Schöne kleine Taube aus Ifriqyia! Du kommst aus dem paradiesischen Miteinander der Religionen!
Gerade bereiten wir wieder eine unserer Ausstellungen vor, die dann deutschlandweit auf Wanderschaft gehen sollen. Beginnen soll diese Ausstellung dieses Mal in den Räumen der katholischen Kirche von Herz Mariä in Diedorf zum 26. Oktober, dem Missionssonntag Missio
Glücklich bin ich als Museumsleiter, der sich mit fremden Kulturen beschäftigt und sich für die Integration und das Verständnis für das Fremde ein setzen möchte, darüber mit welchem Engagement sich die beiden christlichen Kirchen und Ihre Organisationen hier in Diedorf um unser Haus der Asylbewerber und Ihre Bewohner kümmern.
Herrlich, wenn die Kirchen so zusammen arbeiten! Befreit ist heutzutage der erweiterte Blick auf die gemeinsame Hilfe für die Anderen aus fernen Ländern von früherem missionarischen Wettbewerbsdenken.
Viele unserer neuen Diedorfer Mitbürger kommen aus Syrien und dem Libanon, wo noch bis vor kurzer Zeit die drei monotheistischen Religionen friedvoll im Zusammenleben waren. Juden, Christen und Mohammedaner hatten verbunden durch die gemeinsame Geschichte dort, wie früher schon im südwestlichen Teil des Mittelmeeres zu einer paradiesischen, hoch entwickelten gemeinsamen Kultur zusammengefunden.
Möge sich der Weg auch bei uns in Europa multikulturell in eine gleichermaßen friedvolle Richtung weiter entwickeln!
Beim Zusammenstellen der Ausstellung über Teller und Löffel unterschiedlicher Kulturen stieß ich auf eine temperamentvoll in Gelb, Türkis und Schwarz bemalte Schüssel aus dem Magreb des 18. Jhdts. Hinter den typischen ornamentalen schwarzen Pinselstrichen der Berberkultur zeigte sich mir beim Abstauben als zartgefärbter hellblauer kleiner Klecks ein kleiner Vogel. Ganz im Dickicht der vegetabilen Formen sehe ich das Bild einer Taube.
Bildliche Darstellungen sind in islamisch geprägten Ländern ebenso wie im Judentum selten. Denn gibt es da nicht das biblische Gesetz, wonach man sich kein Bild von Gott machen soll? Ist nun aber der Mensch laut den heiligen Büchern nicht auch nach dem Bilde Gottes gemacht? Verständlich da doch, das man auch in den fundamentaleren Prägungen von Islam und Judentum kein Bild des Menschen herstellen sollte!
Keine Fotos bitte!! Fernsehen ist gotteslästerlich!! Illustrierte hat der Teufel gemacht! Nichts Frevlerisches, als dass man sich aber über Gott und seinen Propheten in bildlichen Karikaturen lächerlich macht!
Ist es da nicht fast verständlich, wenn aus dieser Angst vor dem Abbild, wunderbare Bildwerke anderer Kulturen zerstört, gesprengt werden, so wie bei den großen Buddhastatuen der Gandharakultur durch die muslimischen Taliban vor wenigen Jahren geschehen. Freilich haben sich ja auch oströmische und weströmische Kirche im Bilderstreit zu solchen kulturellen Vernichtungsaktionen hinreissen lassen wurden unersetzbare Zeugnisse der großen frühen Indianerkulturen wie der Maya, Azteken und Inka von ruchlosen Konquistadoren im Namen der christlichen Kirche verbrannt oder ein geschmolzen. Wie unvergesslich nahe aber liegt diese Zerstörungswut anderer Sichtweise: " ich übergebe den Flammen die Werke von...."
Bekannter weise ist nur das Wort Gottes in Bibel und Koran also in Islam und Judentum allein maßgebend und wird in der wohlklingenden Form des Arabischen in wunderschönen Kaligraphien einzig und allein zur Verzierung und Illustration zu gelassen.
Hier aber auf dieser Schale nur buschartige Landschaftsformen, keine Schrift, und eben versteckt, der Vogel, die türkisfarbene Taube!
Barbarisch ,diese Berber! Ist Ihnen denn nicht bekannt, dass sich bis auf einige stilistisch ornamental eingesetzte Blattformen das Verbot der Darstellung im Islam auf die gesamte Schöpfung bezieht? Eine Taube, die sich quasi vogelfrei einfach im Gewirr der Ornamente versteckt. Schüchterne, hellblaue Taube des Friedens aus einem der Länder des großen Aufbruchs nordafrikanischer Länder , Taube des arabischen Frühlings!
Ich erinnere mich noch genau, diese schöne Berberschale aus dem 18. Jhdt. bei einem jener wortgewaltigen maghrebinischen Händler in der Haupstadt von El Andalus in Spanien in Sevilla auf dem Flohmarkt erworben zu haben.
Mit blumigen Worten pries er mir gegenüber die Schönheit und das Alter der Schale und begann , mir über die paradisische Zeit der Umayaden, der Fatimiden und Almohaden-sultane im Gebiet von Marokko, Tunesien und Spanien zu erzählen. Klingende Namen in seiner Erzählung, die für mich damals aber nur „böhmische Dörfer“ waren.
Hergestellt worden sei das Gefäss um 1760 von den Töpfern von Ifriquiya im heutigen Tunesien.
