819. Newsletter - Reportage zum Fahrplanwechsel
Der Fahrplan 2024 bringt für den Harz wenig Neues – und das wenige ist zumeist schlecht
Die große Mitteldeutsche Reportage zum Fahrplanwechsel: Der Fahrplan 2024 bringt für den Harz wenig Neues – und das wenige ist zumeist schlecht
(Stand 22.10.2023)
Hallo liebe Eisenbahn-, ÖPNV- und SPNV-Interessierte!
Bei der Analyse des Fahrplans 2024, der von der Deutschen Bahn in gewohnter Manier hochgejubelt wird, darf man nicht in den Fehler verfallen, die trübsinnig stimmende aktuelle Betriebslage, die durch anhaltende Ausfälle wegen Personalmangel, schon stattfindende oder bereits angekündigte Streiks gekennzeichnet ist, auf die Betrachtung des Angebots für 2024 zu übertragen.
Der Fahrplan 2024 ist mehr denn je eine Angelegenheit, die man wie einen Verkaufskatalog betrachten muss, von denen einem derzeit täglich welche ins Haus flattern: Es steht viel drin, aber wenn man es bestellt, ist es gerade alle, und man muss warten. Immerhin aber zeigt so ein Fahrplan auf, was man für die einzelnen Regionen zu tun gedenkt oder mindestens mal anzubieten vorhat. Und danach muss man ihn bewerten.
Also:
- Nicht die praktisch kaum noch befahrbare Strecke Nordhausen – Erfurt steht zur Debatte,
- auch nicht die ständigen Betriebsunterbrechungen zwischen Kassel, Nordhausen und Halle,
- nicht der neue Bahnsteig-Schildbürgerstreich in Ellrich,
- nicht die häufigen Metronom- und Erixx-Ausfälle oder
- die kaum noch fahrenden DB Start-Züge,
- auch nicht das die Fahrgäste nervende Trommelfeuer von Streikankündigungen und tatsächlichen Streiks,
- auch nicht die Unzahl an kleinen und großen Baustellen, die zu häufig monatelang anhaltenden Änderungen oder Zugausfällen zwingen,
- sondern das, was die Deutsche Bahn im Fernverkehr einerseits und die Aufgabenträger des Nahverkehrs im Regionalverkehr andererseits ausgetüftelt haben und das wohl auch zumindest an einigen Tagen oder gar Wochen auch so gefahren werden wird.
Wir lassen uns, auch das gehört vorab erwähnt,
- auch nicht vom Pressegetöse der DB hinreißen,
- die vollmundig mehr Züge und viel mehr Sitzplätze zwischen Köln, Hannover und Berlin ankündigt und
- eine siebenminütige Fahrzeitverkürzung zwischen München und Berlin bejubelt, aber leider nicht erwähnt, dass diese Minuten mit einem Zerschießen des Taktfahrplans sowohl für den Fern- als auch für den Nahverkehr einhergehen.
Vorab schon mal das ernüchternde Fazit für den Harz:
- Nur ganz wenig wird besser.
- Vieles bleibt so schlecht wie es war.
- Und manches wird sogar noch schlechter.
- Dieser Fahrplan ist mehr denn je einer für die Metropolen,
- aber keiner für die Fläche,
- jedenfalls nicht für die in Südniedersachsen und Nordthüringen.
Positiv: Mehr Stabilität im Nordharz und ein besseres Angebot über Magdeburg
Nichts mit dem Fahrplan zu schaffen hat das, was sich gerade rund um Goslar abspielt, wo gleich, wenn wir richtig gezählt haben, sechs Stellwerke auf digitale Technik umgestellt werden, um sodann die Weichen und Signale aus Göttingen zu stellen. Bahntypisch um viele Jahre verspätet, kommt diese Innovation dennoch gerade noch zur rechten Zeit, werden doch Personal und Ersatzteile für die alte Technik immer knapper. Nach den Erfahrungen auf den anderen Abschnitten, die bereits ferngesteuert werden, kann man prognostizieren, dass – wenn nicht gerade ein Bagger ein Kabel durchtrennt und alles lahm legt – die Betriebsabläufe stabiler und flüssiger, Verspätungsrisiken minimiert und Puffer zum Aufholen von verlorener Zeit gewonnen werden.
