Wir Sündenböcke
Die Ausgabe Nr.65 des Seelenstorm ist jetzt erschienen, im Wieden-Verlag von Rainer Stankiewitz.
Der Verleger aus Crivitz gibt seit Jahren das Schaufensterblatt „ Seelenstorm" raus, das sich kritisch mit der politischen und wirtschaftlichen Lage in Deutschland und Schwerin beschäftigt.
Leider verschließen die Bürger ihre Augen vor den Problemen der Zeit und propagieren ihre heile Scheinwelt, doch diese angeblich heile Welt ist schon lange nicht mehr vorhanden, sondern besteht nur noch aus Lügen und sich selber betrügen, man will die Wahrheit nicht hören auch um sich selbst zu schützen. Zum Glück gibt es immer noch Bürger und scheinbar werden es auch wieder mehr, die nicht die Augen verschließen, vor den zunehmenden Problemen der heutigen Zeit.
Auch das Problem unseres neuen Bundespräsidenten wird aufgegriffen, der ja derzeit mit seiner Zweitfrau durch Deutschland tourt. Die Meinungen über den Präsidenten, der ja aus der Not eines anderen Bundespräsidenten, seinen Posten bekommen hat, sind in Ost- und Westdeutschland geteilt. Unsere Mitbürger aus dem westlichen Teil der Bundesrepublik, sehen in dem Mann, den Bürgerrechtler, der geholfen hat, dem Umbruch in Deutschland zu schaffen. Die Ostdeutschen dagegen können schon viel besser bewerten, wer ein wirklicher Bürgerrechtler war und wer nicht.
Reisen ins westliche Ausland, waren für Bürgerrechtler völlig ausgeschlossen, eine derartige Reisefreiheit beschränkte sich auf eine einmalige Ausreise, die keine kurzfristige Rückkehr erlaubte, vielfach nicht einmal als Transitreisender. Das nun unserer Bundespräsident am Tag des Berliner Mauerfalls am 9.11.1989, den Mauerfall von der Westberliner Seite erlebte, dürfte ein Novum für einen Bürgerrechtler sein. Herr Gauck hatte als Bürgerrechtler, scheinbar das einmalige Privileg mit seinen VW Bus zwischen dem kapitalistischen und sozialistischen System zu pendeln, wie es Tausende jetzt wegen der Arbeit tun. Das nun gerade Herr Gauck zum Chef der neuen Stasiunterlagenbehörde berufen wurde, dürfte vermutlich ein Glücksfall, nicht nur für den zukünftigen Bundespräsidenten gewesen sein, sondern auch für viele Mitarbeiter der ehemaligen Staatssicherheit. Das keine oder nur so wenig Akten über Herrn Gauck vorhanden waren, ist völlig abwegig, fast jeder der irgendwie in den Focus des Staatssicherheitsministeriums gelangte, war auch aktenkundig vorhanden. Hier hat man vermutlich den Bock zum Gärtner gemacht und den weiteren Werdegang eines ostdeutschen Politikers geebnet.
Das nun derartige, angebliche ostdeutsche Bürgerrechtler, nicht unter der Aufsicht der Stasi standen ist für einen Ostdeutschen völlig unglaubwürdig. Derweil ein Westdeutscher eine Reisefreiheit als völlig normal empfunden hat und diesem so, das Unrechtsgefühl dafür fehlte, was man Ihnen durchaus nicht verübeln kann, kann der Ossi dies schon besser bewerten...
Dass es nun hochrangige ostdeutsche SED Mitglieder wieder in die Landesregierungen der ostdeutschen Länder geschafft haben, macht es für die Bürger der ehemaligen DDR viel schwerer, das neue System zu verstehen und darin zu leben.
Als Beispiel für Mecklenburg-Vorpommern seien hier einmal Frau Barbara Borchardt, Frau Angelika Gramkow und Herr Helmut Holter genannt. und glauben Sie mir, es gibt viele Borchardt s',Gramkow s' und Holter s' in unserem derzeitigen politischen System!
Frau Borchardt eine lupenreine sozialistische SED Politikerin in der DDR, war schon mit 20 Jahren Bürgermeisterin, was selbst für DDR Vorzeige-Verhältnisse ungewöhnlich war. Hier hatte sie sicher Rückendeckung und Vorteile durch ihren Vater der in der DDR Richter gewesen ist. Nicht das die Dame nun nur Bürgermeisterin war, Nein, sie saß auch noch im Rat des Kreises des Templin! Dazu muss man den westdeutschen Bürgern mitteilen, dass in derartigen Räten, auch Entscheidungen über Ausreiseanträge getroffen wurden, die nicht immer positiv ausfielen, wer Glück hatte wurde auf der Arbeit jetzt nur geschnitten und wer Pech hatte fand Aufnahme in einer der vielen Unterbringungsheime für die Abtrünnigen. Völlig zu Recht, fand sich die Dame nach der Wende nun als Arbeitslose wieder, aber schon frühzeitig hat man das kapitalistische System durchschaut und lupenreine SED Mitglieder, dies es nach der Wende geschafft hatten, das System vorerst zu unterwandern, ebneten jetzt den Weg für ihre ehemaligen Genossen, die dann wiederum, für die Genossen da waren, die durch die Stasiunterlagenüberprüfungen aufgeflogen waren. So funktioniert dieses System auch noch heute.
Dann Frau Gramkow, die derzeitige Oberbürgermeisterin der Stadt Schwerin, war seit 1978 Mitglied der SED und in der FDJ Kreisleitung der Stadt Schwerin. Die älteren Schweriner, die noch nicht die Flucht aus der Stadt ergriffen haben, werden sich noch an die blonde Schönheit in der schicken blauen Bluse erinnern, mit der die Dame wohl auch ins Bett geht, wurde seinerzeit oftmals vermutet.
Schon 1991 war Sie wieder Mitglied im Landtag in Mecklenburg-Vorpommern.
Und dann Herr Helmut Holter, studierte in Moskau an der an der Bauingenieurhochschule und schloss 1976 als Diplomingenieur ab. Danach war er dann, welch Zufall, im VEB Beton Nord in Milmersdorf, Kreis Templin, Bezirk Neubrandenburg tätig. Eben jenen Kreis, in der auch Frau Borchardt im Rat des Kreises Templin tätig war. Von 1981 bis 1985 war er dann Sekretär der SED-Betriebsorganisation. 1985 begann er ein postgraduales Studium an der Parteihochschule der KPdSU in Moskau, das er 1987 als Diplom-Gesellschaftswissenschaftler abschloss. Anschließend war er bis 1989 in der Abteilung Bau/Verkehr/Energie bei der SED-Bezirksleitung Neubrandenburg tätig.
Scheinbar haben unsere nicht gerade Heimatverbunden westlichen Politiker, kein Problem sich auch mit hochrangieren lupenreinen SED Kadern an den Regierungstisch zu setzen, wenn es auf die Karriereleiter geht, müssen halt auch ein paar Leitersprossen überwunden werden, die einen leichten Knacks weghaben. Wer wieder einmal auf der Strecke bleibt ist der kleine Bürgerrechtler der mit der Kerze um den Schweriner Pfaffenteich gelaufen ist, derweil Holter und Co in der Schweriner Staatskanzlei um ihr schönes Leben gezittert haben. Aber es sollte wieder einmal ganz anders kommen, die Politik ist eben das Paradies zungenfertiger Schwätzer.