Ifriquyia, welch klingender Name! Ob ich denn wüsste, dass der Name Afrika von ( A(l I)friqu(yi)a) her käme. Besiedelt sei das Gebiet südlich von Tunis schon vor über 10.000 Jahren in der Jungsteinzeit gewesen, als in der Sahara der Wasserhaushalt durch kleine Flüsse und größere Seen noch Tiere und Pflanzen in Fülle für die Jäger und Sammler und auch spätere Ackerbauern bot.
Weiter besiedelt wurde das Hinterland dann über Hunderte von Jahren von den Berbern, die von den Römern schmählich als Barbaren bezeichnet wurden (bärtige Unmenschen) und daher Ihren Namen ab bekamen.
Erobert wurde die Küste dann aber von den Puniern aus Palästina, die damals auf dem Seeweg Ihre erste Hauptstadt in Tyros (Lybanon) verließen, um für sich die Schätze der Küstenstaaten am Mittelmeer zu erobern und Kart Hadasch (lateinisch: Karthago) als Ihre neue Hauptstadt und Ihren westlichen Stützpunkt gründeten. Ständige Scharmützel um die Vorherrschaft zur See und dann die drei punischen Kriege mit dem Nachbarstaat der Römer führten zum Untergang Karthagos. Immer wieder aber erwachte die Stadt schon wegen ihrer bedeutsamen Lage im Nabelpunkt des Mittelmeeres wie ein Phönix aus der Aschezu neuem Leben .
Rom dagegen ging langsam seinem Ende in der Völkerwanderungszeit entgegen und zerrieb sich in den Kämpfen mit den hereinströmenden Stämmen des Nordens und Ostens. Während die Vandalen das Gebiet der Punier übernahmen (den Maghreb und Südspanien, Andalusien: Al (V)andalus), ging die Herrschaft in Italien auf Ost-Rom, Konstantinopel (die Stadt des 1. christl. Kaisers Konstantinus), Byzanz über.
Der Maghreb (Nordwestafrika) und Ifriqyia (das Gebiet des heutigen Tunesiens) wurden zum Schmelzpunkt verschiedenster Kulturen. Das neue Kulturzentrum nach dem Untergang der großen Kulturen der Ägypter (Kairo und Alexandria), Griechen(Athen) und Römer wurde Kairuan, dessen Bibliothek und Universität den Vergleich mit Früherem nicht zu scheuen brauchte.
Nach der Zerstörung ihres Tempels in Jerusalem durch die Römer waren das israelische Volk, die Juden über die Seewege in alle Himmelsrichtungen zerstreut worden. Ihre Kultur, Philosophie und Wissenschaft konnte sich in Kairuan und anderen Stätten des Maghreb besonders gut entwickeln und adaptierte sich in die bereits vor herrschenden Kulturen. Ihre Religion mit der Ausrichtung auf einen Gott, ein Gesetz und seine ausschließliche Gültigkeit konnte in der eher lasch formulierten Ahnenverehrung unterschiedlichster Prägung bei den vielen kleinen Berbervölkern besonders gut Fuß fassen und wurde von vielen angenommen. Gleiches galt auch für das Christentum.
Nachdem allerdings dann im 7. Jhdt. nun auch der Araber Mohamed erkannt hatte, dass man die vielen Streitereien der unterschiedlichen Regionalkulte und Stammesfürsten am besten mit einer einheitlichen fundamental zentralistischen Religion mit nur einem Gott, als Pendant zu eben auch nur einem irdischen Herrscher und einem irdischen Gesetz, schlichten könnte, übernahm der sich ausbreitende Islam auch im Maghreb die führende Rolle. Die anderen Religionen wurden jetzt aber nicht vergessen oder gar verboten, sondern alle drei Religionen gaben zusammen ihr Bestes mit den ihnen eigenen Möglichkeiten Kultur, Bildung und Wohlstand zu fördern.
Eine einzigartige Blütezeit von Kultur und Wissenschaft im Einklang der Religionen unter der besonnenen Führung islamischer Herrscher und Denker war die Folge im Maghreb und im südlichen Spanien. Granada , Sevilla, Kairuan, die glänzenden Städte und ihre Bewohner brachten hier die Kulturen der westlichen Welt in einem Schmelztiegel zur höchsten Entfaltung. Hier entwickelten sich die Superlative des Wissens, die selbst die Mutter aller monotheistischen Religionen, Jerusalem, in den Schatten stellte. Welch kultureller Höhepunkt, welch paradiesische Zeit des Einklangs, des Verständnisses der Religionen untereinander, in die uns am besten die Lessing´sche Geschichte von „ Nathan dem Weißen“ hinein führen kann.
Die Taube, die Noah ausgeschickt hatte, Land für ein Leben in Harmonie und gegenseitigem Verständnis zu finden, mag hier im Maghreb des frühen Mittelalters mit dem Ölzweig kommender Kultur fündig geworden sein.
Enttäuschend , dass sich aus solch vielversprechenden Anfängen, wissenschaftlichen Ansätzen, aus frühzeitigen neuzeitlichen Gedanken und solch pragmatisch funktionierendem Zusammenleben der Religionen unter der Obhut des Islam über die folgenden Jahrhunderte so schrecklich regressiv in vielen Regionen der Welt ein vormittelalterlicher islamischer Fundamentalismus und ein steinzeitlicher islamischer Haudrauf-Terrorismus entwickelt hat.