Das Maskenmuseum Diedorf bei Augsburg: 1.Von den Ursprüngen der Maskenbräuche im Winter
Ich sitze am Boden im allerunmodernsten Museum Schwabens ohne Heizung, ohne medientechnische Computerspiele, ohne versierter Museumspädagogik, ohne perfekte Präsentation. Unsere Masken sind nicht unter spiegelblank geputzten Scheiben gesichert, jedermann darf sie anlangen und sogar aufsetzen. Aus Sicht von Museumsfachleuten natürlich völlig unmöglich, es könnte ja etwas kaputt gehen an unseren Masken, wenn unsere jugendlichen Besucher begeistert durch unseren Gruselgang unter höchst sparsamer Beleuchtung quer und mit Hautkontakt durch baumelnde Masken kriechen , mit zitternden Händen diese sogar auf den Kopf setzen. Völlig Unbedenklich aus unserer Sicht: freilich kann ein Horn mal abbrechen, eine Maske vielleicht sogar schlimmstenfalls auf den Boden fallen und etwas abbrechen . Das ist innerhalb von fast 20 Jahren unseres Bestehens nur ein zweimal passiert und wir haben sie halt wieder zusammengeklebt. Eigentlich nicht der Rede wert, zumal wir die robusten Masken zum großen Teil auch kaputt aus den wilden Krampus- und Perchtenläufen ins Museum gerettet haben, wo ich diese dann selber wieder repariert habe. Und zudem leihe ich unsere Masken dann sogar auch wieder aus.. an engagierte junge Leute, die damit hier in Diedorf bei Augsburg und in anderen Gemeinden ein wildes Perchtenmaskenspektakel und Maskentheater nach historischem Vorbilder auf führen. Masken sollten eigentlich nicht im Museum nur herumhängen, sondern der Maskenbrauch ist ja etwas ganz besonders Lebendiges und Emotional Interessantes, das nicht hinter Glashürden im Museum verstauben darf.. Hier unterstützen uns mit Ihrer Meinung ganz junge Menschen und Museumspädagogen, die mir immer wieder sagen: Ändern Sie bloß nichts an Ihrem Konzept, des Museums zum Greifen und Maskenspielen, ohne dass das Begreifen der vielfältigen Hintergründe hinter den Masken ja gar nicht zu bewältigen ist. Masken erzählen hunderte von spannenden Geschichten, die man mit ausgedrucktem Text und Medienspielen gar nicht so abwechslungsreich und lebendig erzählen kann, wie ich das bei den Führungen eigentlich auch gerne mache und weil ich nicht jeden von Euch durch unser Museum führen kann, sitze ich hier vor der Kamera von Alex Schlumprecht und möchte Euch einige der Geschichten über das Entstehen der Maskenbräuche und unser Winterbrauchtum in Europa erzählen.
Am Anfang steht das Tierfell
Im allerunmodernsten Museum Schwabens möchte ich Euch natürlich als Erstes etwas aus der absolut allerunmodernsten Frühzeit der Masken erzählen. Auch hier können wir freilich nicht immer richtig wissenschaftlich vorgehen und uns gar auf schriftliche Zeugnisse oder die Schriften gelehrter Ethnologen berufen. Denn die Schrift gab es vor 40.000 Jahren freilich noch nicht, also beruhen die Vermutungen, die wir hier z. B. über diesen beschnitzten Mammutstosszahn anstellen, auf reinen Vermutungen. Umso mehr muss man hierbei freilich Funde aus ähnlich altem Zusammenhang mit in die Deutung ein beziehen. Das ist auch gar kein echter Zahn, sondern in unserem Museum freilich nur eine Kopie. Das Original wird im Ulmer Museum ausgestellt. Denn dort in der Umgebung wurden in Höhlen die vermutlich ältesten figürlichen plastischen Bildwerke gefunden. Nun haben wir hier also eine menschlich anmutende Figur mit einem Tierkopf, wohl , so wird vermutet, ein Höhlenlöwe, der damals zusammen mit den frühen Menschen die Höhlen in Europa bewohnte und zur Beutejagd in die Umgebung loszog. Auch der frühe Mensch wird mit ihm sicher oft in Streit um die Höhlenwohnungen geraten sein. Manchmal wurde der Mensch zur Beute, manchmal wurde aber auch ein Löwe erlegt. Gleiche Chancen, gleiche Partner, fast schon Brüder fremden Charakters. So wie bei den Bisonjägern und unter den Indianern in Amerika und Kanada alle Tiere als Brüder gesehen wurden, die man vor der Jagd um Ihre Erlaubnis fragen musste, so mag das auch bei unseren frühen Vorfahren in Ulmer Gegend gewesen sein. Nun ist es sicher absolut unratsam, auf so ein wildes Raubtier zu zu gehen und mit ihm aus der Nähe zu sprechen, also mussten die Schamanen und Stammesführer ein wenig tricksen und einer von Ihnen schlüpfte vielleicht dann einfach unter ein Löwenfell, zog sich das Fellgesicht oder gar den Schädel vor den Kopf und konnte so durch zustimmendes Nicken sein Einverständnis zur Jagd geben. Die gruppe der Jäger war zufriedengestellt und konnte so ohne Angst vor dem wilden Tier auf Beutezug gehen. Ob es wirklich so war, wissen wir nicht, doch kennen wir eine ganze Reihe von Höhlenmalereien, bei denen so oder ähnlich maskierte Menschen, halb Tier halb Mensch oder eben maskiert mit einem Tierfell und -kopf gezeigt werden.