Die Fahrpläne der Strecken Braunschweig – Vienenburg – Bad Harzburg/Goslar, Hannover – Goslar – Bad Harzburg, Kreiensen – Goslar – Bad Harzburg und Halberstadt – Vienenburg – Goslar bleiben unverändert, aber man kann von einem störungsfreieren Betrieb ausgehen, was die Infrastruktur betrifft. Über die fehlenden Lokführer beim Erixx und über die zu erwartende betriebliche Katastrophe in Sachsen-Anhalt nach Übernahme des Dieselnetzes durch die vollkommen unfähige DB-Tochter DB Start wollten wir ja nicht sprechen. DB Netz hat hier einmal seine Hausaufgaben erledigt. Wenigstens hier! In Ellrich bekommt dasselbe Unternehmen nicht mal einen Bahnsteig hin.
Wenn wir auf den nordöstlichen Knoten Magdeburg schauen, so ist durchaus positiv festzustellen, dass es hier zu Verbesserungen in einigen Relationen kommt:
- zwischen Magdeburg und Berlin wird ein einziges IC-Zugpaar eingesetzt
- zwischen Magdeburg und Rostock kommt ein zweites IC-Zugpaar hinzu
- zwischen Magdeburg und Hamburg gibt es wieder ein einzelnes IC-Zugpaar
Diese Aufstockungen bewirken, dass man nun aus dem Nordharz zweimal täglich spürbar schneller als mit dem Regionalexpress über Magdeburg nach Berlin kommt, ebenso retour. Und auch Mecklenburg mit Schwerin und die Ostsee über Rostock sind in beiden Richtungen besser angebunden. Faktisch entsteht einige Male am Tag ein kleiner „IC-Knoten“ in Magdeburg, weil sich dann die IC Emden – Bremen – Hannover – Magdeburg – Berlin und Rostock – Schwerin – Stendal – Magdeburg – Halle – Leipzig und die Züge der Gegenrichtung dort treffen. Dies ermöglicht dann eben gute Übergänge in und aus Richtung Thale, Goslar und Halberstadt nach Berlin und Rostock und umgekehrt.
Durch die Aufstockung des Angebots zwischen Uelzen, Stendal und Magdeburg entstehen überdies, hier allerdings nur am Wochenende, zusätzliche Verbindungen in der Relation Hamburg – Uelzen – Stendal – Magdeburg – Nordharz und zurück.
Noch positiver: Künftig schnell und mit einem Umstieg aus dem Ruhrgebiet in den Südharz
Wie denn? Kommt jetzt wieder der durchgehende Zug Köln – Herzberg – Nordhausen? Natürlich nicht. Aber es kommt, immerhin, etwas anderes. Etwas, an dessen Entstehung weder die Deutsche Bahn noch die Länder Niedersachsen und Thüringen mitgewirkt haben. NRW und Hessen haben etwas bewirkt, und davon profitieren eben auch wir.
Und deswegen sei, um die bisherige positive Grundstimmung noch etwas aufzuhellen, das eigentliche Highlight des Fahrplans 2024 sogleich hier mit angefügt. Die DB hat es nicht angekündigt, weil es außerhalb ihrer Zuständigkeit liegt. Na ja, nicht ganz: Durch das Beibehalten von zweieinhalb ICE- bzw. IC-Zugpaaren wird das im Folgenden darzustellende Angebot leider für 49-Euro-Ticket-Kunden etwas intransparent. Aber egal, es geht ja hier um die Erreichbarkeit des Harzes schlechthin.
Die Revolution spielt sich zwischen Düsseldorf und Kassel über Dortmund – Paderborn ab. Der bisher nur zweistündliche RE11, ein Teil des „RRX“ genannten Schnellverkehrsangebots in NRW, verkehrt ab Dezember stündlich in beiden Richtungen. Gut, nicht ganz, weil besagte ICE und IC ja eingeflochten sind, aber in Summe ergibt sich eben doch ein sehr schnelles und durchaus komfortables Angebot zwischen dem Ruhrgebiet und der nordhessischen Metropole. In Warburg bestehen überdies stündliche Anschlüsse aus Hagen und dem oberen Ruhrtal.
