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Venezianische Masken: Ursprung und Hintergrund

  • Eine moderne manieristisch gekünstelt wirkende Bauta-maske aus den venezianischen Werkstätten. Auf dem schnauzen-artigen Gesicht die Darstellung zweier mit Schlapphut, Kapuzenmantel und Bautamasken verhüllten Noblen.
  • hochgeladen von Maskenmuseum Michael Stöhr

Noch bekannter und beliebter als das Münchner Oktoberfest oder die Filmpreisverleihung in Cannes -neidlos zugegeben - ist für Europäer wie Besucher aus weiter Ferne der Karneval von Venedig – Inbegriff europäischer Noblesse, Lebenslust und Festtagskultur. Hier setzt sich Jahr für Jahr das italienisch lockere Verständnis einer " Bella figura" ein prunkvoll gelebtes Denkmal. Sind Einheimische, wie mitfeiernde oder aus der Ferne hinsehnende "Tedesci" hier nicht schon längst gemeinsam zum Weltkulturerbe verschmolzen?
Nicht nur Frischvermählte träumen von einer Hochzeitsreise in diese oberitalienische Tourismushochburg. Mal ein Wochenende wenigstens, damit man/frau auch davon schwärmen kann. Einmal mittendrin sein, in aller Freiheit mitzufeiern beim überwältigend großen Kostümfest in maßgeschneiderter Haute-couture, sich zu wiegen im Rausch der Roben, mitgezogen zu werden von der scheinbar ungezügelt lasziven Freiheit der Neureichen und Altaristokraten und das ohne Rücksicht auf den bourgoisen Geldbeutel: Ahhh …..
Das kann dann auch schon Tagträume mit schaudernder Lust erfüllen, schickt man die sehnsuchtsvolle Vorstellung körperlos versteckt hinter einer zauberhaften Maske und wallenden Pleurosen hin zum Eleusis der Sinne.
…… und jedesmal hängen schmachtvolle Damenaugen dann auch bei einer Führung durch das internationalen Maskenmuseum in Augsburg-Diedorf mit seinen 8000 Masken dann schon nach nicht einmal 100 gesichteten Scheingesichtern an meinen Lippen mit der Frage: „ Haben Sie auch Masken aus dem venezianischen Karneval in Ihrer Ausstellung“?
Lapidar die Antwort: „ Die kriegen wir zu Hauf immer geschenkt, wenn sich die Urlauber daran ab gesehen haben oder den Einrichtungsstil der Wohnung ändern. Die sind in Pappkartons im Depot!“ „…………oh wie schade!“. Fast genieße ich die Enttäuschung und tröste anschließend wohlwollend mit den Worten : „ Gerne erzähle ich Ihnen aber den wahren Hintergrund und den Ursprung dieses Maskenkultes:“

Man muss sehr weit zurückgehen in unserer Geschichte, um auf mehreren Ebenen und quer durch Zeit und Landschaft dieses Phänomen des venezianischen Karnevals und seiner Masken verstehen zu können.
Darstellungen von maskentragenden Schamanen findet man schon in den Höhlenmalereien und -zeichnungen der Altsteinzeit mit ihrer Jagdmagie. Seit der Jungsteinzeit werden Tiermasken (besonders der potente Stier, der auch dem Mythos nach die Sonne über den Himmel trägt) von den besten auserwählten Jünglingen getragen, die sich im sportlichen Wettkampf gegeneinander bewährt hatten . Den erfahrensten Priesterinnen der großen Mutter, die auch im Matriarchat die Großsiedlungen regierten, sollten sie neues Leben in den Schoss legen. Auch Vogelmasken spielen überall eine wichtige Rolle als fliegende Boten und Vermittler zwischen den Priesterinnen und den göttlichen Ahnen im Himmel. Bei den Ägyptern spielt der Ibis (der Gott Thot) eine wichtige Rolle als Geleiter der Seelen ins Jenseits und Überbringer neuen Lebens aus den Tiefen der Unterwelt.
Den hochgestellten Menschen wie Pharaonen und Hofbediensteten in Ägypten , die Ihren Körper für das nächste Leben erhalten wollten, wurden je nach Stand Gesichtsmasken aus verleimtem und evtl. mit Gesicht bemaltem Tuch oder goldene Idealgesichter auf gelegt.
