" Seelenstorm" Schaufensterbatt für Schwerin
Das Schaufensterblatt Seelenstorm erscheit alle 14 Tage in Schwerin im Wiedenverlag. Herausgeber und Redakteur ist Herr Rainer Stankiewitz aus Crivitz
Hier nun die Ausgabe Nr.55
Der Grund, weshalb seit über vier Wochen kein Seelenstorm erschien, ist eine Ferienreise nach Kroatien und die Aufarbeitung liegengebliebener Verlagsarbeit. Dass Kroatien ein schönes, warmes Land ist, kann ich nun bestätigen, und die Lungomare in Opatije ist wirklich eine Sehens- und erlebenswerte Promenade. Sie ist es auch dann noch, wenn immer wieder im bunten Sprachengewirr der Fremdenführer der Name Sissy auftaucht. Hier, genau wo wir jetzt auch stehen, habe sie gestanden und aufs Meer geblickt, die österreichische Kaiserin. Na, und Franz Josef erst; nach ihm ist diese Flaniermeile benannt. Sehnsucht nach der guten alten Zeit. Ich danke schön! Unser Busfahrer, der uns durch Istrien kutschiert, erklärt mit einer gewissen Hochachtung den Wert der Jachten in den Marinas inklusive an der Kai Kante abgestellte Masaratis aus Russland und sonst woher: „Da müssen Sie“, – das sind wir – „schon eine Million hinblättern – für den Meter Jacht wohlgemerkt!“ Die beiden ältlichen Damen aus Jena ducken sich ehrfurchtsvoll. Ich sage laut in den Bus hinein: „Wir sollten sie zum Teufel jagen!“ Die Engländer unter uns verstehen nichts, die Holländer rümpfen die Nase und ein gemütlicher Sachse barmt von hinten: „Mir sind hier uffm‘ Urlaub, da lassen mir doch die Bolitik!“ Meine Frau tritt mir auf den Fuß und raunt: „Wirst du wohl den Mund halten!“ Soviel zu den Jachten.
Wieder zurück im wunderbaren Schwerin, das steril und harmlos wie immer, trotzdem Freude auslöst, feile ich am Programm der Partei der Bedrängten – wissend, es gibt Zank. Ich will den Kapitalismus überwinden, andere möchten ihn zähmen oder eingrenzen. Er habe ja auch seine Vorteile. Nun bin ich fast vierundsechzig Jahre alt, erlebte manches und versuche mein Bild von der Welt zu verdichten in eine für mich endlich gültige Anschauung. Mein Blick fällt über den Brillenrand die Wand hinauf, wo ein Zeugnis hängt, das mir das Studium der Philosoph Marx, Engels und Lenin, auch Feuerbach und Hegel erfolgreich bestätigt. Welche Lüge! Nichts lernte ich über diese Männer. Weil ich es nicht wollte! Es hing mir zum Hals heraus, was mir die Lehrer zum Schlucken gaben. Wie verhängnisvoll! Es sind viele Worte verloren worden, warum was in der DDR schief lief, doch waren es die richtigen Einschätzungen? Mit Sicherheit weiß ich
heute: alles, was uns mediale Berichterstatter auftischen und was besonders unsere westdeutschen Landsleute glauben, ist unwahre und bewusste Täuschung. Warum machen sie das? Weil weltweit der Sozialismus verdächtig nah an die Startlinie rückt. Davor haben sie eine Heidenangst! Sie, das
sind die von den Vermögenden gekauften Medien. Jene regieren und keine anderen. Ich fand einen netten Satz in einem Buch des englischen Autoren Prof. Terry Eagleton, eines modernen Marxisten, der sagt, wenn erst der unsägliche Kapitalismus überwunden ist: „Unter anderem würde dadurch die unerträgliche Situation beendet, in der ein Haufen machtgeiler, habgieriger Rüpel durch die in ihrem Privatbesitz befindlichen Medien diktieren, was die Öffentlichkeit zu glauben hat – das heißt die Meinungen, die in ihrem eigenen Interesse und dem des von ihnen gestützten Systems liegen. Wir werden wissen, dass der Sozialismus gesiegt hat, wenn uns in der Rückschau die Vorstellung unfassbar erscheint, dass man einer Handvoll von Wirtschaftsgaunern freie Hand gelassen hat, die öffentliche Meinung mit politischen Steinzeitthesen zu vergiften, deren einziger Zweck darin bestand, ihre Bankkonten zu füllen.“
Allein für diese beiden Sätze könnte ich Mister Eagleton küssen! Er schreibt mir aus tiefer Seele.
Machen wir es doch am Beispiel fest, gestern Abend bei Frau Will in der ARD. Eigentlich wollte ich nie wieder politische Talk-Shows, weil ich das verlogene Spiel längst durchschaut habe, aber die Kapitalisten bescheren uns nun existentielle Probleme, da dachte ich, vielleicht erweitert sich der Horizont doch ein wenig, denn geht es um diese globalen Milliardenschachereien, die kleine Leute wie ich sowieso bezahlen müssen, tut jede Aufklärung not. Es konnte einem tatsächlich schon übel werden, wenn Figuren wie Brüderle oder Rogowsky nur mühsam
beherrscht ihre zu entgleisen drohenden Gesichtszüge zu einem kopfschüttelnden genervten Lächeln aufriefen, nachdem sie gefragt wurden, wer denn die nervösen Finanzmärkte seien. Es wären doch die Vermögenden. Oder wer ist es? Es sind eben jene mit der Jacht pro Meter für eine Million. Und diesen Leuten stecken Brüderle und Merkel und wie sonst noch die gekauften Heuchler heißen, unser sauer und ehrlich erwirtschaftetes Geld in den blanken Arsch-ich bitte um Nachsicht wegen dieser Wortwahl. Und nun kommen wir zu Marx. Er ist mitnichten ein vergangener bärtiger Scharlatan. Es bewegt sich alles, verändert sich, läuft ab nach Gesetzen, die nicht einmal ein großkotziger Geldsack außer Kraft setzen kann. Der westdeutsche jahrzehntelang politisch verblödete Normalbürger beginnt langsam, viel zu langsam, zu erwachen. Man sollte sein Koma durch ein paar präzise, kurzgefasste Formulierungen beenden helfen: Der gekaufte Staat schanzt seinen Eignern Kapital zu, erzeugt im Umkehrschluss Volksarmut (die VW Fließbandarbeiter merken davon noch nichts, dies sei eingeräumt). Der Staat hat kein Geld mehr, die Verarmten zu beköstigen, er macht Schulden. Bei wem? Bei jenen, die er zuvor reich machte. Die verlangen für ihre Kredite Zinsen. Jene können nur durch weitere Schulden bedient werden. Die Schere klafft und klafft immer verheerender auseinander. Das Kapital blockiert sich selbst, es kann in gar nichts mehr investieren – die Blase platzt, der kleine deutsche Scheißer mit seinen einhunderttausend Euro – seinem vermeintlichen Lebenswerk – kann aus der Dachrinne Wasser saufen, wenn er noch nicht alt und gebeugt ist und seine Zunge recken kann. – Den Anderen aber gehören nach wie vor die Diamantenminen in Afrika, die Kupfergruben in Chile und die seltenen Erde in Afghanistan. Im nächsten Seelenstorm wollen wir über den tatsächlichen Sozialismus reden, wie er denn sein könnte. Dass er wird, ist klar. Wie er wird, liegt an uns.