myheimat.de setzt auf dieser Seite ggf. Cookies, um Ihren Besuch noch angenehmer zu gestalten. Mit der Nutzung der AMP-Seite stimmen Sie der Verwendung von notwendigen und funktionalen Cookies gemäß unserer Richtlinie zu. Sie befinden sich auf einer sogenannten AMP-Seite von myheimat.de, die für Mobilgeräte optimiert ist und möglicherweise nicht von unseren Servern, sondern direkt aus dem Zwischenspeicher von Drittanbietern, wie z.B. Google ausgeliefert wird. Bei Aufrufen aus dem Zwischenspeicher von Drittanbietern haben wir keinen Einfluss auf die Datenverarbeitung durch diese.

Weitere Informationen

Die Prinzessin mit den langen Beinen : Vom Stabpuppenspiel in fernen Ländern

Ich bin aufgewacht und kann nicht mehr schlafen.
Zu viele Erinnerungen an ferne Reisen und kleine Alltagsprobleme gehen mir frisch durchgequirrlt durch meinen Kopf.
Wenn ich jetzt aufstehe und ins Depot meiner gesammelten Statuen fremder Völker hinübergehe, um die nächste Ausstellung von Theaterpuppen aus anderen Ländern weiter vor zu bereiten , wird mir folgendes passieren:

Die Besucher japsen und kreischen und biegen sich vor Lachen, halten sich den Bauch , rollen nach Luft schnappend und zusammengekrümmt über die im Zuschauerraum sauber ausgebreiteten Teppiche.

Das Gamelanorchester aus großen und kleinen Gongs steigert sich zum Stakato.

Auf der Bühne, einem nur 2 mal 1 Meter grossem Fenster in einem mit Batikstoffen behängten Bambusgestell, haben sich 2 seltsame Gnome ineinander verbissen. Der eine mit langer Hakennase und über das Unterkiefer weit vorragender Oberlippe schimpft mit einem mir sprachlich völlig unverständlichen Dialekt und hell schnarrender Stimme auf seinen Gegner ein. Der andere, bei dem der Unterkiefer weit vorgezogen, beinahe schon Oberlippe und Nase zu verschlingen droht , grunzt eher schleppend in tieferem Tonfall seine eher bescheidenen Antworten hinterher - - kaum daß er noch rechtzeitig zu Wort kommt.

Ein mächtig heldenhaftes und platzschaffendes Sprachgedonner scheucht die
nach beiden Seiten erbärmlich abhuschenden Diener herrisch ins Abseits.

Whow!!!: Das war und wird für jeden sichtbar Rama, der immer wieder verehrte stramme Held und trotzdem idolhaft angebetete jugendliche Prinz. Keiner sieht ihm wirklich an, wie viele Inkarnationen Wishnu und damit später ja Krishna sei es in Form des Ebers oder auch des Löwen wirklich gebraucht hatten, bis sie in dieser Form des Weltretters endlich wieder verkörpert wurden. Hoch, ganz oben am Rand ders Bühnenlochs schwebt sonnengleich sein eher bescheiden zurückhaltend bekröntes Haupt, gehalten von dünnen Bambusstäben, daruntern schlank und mit bewusst zackigen Bewegungen(-nicht immer will es den Händen des Puppenspielers gelingen den Kopf in der richtigen Richtung die Bewegung anzuführen - manchmal dreht sich das Gesicht beim Vowärtsschreiten auch ganz nach hinten zurück) handlungssuchend der segenbringende Körper bekleidet mit den irgendwo übrig gebliebenen Stoffresten wertvollster Metallwirkerei. Welche Erscheinung!!!