Den Versuch das Gesicht des Verstorbenen mit einer verleimten Tuchauflage oder Maske aus feucht modelliertem Leder zu bewahren, gab es bei Griechen , Römern und bei den Langobarden, die in der Gegend von Venedig und bis nach Bergamo angesiedelt waren. Der italienische Begriff für Maske: Maschere stammt mit Gewissheit vom Arabischen : Mascara: Spassmacher. Der aber vor Allem bei germanischen Sprachfamilien übliche Wortstamm Mask(e) findet sich ebenso auch bei der „Masche“ eines Textils, wie auch beim langobardischen: Maska, das nicht nur die Tuchverhüllung des Gesichtes, sondern auch die Mumienbandage der gesamten Leiche bezeichnet.
Diese geleimte Tuchbandage des Gesichtes war relativ stabil und wurde von Sklaven und Schauspielern bei Familienfeiern aufgesetzt, um den Verstorbenen als Maske zu spielen und so quasi teilhaben zu lassen. Um den Toten zu ehren, spielte man auch mehr oder wenige lustige Episoden aus seinem Leben. Goldmasken für besonders hochgestellte Verstorbene fand man nicht nur in den Königsgräbern Griechenlands (Mykene) , sondern auch bei germanischen und slawischen Stämmen in Bosnien/Mazedonien und Bulgarien.
Bei den römischen Saturnalien am Ende des Jahres durften die Sklaven einmal in die Kleider Ihrer Herren schlupfen, durften die Herren kritisieren und in dieser “Verkehrten Welt“ wurden die Sklaven sogar von den Herren bedient. Hier zeigt sich eine Vorstufe zum christlichen Karneval und Fasching als „ gedrehte Moral“ unmittelbar vor der entbehrungsreichen Fastenzeit (Karneval: Carne vale: Fleisch lebe wohl).
Bei den Dionysien der altgriechischen Welt (700-500 v. Chr. Dorer), den Festspielen zu Ehren des Fruchtbarkeits,- und Vegetationsgottes Dionysos wurden Theaterstücke mit großen skurrilen Charaktermasken aus Leder oder verleimtem Stoff gespielt. Auch bei den Satyrspielen, quasi einer sehr frivolen Zwischeneinlage mit Clowns, die über riesiges Potenzwerkzeug verfügten, wurden neben diesem hier unverzichtbaren Atribut Tiermasken getragen. Bei der Komödie der Attelanen waren die Rollen auf wenige Maskentypen verteilt: Macchus( der Dümmliche), Bucco (der pausbäckige Dicke), Manducus (der vergessliche Fresssack) und Pappus (der lüsterne und geizige Alte). Das so genannten Phlyakenmaskenspiel (nach dem Synonym Phleon für Dionysos) wurde dann auch im griechischen Süditalien und bei den Oskern gespielt. Oft war der Auslöser für die Festspiele zu Ehren der Götter ein Gelübde, das zu einer Pest,- und/oder Seuchenzeit abgegeben wurde. Die Darsteller waren meist herumziehende Schauspielerfamilien, die von Fest zu Fest zogen und Vorstellungen gaben. Die Masken meist aus geleimtem Tuch oder Leder wie von den Totenmasken und Theaterrequisiten bekannt. Diese fahrenden Theaterleute hatten meist einen Wagen als Schauspielerbühne, manchmal sogar in Schiffsform: Carrum navalis (Karneval?).
Während sich in der Gegend von Bergamo vor Allem die gestärkte Tuchmaske („Bergamesker Maske“) hielt, spielte man die Comedia rurale in Venedig mit Ledermasken und den Typen: Arlecchino( der etwas verfressene Einfältige), Brighella (der eher skrupellose Diener aus Bergamo), der Dotore (ein gebildeter Arzt aus Bologna), Capitano (der verwegene Haudegen mit typischer Vogelschnabelnase) , Pantalone( ein reicher Geschäftsmann aus Venedig), Colombina(die Dienerin) und ein Liebespaar jeweils ohne Maske.
Arlecchino erinnert in seiner Urform eines im Diesseits und im Jenseits Herumreisenden zunächst stark an die zu früherer Zeit in den Totenmasken auftretenden Schauspieler, über die ja auch gelächelt werden durfte, deren Leben aber auch immer genug interessanten Stoff für einzelne Anekdoten und Verwirrspiele angeboten hatte.