Solche Tierfelle und Tierschädel oder Fellgesichter oder auch große Vogelbälge wurden, wie es scheinen mag, sicherlich für den Jagdzauber oder dem Anschleichen bei der Jagd verwendet, wie wir dies auch bei den Prärieindianern in Nordamerika kennen. Sicher wurden auch die Hörner und Geweihe anderer Jagdtiere mitsamt der Schädelbasis auf dem Kopf der steinzeitlichen Schamanen montiert, wie ein Fund aus Bilzingsleben in Thüringen zeigt , bei dem man in einer Hirschschädelplatte mit Geweih seitliche Löcher zur Befestigung von Schnüren gefunden hat . Damit konnte das Geweih auf der Stirn des Trägers um den Kopf herum festgebunden werden. Hier im Museum haben wir solch einen Nachbau hergestellt. Mit diesen Hirschschädeln wurden vermutlich auch Jagdtänze veranstaltet, ähnlich wie heute noch in Staffordshire in Nordengland oder in Molise in Mittelitalien.
Immer wieder treten auch bei heutigen Winter- oder Faschingsbräuchen dann auch Bärenkostüme auf, deren Urform sicherlich das von Steinzeitjägern abgezogene Bärenfell ist. Bei vielen Stämmen in Sibirien und auch den Ainu glaubt man auch heute nämlich noch: Tötet man den aus der Winterhöhle im Frühjahr auferstehenden Bär und vergisst sein Blut auf die Muttererde, bringt dieses Opfer Fruchtbarkeit. Der getötete Bär wird damit dann auch zum Götterboten .Ähnliches kann man auch bei den Kulturen der frühen und mittleren Steinzeit annehmen. Der Bär steht auch bei heutigen Fastnachtsumzügen als Symbol für junge Frühlingskräfte und ist hierbei immer in Kampf mit dem alten griesgrämigen Bärenführer oder Bärenjäger, der für den Winter steht.
Nach einem Zeitsprung in die Jungsteinzeit um 5000 v.Chr. findet man in den frühen Ackerbausiedlungen in Palästina seltene Totenmasken aus Stein und Keramik. Von vielen anderen Totenmasken aus vergänglichem Material wie Fell, wachs oder Tuch ist auszugehen. Ähnliche Steinmasken fand man in Felsgräbern in Westafrika im Dogonland und in Timor in Indonesien. Hier unsere Beispiele im Museum. Totenmasken so wie auch diese viel spätere aus Ägypten sind weit verbreitet und sollen das Gesicht des Toten in einer ansehnlichen Form für die Ewigkeit bewahren. In späteren Zeiten kann man vermuten, dass leichtere Totenmasken aus Leder , Wachs und Stoff auch wie bei den Langobarden und Griechen für kurze Volkstheaterstücke zur Erinnerung an den Verstorbenen auch von Schauspielern getragen wurden.
Bei den frühesten Ackerbaukulturen an der Donau, Theis, rumänischen Moldau und am Mures findet die große Matriarchatsforscherin Marija Gijambutas bei kleinen Idolen hinter dem abstrakt gehaltenen Gesicht deutliche Einschnitte, als ob dort eine Maske enden würde. Am Rand des Gesichtes befinden sich deutliche Löcher zur Befestigung dieser potentiellen Maskengesichter . In Ihren Forschungen scheint der große Ältestenrat an Frauen im Dorf zu kultischen Zwecken und zur Fortpflanzung von den Männern zu Festzeiten in Tiermasken besucht worden zu sein. Möglicherweise war der Besuch der matriarchalen Dörfer für die bei den Herden lebenden Männer zu allen anderen Zeiten in normaler Gestalt tabu. Die Maskenmodelle aus Ton erinnern an Vorbilder aus Fellen. Bären, Stiere, Hirsche, Ziegen aber vor Allem auch Vögel, deren Himmelsflug die Verbindung zu himmlischen Mächten und dem Jenseits aufrecht erhält, sind wichtige Formen dieses Kultes der Magna mater mit Ihren tierischen Begleitern. Vogelkostüme der Jungsteinzeit fand ich in einem vorgeschichtlichen Maskenzug in der Magura Höhle in Bulgarien…. nicht weit entfernt von den heutigen Kukerimaskenumzügen mit meterhohen Federkostümen in Pernik in Bulgarien.
Dieser heutige Maskenbrauch kommt aber nicht direkt aus beschriebenen jungsteinzeitlichen Bräuchen, sondern scheint durch spätere Mysterien-Kulte der Griechen, Mazedonen, Thraker und Illyrer weiter verändert worden zu sein.