Gäbe es jugendliche Vertreter der Weiblichkeit unter der Masse islamischer Familienoberhäupter und männlicher Zuschauer, sie wären in groopyhaftes Kreischen ausgebrochen. So aber:
Erst als aus dem Hintergrund des Fensters ein schmachtender vom erfahrenen Schauspielvater erzeugter recht weiblicher Ruf in Bahasa Indonesia ( War es vielleicht ein: Die Bratkartoffeln sind fertig??) über die Männergruppe plätschert, geht ein erleichtertes Stöhnen durch die in Kauerstellung sitzenden Reihen:
Ahh Sitra....!
Sie wird es sein , die ihre langen Bambusstab-beine verdeckt unter feinem Satin (an manchen Stellen bedarf das Kleid wohl bald wieder eine farbliche Auffrischung!) vorbei an den schmachten Blicken der Zuseher zur Promenade führen wird. Ahh...! ... Sie weht herein, wie der kühlende Nachtwind über die schwülheissen und moskitoverseuchten Reisterassen von Batavia oder gar von Jogjakarta. Ahhhh Sitra...! ...Endlich!!!
....erzählt von Ihrer Gefangennahme durch den feindlichen Peiniger und hält dem Prinzgemahl und Göttergatten eine wohl nie endend wollende Predigt über wahren Heldenmut und/oder vergeltungssüchtige Kämpfe zur Errettung der Welt vor dem wahrhaft Bösen ... habe ich mir sagen lassen.
....eketeketeketek...wie Maschinengewehrfeuer tackern die Schauspieler den Affengesang und das Kriegsgeschrei der Soldaten des Heeres des verbündeten Affengottes Hanuman von hinten an die Bühnenwand.
Sitra ist noch nicht fertig...., noch lange nicht und dann ist wieder Rama dran, der von seiner Namensverwandschaft mit urdeutscher Pfannenkosmetik nichts weiss.... noch lange nicht...., auch Hanuman muß noch mal ran : In endloser Akribie berichtet er von den Problemen der Kriegsführung und seinen überlegten Schachzügen... Was meint Rama dazu? Eigentlich will ich es nicht mehr wissen, dennoch sein Redeschwall ist nicht zu stoppen.
.....Wann kommt denn endlich wieder eine komische Einlage, wo bleiben die lustigen Dienerfiguren von vorhin? Natürlich sollte man über solches zur Karikatur verändertes Aussehen nicht in Wirklichkeit lachen, weiß man doch , daß sich Ihre Persönlichkeit nur aus Krankheitsmmasken entwickelt haben kann. Wenn aber anderes Szenario sich nur durch die Länge der Prologe ins Gedächtnis mauert - freilich interessant geführt durch die Schausteller - lechzt man nach kurzen und witzigen Pointen.
Warum ziehen sich diese an der Tradition orientierten Tempelgeschichten mit festgelegtem Text denn nur so lange hin? Es ist wahrlich unbequem solange im Schneidersitz auszuharren, wenn die Pobacken längst eingeschlafen sind.
So kann man aber wenigstens nicht hinüberdämmern in diese Zeit vor der Zeit , als alles noch geträumt wurde.

Aus den dunklen und eher unrhythmischen Klängen von unterschiedlichsten Gongreihen und hektisch schrillen Gesängen entwickelt sich rythmisch und melodiös, schwingend von höheren Chorstimmen begleitet---- Afrikas pulsierende Seele.

Es ist Abend auf den niedrigen Lehminseln am Nigerfluss. Dort wo die Strömung nachzulassen beginnt, wo viele Zuflüsse aus allen Richtungen zur Regenzeit das Wasser eher wieder zur Quelle hinauftreiben wollen, hört man das rhythmische Trommeln schon von weitem, wenn man vom knatternden Diesel langsam vorwärts geschoben im Einbaum zur Theatervorstellung fährt.
Wir steigen an Land und werden im Kreis willkommen geheissen.

Die Schausteller sind gekommen!

Diese Information muß zunächst auch genügen. Denn wenn in der nördlichen Hemisphäre die Uhr erfunden wurde, so erfand der Afrikaner die Zeit.
Die Schausteller sitzen und putzen sich in aller Gemütsruhe die Zähne mit einem Holzsplitter. Sie spucken geräuschvoll aus, lehnen sich zurück und warten.