Die zur Jahrmarktsunterhaltung in Masken gespielten Anekdoten, gewannen in der Zeit der Spätrenaissance auch das Herz der Reichen und Höflinge, die einerseits in Verwirrspielen gern unerkannt für kurze Zeit das Leben des gemeinen Volkes nachahmen wollten, noch lieber freilich sich hinter der Maske den armen aber natürlich Schönen ungalant nähern wollten.
In der Comedia dell arte wird der Geschmack der Reichen nach frivolem Verwirrspiel befriedigt und Möglichkeit gegeben, unerkannt hinter der Maske allen Lüsten zu frommen.
Besonders eine Maske war unter den Kaufleuten beliebt, die über die Gassen Venedigs und entlang der stinkenden Kanäle von Liebschaft zu Liebschaft oder Geschäft zu Geschäft eilten: die Bauta.
Ausgesetzt dem Bombardement entleerter Nachtöpfe (wegen fehlender Hauskanalisation) und frech aus dem Fenster in die Kanäle oder auf die Gassen geleertem Abfall war ein weiter Krempenhut , eine dem Gesicht vorspringende schnabelförmige Ledermaske und ein fester dichter Filzmantel, der auch den Nebel der Lagunenstadt abhielt sehr hilfreich. Zudem lies sich ohne Weiteres unter der großen Maskenschnauze im Kampf gegen das Geruchsinferno der Kanäle auch noch einiges von wohlriechendem Kräutermix bis zum mehrfach parfümgetränkten Tüchlein verstauen.
Zu Pestzeiten schien man auch damit gegen Ansteckung gefeit: denn diese so die allgemeine Meinung übertrug sich durch den üblen Gestank der Kanäle der Hafenstadt. Dass zwar Hafennähe, Unrat und Kanäle tatsächlich indirekt schuld an schnellerer Übertragung durch Ratten und deren Flöhe sind, wusste man freilich nicht.
Stattdessen war in Spätrennaissance und Barock überall die Verzweiflung ob des sicheren baldigen Todes und der wegen all der groben Sünden schlimmen Höllenstrafe groß („ Memento mori“) . Zum anderen wollte man, so man es sich finanziell leisten konnte, doch lieber noch mal mit aller Herzenslust sich den Freuden hingeben, noch ein schnelles maskiertes Schäferstündchen im Garten mit der Schäferin aus dem Dorfe riskieren, weil der Pegel der Höllenstrafen durch gezielten Ablasskauf vielleicht doch noch weit effektiver zu minimieren wäre, denn durch Enthaltsamkeit (Genieße den Tag: Carpe diem).
Die Doctores und Pestheilkundigen verließen sich nicht allein auf die kurzschnäuzige Bauta mit Ihren wohlriechenden Kräutermischungen, sondern trugen deren verlängerte Form, die einem Vogelgesicht mit nach unten gekrümmtem langen Schnabel sehr ähnlich sah. Dies hatte ganz offensichtlich den Vorteil, dass man sich dem zu untersuchenden Kranken nicht versehentlich gar zu sehr nähern konnte.
Tatsächlich lässt sich aber diese lange Vogelnase auch aus der schwierigen Herstellung dieser Masken aus feuchtem aber plan liegendem Leder erklären: Während man beim Anpassen an das Gesicht des Toten wie auch beim Auflegen auf Holz oder Tonmatrize die weiche nasse Tierhaut leicht noch um die Stirnpartie herumformen kann, fällt es schwer in die Augenhöhlen tief genug ein zu drücken, wenn nicht gleichzeitig das Leder an der Nase stark nach oben weg gezogen wird. Unmöglich ist es aber die Tierhaut um das Kinn herum an zu legen. Es gibt nur wenige Lösungen: 1. Man kann das Leder ab der Mundpartie wegschneiden( Die typische Maske der Comedia dell Arte mit der zum Sprechen und zur Mimik freien Mundpartie ist entstanden) 2. Man kann die Maske einschneiden und das Leder unter der Nase ein wenig dünner geschliffen übereinanderlegen und verkleben oder 3. Man formt eine große Falte und schneidet spitz darauf zu( Eine Pestvogelmaske ist entstanden).