Bisher fuhren die RE11 alle 2 Stunden und trafen genau dann in Kassel-Wilhelmshöhe ein, wenn der durchgehende RE9 nach Nordhausen – Halle nicht fuhr. Die Folge: Hinein in einen kleinen Dieselzug und in Leinefelde abermals umsteigen, dann aber mit keinem Eckanschluss in Nordhausen nach Herzberg. Der RE9 traf in Kassel mit dem bisherigen RE17 aus Hagen zusammen – nicht schlecht, aber doch für den Harz von nachrangiger Bedeutung. Nun passt es, man kann alle 2 Stunden schlank (und schnell) aus Düsseldorf und dem Ruhrgebiet über Kassel nach Nordhausen und Sangerhausen kommen, hat in Nordhausen (immer daran denken: wir sprechen über das Angebot, nicht über den Alltag) Anschlüsse nach und von Herzberg und in Sangerhausen nach und von Hettstedt – Sandersleben – Güsten. Da die bisherigen Verbindungen mit dem zusätzlichen Umstieg in Leinefelde ja bleiben, kann man durchaus von einem schnellen stündlichen Angebot zwischen Rheinland, Ruhr und dem östlichen Südharz sprechen.
In Paderborn bestehen die bisherigen Übergänge nach Kreiensen und Bodenfelde – Göttingen weiter, wodurch auch der westliche Südharz und der Nordharz ihre Anbindungen behalten. Dass jeder zusätzliche Umstieg in Kreiensen oder in Bodenfelde hierbei von Übel ist und dringend durchgehende
Züge nach und von Paderborn angeboten werden müssen, sei nur am Rande erwähnt. Ceterum censeo – bei Cicero hat es am Ende ja geholfen. Schauen wir mal…
Hannover und Halle: Status quo trotz eines aufgestockten Fernzugangebots
Für Hannover und Halle kündigte die DB-Pressestelle eine deutliche Aufwertung des Angebots an, wobei, leider, leider, der Taktfahrplan zwischen München und Berlin über Halle infolge der Umwandlung von drei Zugpaaren in „Sprinter“, welche in der größten Stadt Sachsen-Anhalts durchrauschen (ebenso auch in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt), etwas leidet. Das hat Folgen für die, welche über Halle in den Nordharz wollen. Aber die kündigt die DB ja nicht an.
Hannover
In der Tat kommt es dort zu einer Aufstockung des Angebots dergestalt, dass alle zwei Stunden die ICE aus Köln und aus Düsseldorf getrennt nach Hannover gefahren werden, was, da der Düsseldorfer Zug dann dennoch zweiteilig geführt wird, zu einer Erweiterung des Platzangebotes führt.
Gut so, aber irgendwelche positiven Folgen für den Harz muss man schon suchen. Sie liegen ausschließlich darin, dass der Kölner Zugteil nun einige Minuten vor dem Düsseldorfer Zugteil in Hannover einträfe und hierdurch die Übergänge zum ICE nach Göttingen und zu den RE durch das Leinetal nach Kreiensen und Northeim „sicherer“ werden, da mehr Umsteigezeit zur Verfügung steht.
Dito in der Gegenrichtung.
Ist der Düsseldorfer Zug weg, weil der Metronom wieder mal aufgehalten wurde, bleibt immer noch der Kölner.
Für Goslar und Bad Harzburg bringt das ganze Manöver freilich gar nichts. Die Kölner IC bleiben, wie sie sind, und damit auch ihre brauchbaren Übergänge ins Leinetal und an den nördlichen Harzrand und zurück.
Der Rest ist Verschiebung. Die Zwischen-ICE aus dem Ruhrgebiet und die IC aus Amsterdam werden alle so gelegt, dass sie zur vollen Stunde in Hannover ankommen – was, immerhin, im Sinne der einseitigen Förderung der Metropolen diesen dadurch zugutekommt, dass zwischen Hannover und Berlin ein nahezu halbstündliches Angebot entsteht.
Der Effekt für den Harz?
Null – es fahren ja nicht mehr Züge von Hannover nach Bad Harzburg, durch das Leinetal zukünftig sogar weniger Züge, womit sich die Befürchtung bestätigt, dass der „DeutschlandTakt“, dessen Vorboten ja diese Manöver darstellen, ausschließlich den Metropolregionen zugutekommen soll und wird.
So lange das flache Land im Stundentakt verharrt, nutzt alle Aufstockung zwischen den Großräumen nichts.
Halle
Auch in der Saalestadt halten zukünftig mehr ICE, jedoch in einem wilden Durcheinander mehrerer sich überlagernder Takte.