Wir warten auch. Nichts kann in Afrika mehr Autorität und Würde vermitteln, als sich Zeit fürs Warten zu nehmen. Um uns diese Ehre zuteil werden zu lassen, warten die Ältesten, neben denen wir Platz nehmen durften,.... auch.

Alle scheinen Würde auszustrahlen. Damit diese wertvolle Produkt menschlicher Kommunikation nicht durch irgendetwas gestört würde, wird kaum geredet. Wie reich jemand doch sein muß, wenn er am wichtigsten regenerativen Anbauprodukt in Afrika so vollen Gewinnanteil hat: Klug ist wer das einmal kapiert hat: Die Zeit, sie wächst ja immer wieder nach, ohne daß man sich um Saat oder Ernte kümmern muß. Welche Gedanken einem da aus dem Nichts plötzlich kommen: Afrika ist uns da weit voraus!

.... Wir warten....
Und die Schausteller erweisen uns die Ehre: Sie sind extra von einer weiter entfernten Insel im Nigerbinnendelta angereist und....sie warten mit uns...

Es mag Stunden gedauert haben,bis sich die Kinder beruhigt hatten, bis die Sonne pünktlich um sechs untergegangen war, bis die schwüle Hitze des am Spätnachmittag von der Sonne erhitzten Wasserdampfes über unsere Nigerschlamminsel gestrichen war, bis sich auch die Frauen in der Dunkelheit aus Ihren Hütten in die Nähe des Platzes gewagt hatten, bis das Surren der Moskitos nichts Besseres als Malaria verheissend verklungen war, bis sich die Schausteller langsam und sich unter den bewundernden Blicken der Anwesenden räkelnd erhoben hatten ....Wieder haben sich die Trommeln im Rhythmus gesteigert, der über lange Zeitperioden eher verschlafen gewirkt hatte.
Die Schauspieler bauen aus vier Stäben, vier bunten, grass gemusterten Tüchern und zwei menschlichen Gerüstträgern ein Geviert von 3-4 Quadratmetern auf, hinter das sie sich schliesslich alle verziehen und uns ehrenhalber weitere wertvolle Wartezeit zugestehen.
Einer krabbelt unter den Tüchern nochmal hervor, befestigt in langwieriger Prozedur an einer Seite eine wie ein bayrisch röhrender Rothirsch geartete Maske einer Kuhantilope. Es sind die runden mit konzentrischen Ringen bemalten Blechdosendeckel, die aufs Gehörn montiert, mir den Gedanken an Schiessscheiben und damit bayrisches Jagd-hallali aufkommen lassen.
Der Aussenaufbau ist fertig. Nach längerer wichtiger Wartezeit setzt sich das Geviert langsam in Richtung des Kopfendes in Bewegung. Hallali! Es geht los!
Das Geviert dreht sich frontal in Richtung der wichtigsten Zuschauer also von uns, umlagert von eher jugendlichen Greisen, den Dorfältesten.
-- Genug Zeit wird nach dieser wichtigen und eingreifenden Perspektivänderung für weiteres Warten zugestanden.