Vögel spielten tatsächlich aber wie beschrieben nicht nur als Götterboten und Zukunftsvisionäre eine Rolle, was sich die römischen Auguren (Vogelschauer) zu Nutze machten, sondern waren ja auch die Seelenbegleiter hin zur Unterwelt und wie erhofft auch dann auch mal wieder zurück als zappelnder Säugling. Der ägyptische Thot, der Ibisgott, war in seiner analoger Form eines griechischen Hermes, römischen Merkur, nicht nur der Schirmherr der venezianischen Kaufleute, sondern stakste da tatsächlich ja unmittelbar vor den Toren würdevoll in schwarzschillerndem Federkleid in den venezianischen Lagunen herum , wurde hier europäischer Ibis ,also Waldrapp genannt und schloss so den Kreis der Mythologie eines Toten- und Wiedergeburtsbeauftragten bündig mit all dem vorher Gesagten zusammen. Als Hermes trismegistos (Äskulapius) war er wiederum der Gott der Ärzte. Zudem zog diese krummschnäbelige Kreatur hin und wieder tatsächlich schon von Weitem sichtbar sicher wohl gar aus den Tiefen der Unterwelt in den Lagunen das eine oder andere zappelnde Ding (war es Frosch oder wirklich ein Säugling) heraus, um es - wer weiß- gar einem unschuldigen Mägdelein (so wie man es auch Meister Adebar nachsagt) ins Kindsbett zu legen.
Mit welchen Tiefen der menschlichen Verstandesgeschichte, Untiefen des Aberglaubens und
Sümpfen von Laster und Naturdeutung haben wir es hier bei der Entwicklung venezianischer Masken also wohl wirklich zu tun?
Und sie werte Damen und Herren fragen mich, ob ich diese pappenen , gipsgestärkten weißgesichtigen touristischen Einmalmasken unserer Ausstellung in Diedorf guten Gewissens zugefügt hätte!!
Gut liegen sie im Karton oben im Dachboden!
Na gut, dann will ich Ihnen doch heute noch ausnahmsweise ein paar weitere zeigen:

  • Eine moderne manieristisch gekünstelt wirkende Bauta-maske aus den venezianischen Werkstätten. Auf dem schnauzen-artigen Gesicht die Darstellung zweier mit Schlapphut, Kapuzenmantel und Bautamasken verhüllten Noblen.
  • hochgeladen von Maskenmuseum Michael Stöhr
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  • Eine der goldenen Fürstenmasken aus den "Königsgräbern" in Mykene, ehemals als "Agamemnon" bezeichnet.
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  • stark reduziert wirkende griechische Tonmaske. Möglicherweise Matrize füür eine Totenmaske aus Tuch oder Leder. Tonmasken waren nicht für die Gesichter der Toten bestimmt und waren zum Tragen im Theater zu schwer. Leider sind aber Masken aus Leder oder anderen vergänglichen Materialien aufgrund der Feuchtigkeit in Europa nicht mehr erhalten, in Ägypten konservierte das heisse trockene Klima besser.
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  • Dionysos oder ein Satyr aus seinem Gefolge mit großer Mundöffnung zum besseren Verständnis des Theatermonologs. Früher wurde behauptet: Personare (Durch die Maske die Sprache verstärken) wäre die Herkunft für Persona (die Rolle, der Typus des Schauspielers)
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  • Der "Capitano" trägt die Ledermaske mit vogelähnlicher Nase in der Comedia dell arte
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  • Pantalone, der venezianische Kaufmann: Matrize aus Holz und das nass darüber geformte Leder
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  • Ein Mascarone, eine Masquette, eine Kartouche: Architekturzierelement aus Stuck mit Bild eines sich in Blattwerk auflösenden Dionysos (Greenman) aus Manierismus und Barock
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  • Tuch und Wachs waren auch Materialien zur Herstellung von Totenmasken. In Bergamo und im Kanton Schwyz findet man auch später noch solche Masken
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  • Eine weisse lederne Maske wie eine Totenmaske der Griechen oder Langobarden gestaltet wird in den berittenen Maskenspielen in Ottana in Sardinien getragen
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  • Der Typus Pantalone: reicher venezianischer Geschäftsmann mit krummer Nase und (hier nicht vorhanden) Ziegenbart
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