Es gibt zweistündliche Sprinter Frankfurt – Halle – Berlin, ebenso zweistündliche ICE München – Halle – Berlin, die den Frankfurter Zügen praktisch im Blockabstand folgen, in Sachen Berlin also ohne jede Wirkung sind, und das, was nach der Zerstörung des alten Sprinter-Takts München – Halle – Berlin noch an Krümeln übrig bleibt, und das sind gerade einmal drei Zugpaare, von denen zwei von und nach Wien verkehren.
Schade eigentlich – denn genau diese Züge boten gute Anschlüsse in den Nordostharz…
Die Frankfurter Sprinter haben leider keine Anschlüsse aus dem Nordharz (Halberstadt – Aschersleben – Halle) mehr, weil nur mehr 4 Minuten Umsteigezeit in Halle bleiben – zu wenig.
In den Nordharz kommt man aus Frankfurt schon noch, aber was hilft es, wenn es in der Gegenrichtung hapert?
Es geht wohl nicht anders, denn es folgt auch in dieser Richtung ein anderer ICE im Blockabstand.
Nach und von München, immerhin, gibt es noch ein paar brauchbare Verbindungen. Unverändert bleiben die Verbindungen Nordhausen – Halle – Berlin und zurück – immer vorausgesetzt, die Stellwerke sind besetzt und Abellio fährt auch.
Aber das wollten wir ja ausklammern und halten fest: Alle 2 Stunden Nordhausen – Berlin und zurück wie bisher!
Der nächste anzusprechende Knoten ist Erfurt
Darüber Worte zu verlieren, ist im Grunde jedoch unnötig, weil die ICE-Übergänge aus Frankfurt und München in den Südharz via Nordhausen (wenn denn mal was fährt) und Sangerhausen – Hettstedt – Sandersleben so schlecht bleiben wie sie waren.
20 bis 30 Minuten Umsteigezeit sind, von wenigen Ausnahmen früh und spät abgesehen, sowohl nach und von Frankfurt als auch nach und von München weiterhin die Regel.
Es gibt, schreibt die DB, mehr Sitzplätze zwischen München und Berlin – aber die bringen für die Harzanbindung nichts.
Auch hier im Grunde genommen der Klassiker:
Das Angebot zwischen den Metropolen wird optimiert und verbessert, die Fläche guckt in die Röhre, weil entweder der Wille zur Angebotsverbesserung fehlt oder aber tatsächlich das Geld knapp wird.
Im vorliegenden Fall haben wir es mit zwei eingleisigen Strecken zu tun, von deren die eine, die Nordhäuser, ja schon längst hätte beschleunigt werden sollen.
Nicht mehr Züge, aber die stündlich verkehrenden doch immerhin so schnell, dass man mit dem Knoten Erfurt auch etwas hätte anfangen können.
Daraus wird freilich in den nächsten 5 bis 10 Jahren nichts, das Trauerspiel um die Anbindung der größten Stadt in Nordthüringen wird noch diverse Akte und Vorhänge sehen.
Leinetal: Schlechter geht es nicht mehr
Kommen wir nun zum absoluten Tiefpunkt dessen, was die DB-Fernfahrplankunst in Verbindung mit dem fehlenden Verbesserungswillen auf Seiten der Landesnahverkehrsgesellschaft in Hannover zustande gebracht hat:
Ganz unten, quasi schon im „Kleingedruckten“ der DB-Pressemeldungen, wird eingeräumt, dass man nun leider, leider keine ICE-Halte mehr im Leinetal anbieten kann.
Die letzten werktäglichen schnellen Verbindungen aus dem Südharz (und dem Solling) nach Hannover und zurück werden mir nichts, dir nichts und ohne jede Regung aus der Landeshauptstadt eliminiert.
Der Verweis auf den „Metronom“ muss in den Ohren der Pendler wie Hohn klingen, denn dieser braucht 20 Minuten länger und man muss auf ihn in Northeim über 20 Minuten warten – macht eine schlappe Fahrzeitverlängerung von mal eben 40 Minuten aus.
Bei der LNVG gab und gibt man sich überrascht, man sei im Vorfeld von der Streichung nicht informiert worden (was schlechterdings angesichts der Planungsvorläufe nicht sein kann) und habe nun, aber im Grunde auch sowieso, keinerlei Möglichkeit zur Gegensteuerung. Beim „Metronom“ seien Züge und Personal bekanntlich knapp, und Geld habe man auch keines. Jedenfalls, siehe unten, nicht für den Landessüden.
