist quasi ungeschriebener Gruppenzwang, um nicht als Eigenbrödler und Gesellschaftsmuffel geächtet zu werden. Ebenso ist der Kauf eine der teuren Kostüme und uniformierenden Masken ebenso Prestigezwang wie der Besitz eines teuren Autos oder Fernsehers, etc..
Gleiches gilt beim Karneval für die Beteiligung an den großen geschlossenen Veanstaltungen mit Alkoholausschank ,Bühne, Büttenredner, Komiker , gemeinsamem Schunkeln und durch Fanfaren angekündigten Lachsalven. Zwang ist Pflicht, wehe wer sich outet! Aber auch schon die mittelalterliche Bauern, konnten ja durch die gesteuerte Eruption wieder scheinbar am Gefühl der Freiheit schnuppern. Heute wird man ,wenn überhaupt, eher erst nach der Fastnacht/Karneval wieder frei.
Die Maske bei den Naturvölkern.
Die große Globalisierung, bei der unsere Unterhaltungsindustrie den Tourismus mit Erlebnisanspruch nutzt, hat mittlerweile auch vor breiten Reiseangeboten zu den „ Wilden“ nicht haltgemacht. Der „gute Wilde“ wird seit dem Wunschdenken der Romantik nicht nur als wegweisend in unser eigenes „ursprüngliches“ Wesen hochstilisiert, er ist durch seine Natur- und Ursprungsnähe natürlich auch grundsätzlich aus sich heraus „gut“, weil noch nicht „verbildet“.
Mittlerweile finden Schiffskreuzfahrten mit Luxuskabine, wechselnder Abendunterhaltung und aus „zivilisierten“ Ländern extra immer wieder eingeflogener „internationaler“ Küche auch zu den „Menschenfressern“ des Sepik rauf und runter statt, soweit er so tief ausgebaggert ist, dass der Luxuspanzer in Form eines Katamarans nicht doch irgendwo aufsitzt. Wo man sich noch vor 30 Jahren, als wir uns noch zu neuen Erkenntnissen aufmachen, mit dem Einbaum und einem hilfreich mitpaddelnden Papua selber abschwitzen musste, bei wenig Gepäck auch immer auf zerfetzte Moskitonetzte in den schmuddeligen Übernachtungshäusern vertrauen musste, rollt eine versierte Crew über den schlammigen Grund beim Aussteigen aus den für Landgänge mitgebrachten Schnellbooten eine Wegbreite sauber abgespritzten grünen Plastikrasen aus. In der Neuzeit angekommen.