Über den Oberrand der Tücher schiebt sich am Ende einer Stange der Kopf einer Antilope, zwischen deren Gehörn sich zwei menschliche Puppen an Schnüren gezogen hin und herbewegen, anscheinend wie im Streit. Die Vorfahren der Bambara und somit auch ihrer Inselverwandten der Bozzo in Mali glauben an eine Kopfgeburt Ihres ersten Menschenpaares aus der Antilope , dem Totem des Stammes.
Bunt bemalt sind hier die Puppen und Masken, geradezu als seien sie in die Lackdosen der europäischen Forscher hineingefallen, die auf der Reise zu den Quellen des Niger ihre lädierten Boote wieder mit Lackfarbe gegen das Wasser isolierten und die fast verbrauchten Dosen liegenliesen. Andere erscheinen auch waagemutig mit all den Resten dieser Bootslacke kunterbunt bespritzt.
Kein Tourist würde je solche Masken und Stabpuppen erwerben, weil sie nicht wie erwartet mit reiner Erdfarbe bemalt sind und wie Airportart wirken - niemals aber wirklich nur für Touristen gemacht sind. Eben, weil kein Tourist ein mit solch "unafrikanischen" Farben bemaltes und eher asiatisch wirkendes Stabpuppen-objekt mit reinem Gewissen erwerben würde, ist es nicht rentabel, solche Maskenpuppen nachzumachen. Sowas "geht" nicht, wird nicht verkauft. Auch , wenn dieser Europäisch-amerikanische Kunstmarkt schon seit Jahrzehnten geil war auf jede "primitive" Kunstäusserung, und auch sogar die fast fabrikmässige Herstellung und Patinierung afrikanischer Schnitzwerke auf alt nach bestem afrikanischem Trickvermögen in Kauf genommen wurde:

Wie im Handpuppentheater europäischer Prägung erscheinen hier bald auf Stäben auch weitere Puppen tierischen Ursprungs, um es dem ersten Menschenpaar bei der Suche nach einem geeigneten Siedlungsplatz mehr oder weniger schwer zu machen. Seltsamerweise fehlt hier mitten im Nigerfluss, wo es von Krokodilen wimmelt, aber jene einfache Klappkieferpuppe. Seine Rolle übernimmt die Tod riechende Hyäne, die als Maskengestalt auch für die Bestattung menschlicher Toten zuständig ist.
Nun gut, Fischpuppen gibt es genausowenig wie die der Krokodile, nur die Puppen von Zwillingswassermenschen in die sich unsere Menschenahnen verlieben sollen, damit sie sich hier mitten im Niger im Schlamm der Inseln zuhause fühlen konnten. Bekanntes, nur zu Allgemeines ist nicht Inhalt von großem Theater. Die Aufführung ist nicht langweilig. Vieles passiert, Laufend passiert etwas, das man leicht verstehen kann. Erzählt wird nichts. Nur manchmal ein Ruf, ein seltsamer Laut . Die Puppen müssen durch ihre Bewegung sprechen. Die Puppen tanzen. Ein Geschichte folgt der anderen.
Man wird nicht müde. Die Schausteller müssen richtig aktiv geworden sein. Schnüre ziehen, die Kiefer klappern, Der Marabu stolziert auf hölzernen Beinen an den Menschlingen vorbei und dreht sich bedächtig um. Der weisse Vogel , empfiehlt ihnen, auf dem gelben Rücken des Flusses zu siedeln, so hätten Sie immer genug Fisch zum Essen und die fremden Religionen wie das Christentum und der Islam könnten auch nicht mehr die Finger nach den Kindern der Antilope austrecken. Die Geschichte nähert sich dem Ende.
Wir hätten nicht gedacht, daß diese kurze letzte Stunde so viel an Erlebnissen bringen würde.

Die Puppen sind zusammengestellt.
Welches Museum, welche Galerie wird sich interessiert zeigen , unsere Theaterrequisiten und Aufzeichnungen auszustellen. Kostenlos wäre die Leihe. Nur hier im Depot fehlt leider der Platz.
Kostenlos ist auch der Abdruck unserer Texte und Sammlungsfotos, wenn Sie den Vermerk: von www.maskenmuseum.de zufügen.

Weitere Beiträge zu den Themen

Reisebericht AfrikaKunstsammlungMaliMaskenmuseumFreizeittippsJavaPuppentheaterStabpuppenVeranstaltungen und Ausstellungen 2017viele kulturen - eine weltAsienwayang kulitbozzoReisebericht AsienIndonesienPuppenspielNah & FernAusflugtipps BayernPuppenausstellungwayang goleng

Kommentare

Beteiligen Sie sich!

Es gibt noch keine Kommentare. Um zu kommentieren, öffnen Sie den Artikel auf unserer Webseite.

Zur Webseite