Die Südharzer werden also einmal mehr vor das Schienbein getreten. Im Leinetal ist man naturgemäß auch nicht begeistert, aber dort beträgt die Fahrzeitverlängerung „nur“ 20 Minuten (und es fehlen natürlich drei Züge), während sie sich auf den Anschlussstrecken links und rechts eben in verheerenden 40 Minuten bemerkbar machen.
Der Umgang mit dem Leinetal, dem Südharz und dem Solling ist ein Paradebeispiel dafür, wie die Deutsche Bahn AG durch die einseitige, womöglich politisch gewünschte, Förderung der Metropolen zulasten des „flachen Landes“ und das Land Niedersachsen durch seine extrem defensive Einstellung zur Fahrplangestaltung im Landessüden in trauter Zweisamkeit ganze Landstriche im Bahnverkehr immer weiter abhängen.
Es geht auch anders – für das Emsland ist immer Geld da. Für Südniedersachsen eben nicht
Das Argument, dass man für eine Ausweitung des Angebots im Nahverkehr kein Geld habe, lassen wir nicht gelten. Es stimmt ja auch nicht, wie ein anderer Fall zeigt. Durch die „Beschleunigung“ der IC Amsterdam – Berlin um knappe 20 Minuten (wir dürfen nun erwarten, dass die Niederländer in Scharen vom Flugzeug abwandern, wenn sie nach Berlin wollen) gehen Anschlüsse in Rheine aus dem Emsland, also Meppen und Papenburg, verloren. Es passiert also genau das, was uns im Leinetal zugemutet wird. Zweistündlich, dies sei nur am Rande vermerkt, bestehen die Emsländer Anschlüsse ohnedies weiter. Es geht hier um die stündliche Verbindung des Emslandes mit Hannover – und die wird flugs durch die Einrichtung einer komplett neuen RE-Linie wieder hergestellt, die zusätzlich zum IC und zusätzlich zu einer stündlichen RB-Linie verkehren wird.
Gut, die stündliche RB-Linie ist bei der letzten Ausschreibung an die Eurobahn vergeben worden, und das ist eine ähnliche Bruchbude wie DB Start. Diese RB fährt also nur gelegentlich. Aber wir schauen ja in den Angebotskatalog des Fahrplans und stellen fest, dass es üppiger kaum noch geht. Geld ist scheinbar immer dann vorhanden, wenn die richtige Region ruft.
Südniedersachsen ist es eben nicht. Wir können uns hier tot rufen, auf uns hört niemand.
Um das Bild abzurunden:
In Hannover hat man nicht einmal wahrgenommen, dass die aus Nordhausen kommende Regionalbahn des morgens nun sinnlos 5 Minuten in Northeim herumsteht, um auf einen ICE zu warten, der nie wieder kommen wird.
Und so entzieht man den Südharzern auch noch die letzte Chance, in Göttingen einen frühen ICE nach Frankfurt und einen ebensolchen nach Hamburg zu erreichen… Erst vor wenigen Wochen hat man den Antrag auf Beschleunigung der RB nachgereicht.
Vermutlich wird er abschlägig beschieden – zu spät.
Das Geschehnis reiht sich leider ein in die unendliche Reihe der Benachteiligungen durch Nichthandeln.
Vor Jahren hat man die Streichung der zweistündlichen IC-Halte im Leinetal klaglos hingenommen, weil hierdurch Uelzen und Celle in den Genuss schnellerer Anbindung an Frankfurt kamen (genau so hat der damalige DB-Konzernbeauftragte in Gegenwart eines sich kümmernden CDU-MdB aus Göttingen gesprochen:
Die Lüneburger Heide profitiert, der Harz interessiert uns nicht, während wir hier in die berühmte Röhre gucken dürfen.
Immerhin schuf man damals Ersatz in Gestalt der RB82 – etwas, von dem man heute kaum mehr zu träumen wagt!
Regionaler Ersatz für wegfallende Fernzüge ist eine durchaus fragwürdige Sache, aber es geschieht ja zuhauf, wenn der politische Wille erkennbar ist, eine Region nicht abzuhängen.
Dann die endlose Geschichte um den völlig problemlos einzurichtenden Halt in Verliehausen (den es ja schon einmal gab).
Es folgt das quälende Drama des Ausbaus zwischen Kreiensen und Holzminden, dessen extrem schlechte Erreichbarkeit durch die ICE-Streichungen in Kreiensen noch potenziert wird.
Hier wartet man seit mehr als 10 Jahren auf Verbesserungen – stattdessen wird es immer schlimmer, da der Knoten Kreiensen inzwischen in ganz Deutschland für seine notorischen Anschlussverluste bekannt ist. Abhilfe?
Geht nur digital, und das bekommen die „Experten“ nicht hin.
Bauarbeiten erschweren die Erreichbarkeit des Harzes zusätzlich
Gebaut werden muss. Es ist viel zu lange nicht gebaut worden. Nur: Es baut DB Netz – eine Garantie für Pleiten. Pech, Pannen und endlose Verzögerungen wie auch immense Verteuerungen während der Bauzeit. Sechs Monate lang fuhren keine Züge auf der Schnellfahrstrecke Göttingen – Kassel, und dennoch hat man es in dieser Zeit nicht fertig gebracht, einen Tunnel zu sanieren. Nun müssen die Züge noch einmal drei Monate ins Werratal herunter.
Die „Weddeler Schleife“ wird natürlich auch nicht fertig (und Corona wie auch die Ukraine müssen erneut als Begründung herhalten), weswegen der eine zusätzliche ICE von Göttingen nach Berlin (er fuhr bis dato nur Montag) erst einmal nur im Katalog steht, aber frühestens im April 2024 geliefert werden kann.
So lange geht nichts zwischen Braunschweig und Berlin. Es folgt die fünfmonatige Sperrung zwischen Frankfurt und Mannheim, die sich freilich auf die Anbindung des Harzes kaum auswirkt, weil das Reisebedürfnis über Frankfurt hinaus überschaubar ist
Zu Bild 2: (Foto Höchste Eisenbahn)
Das ist der kleine Hafenbahnhof von Rorschach am Bodensee. Wir sind in der Schweiz… Soeben ist der Triebwagen aus Heiden eingetroffen. Er fährt jede Stunde. Ansonsten fährt hier halbstündlich die S-Bahn nach Romanshorn und Weinfelden. Im eigentlichen „Hauptbahnhof“ der keine 10.000 Einwohner zählenden Stadt fährt stündlich ein IC nach Zürich – Genf und alle halbe Stunde etwas nach St. Gallen - Zürich oder St. Margrethen - Chur. Am Wochenende gibt es direkte Züge nach Lindau und zurück. Alle Anschlüsse passen zusammen. Der zweistündliche ICE nach München hält hier nicht, aber es gibt selbstredend einen passenden Anschluss in St. Margrethen. Bei diesem Angebot sind die Züge auch ohne 49-Euro-Ticket gut ausgelastet. Streiks gibt es hier übrigens auch nicht. Die berühmte Pünktlichkeit hat zwar einige Kratzer bekommen, aber es klappt schon noch – und wenn einmal nicht, wartet man kaum länger als 15 Minuten auf den nächsten Zug.
Es sei denn, man will so schnell wie irgend möglich dem trüben Bahnalltag in der deutschen Provinz entfliehen und über Basel in die Schweiz reisen. Da ist der Lack der perfekten SBB zwar auch infolge marktwirtschaftlichen Gehabes geblättert, aber er hält noch: Da gilt der Halbstundentakt eben nicht nur zwischen Basel, Zürich und Bern, sondern bis hinein in die letzte Verästelung des Netzes und darüber hinaus dann gleich weiter auf vielen Buslinien…
Michael Reinboth
Viele Grüße
Burkhard Breme
Initiative "Höchste Eisenbahn für den Südharz"
37431 Bad Lauterberg
E-Mail: burkhard.breme@suedharzstrecke.de
Internet: http://www.suedharzstrecke.de
Bild 1: Foto Bernd Jackisch
Ein Metronom hält auf dem Weg von Göttingen nach Uelzen in Northeim.
Gegenwärtig tut er das nur ungern, da aus dem einstigen Vorzeigeunternehmen des niedersächsischen Bahnverkehrs ein trauriger Laden geworden ist. Künftig ist er alternativlos, denn die letzten ICE-Halte fallen ersatzlos weg.
Und in Göttingen entstehen keine neuen, obschon es ginge.